Wie Vögel, trotz fehlender Ohrmuscheln, Geräusche zuverlässig orten können

Vögel können auch ohne Ohrmuscheln Geräusche orten.© Malene Thyssen. CC BY-SA 3.0

Vögel können auch ohne Ohrmuscheln Geräusche orten.© Malene Thyssen. CC BY-SA 3.0

Im Gegensatz zu Säugetieren besitzen Vögel keine Außenohren. Der äußere Teil der Ohren spielt jedoch eine zentrale Rolle bei der Ortung von Lauten. Wie aber können Vögel dann erkennen, wo sich eine Schallquelle befindet? Ein Forschungsteam ist dieser Frage nun nachgegangen und hat herausgefunden, dass Vögel Geräusche mithilfe ihres gesamten Kopfes orten können.

Es ist Frühjahr und zwei Amselmännchen veranstalten einen Gesangswettbewerb. Sie streiten um die Aufmerksamkeit eines Weibchens. Welchem der beiden Amselherren soll sie ihre Gunst erweisen? Um das zu entscheiden muss die Amseldame die beiden Rivalen erst einmal orten können.

„Da Vögel keine Außenohren haben, dachte man lange, dass sie Laute aus unterschiedlichen Höhen nicht unterscheiden können“, erklärt Hans A. Schnyder vom Lehrstuhl für Zoologie an der Technischen Universität München. „Allerdings sollte eine weibliche Amsel ‚ihr‘ Männchen auch dann finden, wenn dieses direkt über ihr trällert.“

Säugetiere können vertikale Geräuschquellen mithilfe ihrer Außenohren orten: Diese sind so aufgebaut, dass sie Schallwellen je nach ihrer Herkunftsrichung schlucken, reflektieren oder beugen. Aus diesen Informationen leitet das Gehirn ab, von welchem Ort ein Laut ausgeht. Doch wie gelingt es Vögeln diese Unterschiede ohne Ohrmuscheln wahrzunehmen?

Der gesamte Kopf ersetzt die Außenohren

Durch Untersuchungen an drei Vogelarten – Krähe, Ente und Huhn – fand Schnyder heraus, dass auch Vögel wahrnehmen können, an welcher Position sich eine Schallquelle befindet. Den Forschern zufolge verändert ihr leicht oval geformter Kopf die Schallwellen in ähnlicher Weise, wie die Ohrmuscheln der Säugetiere.

Lautstärkekarten  Erläuterungen: Die Bilder zeigen, wie bei Huhn, Ente und Krähe die Lautstärke am rechten Ohr bei Geräuschen aus verschiedenen Richtungen variiert.  © Schnyder HA, Vanderelst D, Bartenstein S, Firzlaff U, Luksch H (2014) The Avian Head Induces Cues for Sound Localization in Elevation. PLoS ONE 9(11): e112178. doi:10.1371/journal.pone.0112178

Lautstärkekarten
Erläuterungen:
Die Bilder zeigen, wie bei Huhn, Ente und Krähe die Lautstärke am rechten Ohr bei Geräuschen aus verschiedenen Richtungen variiert.
© Schnyder HA, Vanderelst D, Bartenstein S, Firzlaff U, Luksch H (2014) The Avian Head Induces Cues for Sound Localization in Elevation. PLoS ONE 9(11): e112178. doi:10.1371/journal.pone.0112178

„Am Trommelfell der Vögel haben wir die Lautstärke von Tönen aus unterschiedlichen Höhenrichtungen gemessen“, berichtet Schnyder. Alle Geräuschquellen, die auf derselben Seite wie das Ohr liegen, werden mit einer ähnlichen Lautstärke wahrgenommen, egal aus welcher Höhe sie kommen. Mit einem Ohr alleine könnte das Amselweibchen  also nicht orten, wo sich das so hinreißend schön singende Männchen befindet. Erst das zweite Ohr, das sich auf der gegenüberliegenden Seite des Kopfes befindet ermöglicht es dem Vogel die Höhenunterschiede sehr genau einzuordnen, indem es sie als unterschiedlich laut empfindet.

Lateral + frontal  Erläuterungen: Vögel mit seitlich am Kopf stehenden Augen, wie Amseln, Enten oder Krähen, können die Höhenposition seitlicher Schallquellen abhängig von der Lautstärke gut unterscheiden. Vögel, deren Augen nach vorne gerichtet sind, sind auf frontale Geräusche spezialisiert. © Schnyder HA, Vanderelst D, Bartenstein S, Firzlaff U, Luksch H (2014) The Avian Head Induces Cues for Sound Localization in Elevation. PLoS ONE 9(11): e112178. doi:10.1371/journal.pone.0112178

Lateral + frontal
Erläuterungen:
Vögel mit seitlich am Kopf stehenden Augen, wie Amseln, Enten oder Krähen, können die Höhenposition seitlicher Schallquellen abhängig von der Lautstärke gut unterscheiden. Vögel, deren Augen nach vorne gerichtet sind, sind auf frontale Geräusche spezialisiert. © Schnyder HA, Vanderelst D, Bartenstein S, Firzlaff U, Luksch H (2014) The Avian Head Induces Cues for Sound Localization in Elevation. PLoS ONE 9(11): e112178. doi:10.1371/journal.pone.0112178

Unterschiedliche Lautstärken ermöglichen das Orten von Geräuschquellen

Erst die besondere Kopfform der Vögel macht diese Art der Ortung möglich. Je nachdem, an welchen Stellen des Kopfes die Schallwellen auftreffen werden sie zurückgeworfen, geschluckt oder abgelenkt. Wie die Wissenschaftler herausfanden, kann der Kopf den Schall aus bestimmten Richtungen komplett abschatten. Andere Schallwellen wandern dagegen über den Kopf hinweg und lösen nur am gegenüberliegenden Ohr eine Wahrnehmung aus.

Anhand der unterschiedlichen Lautstärke der an den beiden Ohren eingehenden Signale kann das Gehirn berechnen, ob ein Geräusch von oben oder unten kommt. „Somit können Vögel erkennen, wo genau sich eine seitlich gelegene Schallquelle befindet – zum Beispiel auf Augenhöhe“, führt Schnyder aus. „Das System ist äußerst genau: Am besten können Vögel seitliche Geräusche in einem Höhenwinkel von – 30 bis + 30 Grad orten.“

Das Zusammenspiel von Hören und Sehen optimiert die Orientierung

Aber welchen Vorteil hat dieses auf die Ortung seitlicher Geräusche spezialisierte Gehör für die Vögel? Als potentielle Beutetiere müssen sie ihre Umgebung ständig nach Raubtieren absuchen. Ihre seitlich gelegenen Augen vermitteln ihnen zu diesem Zweck ein Sehfeld von fast 360 Grad. Ergänzt wird dieser auf die Flucht optimierte Sehsinn durch ihr auf die Wahrnehmung seitlicher Geräusche spezialisiertes Gehör.

Schleiereule. © Steve Garvie. CC BY-SA 2.0

Schleiereule. © Steve Garvie. CC BY-SA 2.0

Bei manchen Greifvögeln, wie etwa der Schleiereule, sieht die Entwicklung von Augenstellung und Gehör dagegen ganz anders aus. Die Eulen jagen in der Dunkelheit und ihre Augen sind, wie beim Menschen nach vorn gerichtet, so dass sie räumlich sehen können. Der Federschleier, den sie im Gesicht tragen modifiziert Laute in ähnlicher Weise wie Außenohren. Im Gegensatz zu den von Schnyder und seinem Team untersuchten Vogelarten verfügen die Eulen dank ihres Gesichtsschleiers, der ihnen als großer Schalltrichter dient über ein extrem gutes, nach vorne gerichtetes Gehör. Hier sind Augenstellung und Schallortung optimal an das Jagen angepasst.

So fügen sich auch bei der Schleiereule die Informationen aus Hör- und Sehsinn optimal zusammen, wie frühere Untersuchungen gezeigt haben. „Unsere aktuellen Ergebnisse weisen in die gleiche Richtung: Offenbar ist der Einklang von Sehen und Hören ein wichtiges Prinzip in der Evolution der Tiere“, so Schnyder abschließend.

Technische Universität München, 10.12.2014

 

Interview mit Hans A. Schnyder: Warum brauchen Vögel keine Ohrmuscheln?

 

Originalpublikation:
The Avian Head Induces Cues for Sound Localization in Elevation; Hans A. Schnyder, Dieter Vanderelst, Sophia Bartenstein, Uwe Firzlaff and Harald Luksch; PLOS ONE, November 2014, DOI: 10.1371/journal.pone.0112178

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