Beutefang beim Zebrafisch: Zusammenspiel zwischen Auge und Gehirn ermöglicht erfolgreiche Jagd

Wenn eine Zebrafischlarve ein Beuteobjekt sieht, wird diese Information an Nervenzellen in der AF7-Hirnregion weitergeleitet. Diese Nervenzellen (hier blau) leiten den Jagdimpuls dann in die bewegungssteuernden Areale weiter. © MPI f. Neurobiologie/ Semmelhack

Wenn eine Zebrafischlarve ein Beuteobjekt sieht, wird diese Information an Nervenzellen in der AF7-Hirnregion weitergeleitet. Diese Nervenzellen (hier blau) leiten den Jagdimpuls dann in die bewegungssteuernden Areale weiter.
© MPI f. Neurobiologie/ Semmelhack

Sehen – erkennen – handeln. Diese drei Worte beschreiben, wie eine Sinneswahrnehmung zu einer gezielten Reaktion führen kann. Wie und wo das Gehirn äußere Eindrücke in Verhaltensantworten umwandelt, ist bisher jedoch noch weitgehend unerforscht. Nun konnten Wissenschaftler wichtige Nervenschaltkreise im Gehirn von Zebrafischen identifizieren, die am Beutefangverhalten der Tiere beteiligt sind. Wie die Forscher zeigen konnten, findet die Erkennung potentieller Beuteobjekte bereits in den Nervenzellen der Augen-Netzhaut statt, indem passende Reise aus anderen Umweltsignalen herausgefiltert werden. Die Zellen geben diese Informationen dann an eine Hirnregion weiter, deren Aufgabe bisher unbekannt war. Hier werden dann die Schwimmbewegungen eingeleitet, die für das Ergreifen der Beute notwendig sind.

Beim Fangen eines Balls spielen sich in unserem Gehirn komplexe Prozesse ab. Der Ball muss erkannt und mit den Augen verfolgt werden. Gleichzeitig müssen die eigenen Bewegungen so koordiniert werden, dass die Hände den Ball zur richtigen Zeit am richtigen Ort ergreifen. Für alle Lebewesen ist solch eine Koordination von visuellen Eindrücken und eigenen Bewegungen überlebenswichtig: Nur so können sie beispielsweise eine Beute erkennen, verfolgen und fangen. Bei vielen Tieren ist das grundlegende Beutefangverhalten daher angeboren. Wie und wo das Gehirn ein Objekt erkennt, klassifiziert und die entsprechenden Bewegungsmuster einleitet, war bisher noch nicht bekannt.

Zuschauen, was im Fischgehirn bei der Jagd passiert

Zebrafischlarven können bereits direkt nach dem Schlüpfen kleine Einzeller, wie Pantoffeltierchen jagen. Das Gehirn der Fischchen erkennt die Einzeller als Ziel, berechnet die eigene Entfernung und lenkt dann den Körper mit charakteristischen Schwanzbewegungen zu seiner Beute hin. Dieses angeborene Beutefangverhalten kann im Experiment auch durch kleine, sich bewegende Punkte ausgelöst werden. So können Wissenschaftler den Fischen potentielle „Beute“ auf einem Miniaturbildschirm präsentieren und die darauf folgenden Vorgänge im Fischgehirn beobachten – denn Zebrafischlarven sind fast durchsichtig. Durch genetische Modifikationen leuchten im transparenten Gehirn der Fische immer die Nervenzellen auf, die gerade aktiv sind. Der Blick durch ein Mikroskop erlaubt den Forschern so, zusehen, was im Fischgehirn passiert, während die Tiere Beute erkennen, klassifizieren und auf sie zusteuern.

Bei ihrer Untersuchung der neuronalen Schaltkreise, die am Beutefangverhalten der Fische beteiligt sind, konzentrierten sich die Neurobiologen zunächst auf das Erkennen von Beuteobjekten. „Als erstes haben wir uns die Verbindungen der Netzhaut mit dem Gehirn angesehen“, beschreibt Julia Semmelhack, vom Max-Planck-Instituts für Neurobiologie in Martinsried bei München, ihre Arbeit. Die Nervenzellen der Zebrafischnetzhaut münden in zehn sogenannte AF-Regionen im Gehirn. Welche Aufgabe diese Regionen haben, ist jedoch noch weitgehend unbekannt. Nun konnten die Wissenschaftler zeigen, dass die Nervenzellen in einer dieser zehn AF-Regionen immer dann aktiv wurden, wenn die gezeigten Punkte in das optimale Beuteschema der Fische passten. Größere oder kleinere Punkte hatten dagegen keinen Effekt. Nur bei virtuellen Punkten in der „richtigen“ Größe (und bei echten Pantoffeltierchen) leuchtete die AF7 Hirnregion auf.

Gehirnregion identifiziert, die als Schaltstelle zwischen visueller Wahrnehmung und Bewegung dient

Die weiteren Untersuchungen zeigten, dass bereits die Nervenzellen der Netzhaut potentielle Beuteobjekte aus der Umgebung herausfiltern. Nur wenn ein Punkt „passt“, wird die Information an die AF7-Region weitergegeben. Von dort wird dann der Jagdimpuls in andere Sehregionen und in die bewegungssteuernden Areale weitergeleitet. Als die Wissenschaftler die AF7-Verbindungen kappten, reagierten die Fische nur noch sehr eingeschränkt auf Beutepunkte.

Die AF7-Region ist also essentiell, um visuelle Reize als Beute einzuordnen und ein entsprechendes Jagdverhalten auszulösen. „Wir haben gezeigt, wie ein optischer Eindruck von der Netzhaut über die AF7-Region zu einem bestimmten Verhalten führt“, freut sich Herwig Baier, der mit seiner Abteilung am Max-Planck-Institut für Neurobiologie untersucht, wie Sinneseindrücke vom Gehirn in Verhaltensantworten umgewandelt werden. Als nächstes wollen die Neurobiologen herausfinden, wie die Informationen der AF7-Region in die verschiedenen Schwimmbewegungen übersetzt werden.

Max-Planck-Gesellschaft, 11. Dezember 2014

 

Originalpublikation:

Julia Semmelhack, Joseph Donovan, Tod Thiele, Enrico Kuehn, Eva Laurell, Herwig Baier. A dedicated visual channel for prey detection in larval zebrafish. eLife, 9. Dezember 2014. DOI: 10.7554/eLife.04878

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