Krebskranke Kinder sollen nach einem Rückfall eine zweite Chance erhalten

Im Gegensatz zur Chemo- und Strahlentherapie schädigen die neuen, „intelligenten“ Medikamente nicht alle sich schnell teilenden Zellen, sondern richten sich gegen spezifische krebstypische Zellveränderungen. Welche der vielen möglichen krebstypischen Veränderungen einen individuellen Tumor kennzeichnen, kann man ohne Erbgut-Analyse nicht erkennen. © Ljfa-ag. CC BY-SA 3.0

Im Gegensatz zur Chemo- und Strahlentherapie schädigen die neuen, „intelligenten“ Medikamente nicht alle sich schnell teilenden Zellen, sondern richten sich gegen spezifische krebstypische Zellveränderungen. Welche der vielen möglichen krebstypischen Veränderungen einen individuellen Tumor kennzeichnen, kann man ohne Erbgut-Analyse nicht erkennen. © Ljfa-ag. CC BY-SA 3.0

Krebs bei Kindern ist heute meist dauerhaft heilbar. Doch 20 Prozent der krebskranken Kinder erleiden nach einer zunächst erfolgreichen Behandlung einen Rückfall, an dem sie schließlich sterben. Mit dem INFORM-Projekt* wollen Wissenschaftler aus dem Deutschen Krebsforschungszentrum und dem Deutschen Konsortium für Translationale Krebsforschung diesen Kindern eine zweite Chance eröffnen: Als Grundlage dafür soll eine Analyse des gesamten Tumor-Erbguts zum Zeitpunkt des Rückfalls dienen. Damit wollen die Forscher herausfinden, welche Faktoren den Krebs zum Wachsen anregen und versuchen dem einzelnen Kind mit einem der neuen, zielgerichteten Medikamente zu helfen. Dazu wollen die Forscher deutschlandweit bei allen Kindern mit Krebsrückfällen nach Erbgutveränderungen suchen und herauszufinden, ob es Medikamente gibt, auf die genau dieser Tumor ansprechen könnte. Die Deutsche Krebshilfe und die Deutsche Kinderkrebsstiftung unterstützen nun eine Machbarkeitsstudie über einen Zeitraum von zwei Jahren mit rund 1,1 Millionen Euro.

Das drängendste Problem in der Krebsmedizin bei Kindern sind heute Rückfälle nach einer intensiven Stahlen- und Chemotherapie. „Das betrifft in Deutschland jedes Jahr etwa 500 krebskranke Kinder. Zum Zeitpunkt des Rückfalls sind die wirksamen Behandlungen bereits weitgehend ausgereizt, die Medikamente versagen häufig, wenn der Krebs zurückkehrt“, erklärt Otmar Wiestler, Vorstandsvorsitzender des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ). „Deshalb ist es uns so wichtig, für diese Kinder neue Behandlungsmöglichkeiten zu finden.“

Mit einer Untersuchung des gesamten Tumorerbguts zum Zeitpunkt des Rückfalls können Wissenschaftler heute herausfinden, welche Faktoren den individuellen Tumor zum Wachsen anregen. In vielen Fällen lassen sich diese wachstumsfördernden Faktoren durch ein passendes Medikament blockieren.

„Bei rund einem Viertel der krebskranken Kinder kehrt der Krebs nach einer Behandlung zurück, die meisten von ihnen haben dann keine dauerhafte Heilungschance mehr. Eine Erbgut-Analyse könnte nach unserer bisherigen Erfahrung für etwa die Hälfte von ihnen eine zweite Chance bedeuten. Unser Ziel ist es, deutschlandweit bei allen Kindern mit Krebsrückfällen nach einem Medikament zu suchen, das genau zu ihrem Tumor passt“, sagt Stefan Pfister vom Deutschen Krebsforschungszentrum, der federführende Koordinator des Forschungsverbunds INFORM.

Im Gegensatz zur Chemo- und Strahlentherapie schädigen die neuen, „intelligenten“ Medikamente nicht alle sich schnell teilenden Zellen, sondern richten sich gegen spezifische krebstypische Zellveränderungen. Welche der vielen möglichen krebstypischen Veränderungen einen individuellen Tumor kennzeichnen, kann man ohne Erbgut-Analyse nicht erkennen.

Die INFORM-Forscher wollen in einer Machbarkeitsstudie durch umfangreiche Genomanalysen am DKFZ zunächst klären, welche Informationen aus dem Tumorerbgut dazu beitragen können, den Kindern eine bessere Behandlung anzubieten. Dabei konzentrieren sie sich auf die zwölf Krebsarten, bei denen Kinder am häufigsten Rückfälle erleiden. Die Wissenschaftler dokumentieren vor allem, welche und wie viele Mutationen, für die es „intelligente“ Medikamente gibt, in den verschiedenen Krebsarten auftreten. Werden bei einem Patienten Veränderungen in den Tumorzellen entdeckt, gegen die bereits Wirkstoffe zur Verfügung stehen, so kann der behandelnde Arzt diese Information nutzen und individuell mit dem Patienten entscheiden, ob dieses Medikament eingesetzt werden kann.

Gibt es noch keine spezifischen Medikamente gegen eine krebstreibende Zellveränderung, so können Wissenschaftler die Information nutzen, um neue Wirkstoffe zu entwickeln.

Nach Abschluss der Machbarkeitsstudie wollen die Kinderonkologen in einer klinischen Studie nach dem Arzneimittelgesetz prüfen, ob die individualisierte Therapie auf der Basis der Erbgut-Information bessere Heilungserfolge erzielt als die herkömmliche Rückfalltherapie.

Weder die Untersuchung des Tumorerbguts noch die teuren zielgerichteten Medikamente werden derzeit von den Krankenkassen erstattet. Die Förderung durch das Deutsche Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK) (2,5 Millionen Euro), die Deutsche Krebshilfe und die Deutsche Kinderkrebsstiftung deckt einen Teil der Kosten für die Erbgutanalyse, Datenauswertung und Dokumentation. „Für die Deutsche Krebshilfe ist innovative Krebsforschung ein Kernanliegen. Nur über die Forschung können wir die Therapie und Versorgung krebskranker Menschen verbessern. Daher fördert die Deutsche Krebshilfe das hochinnovative INFORM-Projekt“, so Gerd Nettekoven, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Krebshilfe. „Wir wollen, dass alle krebskranken Kinder eine Chance haben zu überleben – durch gezielte Therapien, mit so wenigen Spätfolgen wie möglich. Deshalb ist Forschungsförderung wichtig. Und deshalb ist das Verbundprojekt INFORM mit der gemeinschaftlichen Förderung durch DKTK und DKFZ, die Deutsche Krebshilfe und die Deutsche Kinderkrebsstiftung wegweisend für die Kinderkrebsheilkunde“, sagt Ulrich Ropertz, Vorsitzender der Deutschen Kinderkrebsstiftung.

Auch die BILD-Hilfsorganisation „Ein Herz für Kinder“ unterstützt INFORM. Spenden an diese Charity helfen dabei, den anderen großen Posten zu bewältigen – die Kosten für die neuen Medikamente, die in der Regel nicht von Kassen übernommen werden, weil noch keine ausreichenden Studiendaten vorliegen. In der großen Gala „Ein Herz für Kinder“ (Samstag, 6. Dezember, 20:15 Uhr im ZDF) wird eine kleine Patientin vorgestellt, für die die Analyse des Tumorerbguts eine zweite Chance bedeutet.

*INFORM steht für „Individualisierte Therapie für Rückfälle von bösartigen Tumoren bei Kindern“. Die wissenschaftlichen Koordinatoren sind

  • Prof. Stefan Pfister (federführender Koordinator, DKFZ),
  • Prof. Angelika Eggert (Vorsitzende der Fachgesellschaft für Pädiatrische Onkologie und Hämatologie, Charité Berlin)
  • Prof. Peter Lichter (Leiter des INFORM-Bereichs Molekulare Diagnostik, DKFZ)
  • Prof. Olaf Witt (Leiter der INFORM-Registerstudie, DKFZ und Universitätsklinikum Heidelberg)

Unter dem Dach der Gesellschaft für Pädiatrische Onkologie und Hämatologie sind deutschlandweit elf Studiengruppen und über 50 Rekrutierungszentren an INFORM beteiligt.

Weitere Informationen zum INFORM-Projekt finden Sie unter www.inform20.de

Deutsches Krebsforschungszentrum (DKFZ), 05.12.2014

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