Möglicher Wirkmechanismus von Ketamin gegen Depressionen entdeckt

Caspar David Frierich. (1774 - 1840). Mondaufgang am Meer.  ©  public domain.

Caspar David Frierich. (1774 – 1840). Mondaufgang am Meer.
© public domain.

Die heute gängigen Antidepressiva wirken bei einem Drittel aller Patienten nicht. Das Medikament Ketamin besitzt einen besonderen Wirkmechanismus durch den es auch die Symptome therapieresistenter Patienten bereits innerhalb weniger Stunden lindern kann. Um Medikamente entwickeln zu können, die genauso schnell ansprechen wie Ketamin, aber deutlich weniger Nebenwirkungen haben, ist ein besseres Verständnis der molekularen Grundlagen entscheidend. Wissenschaftler haben nun bei Mäusen Stoffwechselprodukte, Signalwege und mögliche Biomarker identifiziert, die für eine erfolgreiche Behandlung mit Ketamin entscheidend sein könnten.

Ketamin wurde bisher hauptsächlich als Narkosemittel eingesetzt, ist aber auch ein sehr schnell wirkendes Antidepressivum. Das Medikament wird zur Behandlung von Patienten verwendet, die auf klassische Antidepressiva nicht ansprechen. Im Gegensatz zu anderen Mitteln gegen Depressionen lindert Ketamin die Symptome bereits nach wenigen Stunden. Da das Medikament aber bei einigen Patienten Halluzinationen auslösen kann, wird es nicht als Standardtherapie verschrieben.

Wissenschaftler um Christoph Turck am Max-Planck-Institut für Psychiatrie in München untersuchten nun die Wirkung von Ketamin im Hippocampus von Mäusen. Der Hippocampus ist eine Gehirnregion, die bereits in früheren Studien mit Depression in Zusammenhang gebracht wurde. Depressive Patienten zeigen häufig Beeinträchtigungen ihrer Gedächtnisleistungen, die durch den Hippocampus gesteuert werden. Darüber hinaus besitzen diese Patienten veränderte Verknüpfungen zwischen verschiedenen Hirnregionen einschließlich des Hippocampus.

Ketamin. © public domain.

Ketamin. © public domain.

Bereits zwei Stunden nach einer Ketamin-Behandlung veränderte sich der Energiestoffwechsel in den Hippocampuszellen der Mäuse. Es ist bereits seit längerem bekannt, dass bei affektiven Störungen und Depressionen Stoffwechselwege, wie etwa die Glykolyse, der Zitronensäurezyklus und die mitochondriale Energiegewinnung gestört sind. Zwei Enzyme des Zitronensäurezyklus werden durch Kalzium-Ionen reguliert. Ketamin blockiert den N-Methyl-D-Aspartat Rezeptor (NMDA-Rezeptor), wodurch weniger Kalzium in die Zellen und folglich auch in die Mitochondrien gelangt. Diese Blockade könnte die beiden Enzyme inaktivieren und die hier beobachteten molekularen Veränderungen im Energiestoffwechsel zur Folge haben.

Während konventionelle Antidepressiva die Glykolyse ankurbeln, bewirkt Ketamin eine Hemmung der Glykolyse. Mithilfe der Glykolyse kann wesentlich weniger Energie gewonnen werden als durch den Zitronensäurezyklus. Ketamin verlagert den Energiestoffwechsel in den Gehirnzellen in Richtung Zitronesäurezyklus und sorgt so dafür, dass den Zellen deutlich mehr Energie zur Verfügung steht. Außerdem aktiviert Ketamin Signalwege, die dazu führen, dass an den Synapsen neue Proteine gebildet werden. “All diese Beobachtungen könnten die schnellere Wirkung von Ketamin im Vergleich zu gängigen Antidepressiva erklären”, fasst Christoph Turck vom Max-Planck-Institut für Psychiatrie in München zusammen.

Das Verständnis dieser molekularen Mechanismen könnte die Entwicklung alternativer Medikamente ermöglichen, die genauso schnell ansprechen wie Ketamin, aber weniger Nebenwirkungen haben. Beim Vergleich zwischen mit Ketamin behandelten Mäusen und Kontrollmäusen konnten die Forscher sieben Stoffwechselprodukte identifizieren, die sich als Biomarker eignen könnten. In Zukunft könnten Ärzte anhand dieser Biomarker feststellen, ob ein Patient auf eine Behandlung mit Ketamin-ähnlichen Medikamenten anspricht.

Max-Planck-Gesellschaft, 11. November 2014

 

Originalpublikation:

Weckmann K, Labermaier C, Asara JM, Müller MB, Turck CW. Time-dependent metabolomic profiling of Ketamine drug action reveals hippocampal pathway alterations and biomarker candidates. Translational Psychiatry, 11. November 2014. doi:10.1038/tp.2014.119

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