Wie sich Gier auf die Lernfähigkeit auswirkt

Das Bild 'Der Heuwagen' von Hieronymos Bosch gibt das flämische Sprichwort.  „Die Welt ist ein Heuhaufen – ein jeder pflückt davon, soviel er kann.“ wieder.  © gemeinfrei.

Das Bild ‚Der Heuwagen‘ von Hieronymos Bosch gibt das flämische Sprichwort. „Die Welt ist ein Heuhaufen – ein jeder pflückt davon, soviel er kann.“ wieder.
© gemeinfrei.

Gier macht bekanntlich blind. Warum manche Menschen alles aufs Spiel setzen, um noch mehr Geld oder Güter zu ergattern haben Wissenschaftler nun untersucht. Sie konnten einen Zusammenhang zwischen Gier als Persönlichkeitsmerkmal und riskantem Verhalten herstellen.

Mitarbeiter der Finanzbranche lösten durch hochriskante Spekulationen die Finanzkrise aus. Im Sommer 2007 weitete sich dann die US-amerikanische Immobilienkrise zu einer weltweiten Finanzkrise aus, deren Folgen bis heute an den Märkten zu spüren sind. Vor diesem Hintergrund haben Neuro-Wissenschaftler an der Universität Würzburg eine Studie durchgeführt, um herauszufinden, ob Gier als Persönlichkeitsmerkmal zu riskantem Verhalten führt.

Persönlichkeitsmerkmal Gier erfasst

Zuerst definierten die Forscher dazu das Persönlichkeitsmerkmal Gier und erfassten dessen Ausprägung bei ihren Versuchsteilnehmern durch einen Test. Der Test bestand in einen Fragebogen, bei dem die Versuchspersonen Aussagen in verschiedenen Ausprägungen zu- oder nicht zustimmen konnten. Er erfasst den Wunsch nach mehr, koste es was es wolle – einschließlich einem exzessiven Streben nach materiellen Gütern. Eine gierige Person zeichnet sich für das Forscherteam durch die Bereitschaft aus, dass ihr Streben nach mehr auf Kosten von anderen geht.

Wie wirkt sich Gier auf das Risikoverhalten aus?

An der Risikoaufgabe nahmen 20 Studierende der Wirtschaftswissenschaften teil. Im Labor führten die Versuchspersonen einen so genannten „Balloon-Analogue-Risk-Task“ durch. Dabei geht es darum einen virtuellen Ballon am Bildschirm aufzublasen. Wenn der Ballon platzt, bekommt man gar nichts. Wenn er nicht platzt, verdoppelt sich der Gewinn und man muss sich entscheiden, ob man nochmal aufpumpt oder den Gewinn einstreicht. Der Student mit dem größten Gewinn bekam am Ende der Durchgänge eine reale finanzielle Entlohnung als Preis. Anschließend bearbeiteten die Versuchspersonen den Test zur Erfassung ihrer Gier.

Wie von den Wissenschaftlern erwartet pumpten besonders gierige Personen den Ballon häufiger auf als weniger gierige Personen. Die Bereitschaft Risiken einzugehen konnte also anhand der Ausprägung der Gier vorhergesagt werden. Interessanterweise war dieser Effekt besonders stark, wenn die Personen vorher die Biografie einer gierigen Person gelesen hatten. Bei ihnen wurde ihre Gier quasi durch den Lesestoff aktiviert.

Gier macht es den Betroffenen schwer aus Fehlern zu lernen

Während die Versuchsteilnehmer die Risikoaufgabe lösten wurden ihre neuronalen Prozesse durch Elektroenzephalogramm (EEG) erfasst. Dadurch sollten die zugrundeliegenden kognitiven Prozesse untersucht werden, um das Verhalten der Versuchspersonen erklären zu können. Während der Ballon-Aufgabe wies das EEG eine typische Reaktion nach: Etwa 280 Millisekunden nachdem sich entschieden hatte, ob der Ballon platzte oder nicht, wurde im EEG die „feedbackbezogene Negativierung“ sichtbar. Sie zeigt an, ob das Ergebnis besser oder schlechter war als von der Testperson erwartet. Diese Komponente gibt einen neuronalen Prozesses wieder, der es uns ermöglicht, aus Fehlern zu lernen und unser Verhalten entsprechend anzupassen.

Überraschenderweise trat diese charakteristische Reaktion auf den Feedbackstimulus bei Personen mit ausgeprägter Gier nicht auf. Bei ihnen blieb die Hirnaktivität immer gleich, unabhängig von ihrem Erfolg oder Misserfolg beim Aufblasen des Ballons. Das könnte bedeuten, dass gierige Menschen Schwierigkeiten haben, aus ihren Fehlern zu lernen und ihr Verhalten entsprechend anzupassen. Ähnliche Befunde wurden in früheren Studien bereits für Psychopathie berichtet.

Hohe Boni können die Gier bei Managern aktivieren

Die Ergebnisse lassen vermuten, dass die Risikobereitschaft einzelner Personen von ihrer Gier abhängt. Dabei ist dieser Effekt besonders stark, wenn die Gier zuvor aktiviert wurde. Solche aktivierenden Einflüsse könnten etwa auch hohe Boni bei finanziellem Erfolg oder bestimmte Aspekte der Unternehmenskultur darstellen. Das riskante Verhalten gieriger Personen könnte dadurch zustande kommen, dass sie negative Reize oder Warnsignale aus der Umwelt ignorieren. Das könnte auch das Auftreten und Platzen von Spekulationsblasen erklären. Sie entstehen dadurch, dass Investoren in einer Zeit steigender Kurse ihre Anteile zu lange halten und Hinweise, die einen Umschwung ankündigen, ignorieren.

Weitere Untersuchungen geplant

Als nächstes planen die Wissenschaftler ihrer Befunde auf andere Zielgruppen zu übertragen, wie etwa auf Investmentbanker. Darüber hinaus arbeiten die Psychologen an der Frage, aus welchen Facetten sich Gier zusammensetzt und welche Faktoren gieriges Verhalten fördern.

Julius-Maximilians-Universität Würzburg, 29.10.2014

 

Mussel, P., Reiter, A, M. F., Osinsky, R. & Hewig, J. (2014). State- and trait-greed, its impact on risky decision-making and underlying neural mechanisms. Social Neuroscience, 10.
doi: 10.1080/17470919.2014.965340

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