Umstellung auf Mischkulturen könnte Ernährung der Menschheit sichern

Gräser etwa bilden dickere Blätter aus, um das direkte Sonnenlicht im oberen Stockwerk einer Wiese optimal nützen zu können. Kleearten treiben dagegen grössere aber dünnere Blätter aus, um das abgeschwächte Licht in Bodennähe besser aufzunehmen. © Thomas Huntke. CC-BY-SA-3.0-DE

Gräser etwa bilden dickere Blätter aus, um das direkte Sonnenlicht im oberen Stockwerk einer Wiese optimal nützen zu können. Kleearten treiben dagegen grössere aber dünnere Blätter aus, um das abgeschwächte Licht in Bodennähe besser aufzunehmen.
© Thomas Huntke. CC-BY-SA-3.0-DE

Pflanzengemeinschaften nutzen die vorhandenen Resourcen besser aus und garantieren höhere Ernteerträge als Monokulturen. Zu diesem Schluss kommt eine neue europäische Studie. Die Wissenschaftler sind davon überzeugt, dass eine Umstellung auf Mischkulturen in der Land- und Forstwirtschaft einen entscheidenden Beitrag zur Sicherung der Welternährung leisten könnte.

Monokulturen lassen sich zwar effizient bewirtschaften, sind jedoch alles andere als nachhaltig: Durch die einseitige Bewirtschaftung nehmen Umweltschäden an Böden und Gewässern stetig zu. Trotz ihrer gravierenden Nachteile gelten Monokulturen noch immer als alternativlose agrarwirtschaftliche Anbauform, ohne die höhere Ernteerträge nicht zu erzielen sind. Zu Unrecht, wie Bernhard Schmid, Ökologieprofessor an der Universität Zürich, überzeugt ist. Er plädiert für ein Umdenken in der Land- und Forstwirtschaft: Denn wie seine Arbeitsgruppe zeigen konnte werfen Mischkulturen von Wiesenpflanzen höhere Erträge ab als Monokulturen.

Bernhard Schmid sieht «im unerschlossenen Potenzial der Biodiversität die Chance für die künftige Ernährung der Menschheit». Eine dringend benötigte Perspektive, denn neueste Prognosen der OECD und des Food and Agriculture Organization FAO der Vereinten Nationen sind Besorgnis erregend: Beide Organisationen rechnen in Zukunft mit einem geringeren Wachstum der landwirtschaftlichen Produktivität als bisher. Bei einer weiter zunehmenden Weltbevölkerung würde das einen Rückgang der Ernährungssicherheit bedeuten.

Mischkulturen nutzen Ressourcen besser aus

In einer achtjährigen Studie ermittelten Wissenschaftler aus der Schweiz, Deutschland und den Niederlanden die Erträge von Wiesenpflanzen, die sie entweder in Monokulturen oder in Mischkultur angebaut hatten. Überraschenderweise erwiesen sich die Mischkulturen als ertragreicher als die Monokulturen. «Aufgrund ihrer Vielfalt besetzen Pflanzenarten in Gemeinschaften sämtliche vorhandenen Nischen in einem Ökosystem. So nützen sie Bodennährstoffe, Licht und Wasser viel besser aus als Monokulturen – was schließlich zu höheren Erträgen führt», erklärt Dan Flynn, Postdoc in Schmids Gruppe.

Dabei bieten Mischkulturen noch einen weiteren Vorteil: Auf Pflanzen in Mischkulturen lastet ein geringerer Schädlingsdruck als auf Pflanzen in Monokulturen. Schädlinge können sich dort nicht so gut ausbreiten, weil sie die von ihnen bevorzugten Futterpflanzen nicht in so großer Zahl vorfinden, wie in einer Monokultur. Die verschiedenen Pflanzenarten einer Mischkultur schützen sich quasi gegenseitig vor ihren Fraßfeinden  Dieser gegenseitige Schutz in der Gruppe ermöglicht es den einzelnen Pflanzen, die vorhandenen Resourcen für das Wachstum und die Produktion von Nachkommen zu nutzen, statt es für die Schädlingsabwehr zu vergeuden. «Diversität bietet Schutz vor Schädlingen und ist eine Voraussetzung für die höheren Erträge von Pflanzengemeinschaften», so Schmid.

Verschiedene Pflanzenarten stimmen sich untereinander ab

Die Forscher konnten außerdem beobachten, dass sich die Arten innerhalb weniger Generationen optimal an ihre Pflanzengemeinschaften anpassten. Das Phänomen der Kurzzeit-Evolution ließ den Ertrag in Mischkulturen zusätzlich ansteigen. Damit hatte, laut Schmid, bisher niemand in der Grundlagenforschung oder gar der Pflanzenzüchtung gerechnet. In diesem evolutionären Anpassungsprozess bauen die verschiedenen Arten jeweils ihre Stärken aus und ergänzen sich gegenseitig immer besser, um die der gesamten Pflanzengemeinschaft zur Verfügung stehenden Ressource optimal zu nutzen. Gräser etwa bilden dickere Blätter aus, um das direkte Sonnenlicht im oberen Stockwerk einer Wiese optimal nützen zu können. Kleearten treiben dagegen grössere aber dünnere Blätter aus, um das abgeschwächte Licht in Bodennähe besser aufzunehmen.

Positiver Nebeneffekt: nachhaltigere Land- und Forstwirtschaft

Heute versteht man die Bedeutung der Biodiversität meist nur im Zusammenhang mit der Bewahrung der Arten- und der genetischen Vielfalt. «Die Forschungsresultate zeigen, dass Diversität es ermöglicht, die Funktionalität der Ökosysteme über die Zeit und in verschiedenen Umgebungen auf einem hohen Niveau zu stabilisieren», fasst Bernhard Schmid zusammen. Er ist davon überzeugt, dass die neuen Ergebnisse zusammen mit Erkenntnissen aus seiner früheren Forschungsarbeit langfristig zu einem Paradigmenwechsel in der Agrarwirtschaft führen können: Denn die positiven Aspekte von Mischkulturen zeigen sich nicht nur in Pflanzengemeinschaften wie Wiesen und Wäldern, sondern auch beim gemischten Anbau verschiedener Sorten oder Genotypen einer einzigen Nutzpflanze wie etwa Weizen.

«Pflanzenzüchtung und Anbauverfahren sollten deshalb künftig nicht mehr auf die Verbesserung der Leistung von Monokulturen, sondern von Mischungen ausgerichtet werden», so der Ökologe. Ein willkommener Nebeneffekt des erhofften Paradigmenwechsels läge darin, dass dadurch eine nachhaltigere Landwirtschaft gefördert würde: Denn Mischkulturen erfordern weniger Schädlingsbekämpfung und Düngergaben werden besser ausgenutzt.

Universität Zürich, 16.10.2014

 

Originalliteratur:

Debra Zuppinger-Dingley, Bernhard Schmid, Jana S. Petermann, Varuna Yadav, Gerlinde B. De Deyn. Dan F. B. Flynn, Selection for niche differentiation in plant communities increases biodiversity effects. Nature. doi: 10.1038/nature13869

Simon L. Zeller, Olena Kalinina, Dan F. B. Flynn, Bernhard Schmid, Mixtures of genetically modified wheat lines outperform monocultures. Ecological Applications, 22(6), 2012, pp. 1817–1826

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