Stoffwechselveränderungen können von einer Generation an die nächste weitergegeben werden

An den roten Augen können die Forscher die übergewichtigen Fliegen erkennen: Durch die besonders zuckerhaltige Ernährung der Väter können in den Söhnen die Gene für einen roten Farbstoff in den Augen sowie andere Stoffwechselfaktoren abgelesen werden. © MPI f. Immunbiologie und Epigenetik/ A. Pospisilik

An den roten Augen können die Forscher die übergewichtigen Fliegen erkennen: Durch die besonders zuckerhaltige Ernährung der Väter können in den Söhnen die Gene für einen roten Farbstoff in den Augen sowie andere Stoffwechselfaktoren abgelesen werden.
© MPI f. Immunbiologie und Epigenetik/ A. Pospisilik

Ein zuckerreiches Festmahl vor dem Sex kann für Fruchtfliegen und ihre Nachkommen weitreichende Konsequenzen haben: Die Fliegenkinder werden dann nämlich anfälliger für Übergewicht. Wissenschaftler haben jetzt entdeckt, dass schon eine kurze Umstellung der Ernährung männlicher Fruchtfliegen bei ihren Nachkommen  Übergewicht hervorrufen kann. Demnach führt zuckerreiches Futter ein bis zwei Tage vor der Paarung dazu, dass der männliche Nachwuchs mehr Körperfett ansetzt – allerdings ist das nur dann der Fall, wenn sich die Jungtiere selbst auch besonders zuckerreich ernähren. Das internationale Forscherteam hat zudem das erste Gen-Netzwerk für eine generationsübergreifende Veränderung des Stoffwechsels identifiziert. Die Ernährung der Väter aktiviert Gene, die das Erbgut epigenetisch verändern können. Diese Veränderungen werden vererbt und steuern in der nächsten Generation die Aktivität von Genen für den Fettstoffwechsel. Die Forscher konnte außerdem ein ähnliches Gen-Netzwerk bei Menschen und Mäusen identifiziern, das die Anfälligkeit für Übergewicht erhöht.

Unser Erbgut ist maßgeblich dafür verantwortlich, wie gut wir die Energie, die wir mit unserer Nahrung aufnehmen verwerten können. Deshalb wird auch die Veranlagung zu Übergewicht durch unsere Gene mitbestimmt. Gleichzeitig lösen Umwelteinflüsse sogenannte epigenetische Veränderungen aus, die sich auf unser Körpergewicht auswirken. Diese Modifikationen sind vererbbar, obwohl sie den genetischen Code selbst nicht verändern.

Die Wissenschaftler haben nun entdeckt, dass die Ernährung von Fruchtfliegen-Männchen über epigenetsiche Veränderungen das Körpergewicht ihrer Nachkommen beeinflussen kann. Die Forscher fütterten die Fliegenmännchen zwei Tage vor der Paarung mit Futter unterschiedlichen Zuckergehalts. Die aus den Eiern geschlüpften Fliegen erhielten dann entweder normale oder zuckerhaltige Nahrung. Die Forscher beschränkten sich aus rein technischen Gründen auf die Untersuchung männlicher Fliegen. Die Ergebnisse dürften aber wahrscheinlich auch auf weibliche Tiere übertragbar sein.

Auf Söhne, die selbst nur eine ausgewogene Nahrung erhielten, hatte die Ernährung ihrer Väter keinerlei Einfluss. Ganz anders entwickelte sich dagegen das Körpergewicht, wenn der Fliegennachwuchs mit besonders zuckerreicher Nahrung gefüttert wurde: Die Jungtiere, deren Väter entweder sehr wenig Zucker oder besonders viel Zucker zu sich genommen hatten, neigten bei einer zuckerreichen Nahrung selbst zu Übergewicht. Sie entwickelten einen höheren Anteil an Körperfett und aßen auch mehr, als die Söhne von Vätern mit ausgewogenem Futter. „Es ergibt sich also ein U-förmiger Effekt: Extreme Zuckerwerte in der Nahrung der Väter – seien sie hoch oder niedrig – haben die stärksten Konsequenzen für die nächste Generation“, erklärt Anita Öst vom Max-Planck-Institut für Immunbiologie und Epigenetik, die inzwischen an der Linkoeping Universität in Schweden forscht. Noch weiter vererbt sich die Wirkung auf das Körpergewicht aber nicht, denn in der Enkelgeneration haben die Wissenschaftler den Effekt nicht mehr beobachtet.

Offenbar ist die Vererbung des Ernährungsstatus der Väter vom Methylierungsmuster der Verpackung ihres Erbguts abhängig. Diese kleinen, chemischen DNA-Anhängsel entscheiden darüber, wie kompakt die DNA verpackt ist. Die Dichte der Verpackung bestimmt ihrerseits darüber, wie stark ein Gen abgelesen wird. Gentechnisch veränderte Fliegen, bei denen die für die DNA-Methylierung zuständigen Enzyme blockiert sind, vererben ihren Ernährungsstatus nicht an ihre Söhne. „Wir haben unterschiedliche Fliegenmutanten getestet und dabei sieben Gene identifiziert, die die Verpackung der DNA kontrollieren“, sagt Adelheid Lempradl vom Freiburger Max-Planck-Institut. Bei einer zuckerreichen Ernährung der Väter ist in der Folge die Verpackung von Genen des Fettstoffwechsels bei den Söhnen so aufgelockert, dass diese Gene verstärkt abgelesen werden. Ein Effekt, der das ganze Fliegenleben lang bestehen bleibt.

Bei weiteren Untersuchungen konnten die Forscher Hinweis darauf finden, dass ähnliche Mechanismen auch beim Menschen vorkommen könnten. Dazu werteten sie die Daten von Untersuchungen an Pima-Indianern – einem Stamm nordamerikanischer Ureinwohner, die häufig unter Übergewicht leiden – sowie eineiigen Zwillingen aus. Die beiden Studien aus den Jahren 2005 und 2008 vergleichen jeweils übergewichtige mit normalgewichtigen Personen und deren Genausstattung. „Die Daten zeigen, dass übergewichtige Menschen dieselbe Gen-Signatur besitzen wie die Fruchtfliegen. Die Anfälligkeit für ein hohes Körpergewicht steigt also auch beim Menschen, wenn bestimmte Methyltransferasen inaktiv sind“, erklärt J. Andrew Pospisilik. Dieselben Gene regulieren den Forschern zufolge auch bei Mäusen das Gewicht.

Max-Planck-Gesellschaft, 4. Dezember 2014

 

Originalpublikation:

Anita Öst, Adelheid Lempradl, Eduard Casas, Melanie Weigert, Theo Tiko, Merdin Deniz, Lorena Pantano, Ulrike Boenisch, Pavel M. Itskov, Marlon Stoeckius, Marius Ruf, Nikolaus Rajewsky, Gunter Reuter, Nicola Iovino, Carlos Ribeiro, Mattias Alenius, Steffen Heyne, Tanya Vavouri, J. Andrew Pospisilik. Paternal diet defines offspring chromatin state and intergenerational obesity. Cell, 4 December 2014. DOI: 10.1016/j.cell.2014.11.005

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