Natürliches Antibiotikum gegen gram-negative Bakterien entdeckt

Cystobacter aus der Gruppe der Myxobakterien sind die Produzenten des möglichen neuen Antibiotikums. © HZI/Telkemeyer

Cystobacter aus der Gruppe der Myxobakterien sind die Produzenten des möglichen neuen Antibiotikums. © HZI/Telkemeyer

Die vier Krankheitserreger Escherichia coli, Klebsiella pneumoniae, Acinetobacter baumanii und Pseudomonas aeruginosa haben zwei wesentliche Gemeinsamkeiten: Sie gehören zu den sogenannten gram-negativen Bakterien und sind in Krankenhäusern wegen ihrer hohen Infektiosität besonders gefürchtet. Wissenschaftler haben nun ein potenzielles neues Antibiotikum entdeckt, das gegen diese schwer zu bekämpfenden Krankenhauskeime wirkt.

Immer mehr Keime entwickeln Resistenzen gegen Antibiotika, sodass diese einstigen Wunderwaffen immer mehr von ihrer Wirksamkeit einbüßen. Vor allem in Krankenhäusern stellt die steigende Anzahl resistenter Keime das Personal vor immer größere Herausforderungen, da diese für die geschwächten Patienten eine massive Bedrohung darstellen. „Am schwierigsten zu behandeln ist die Gruppe der gram-negativen Bakterien. Diese besitzen zwei Zellmembranen. Potenzielle Wirkstoffe müssen durch beide hindurch, um eine Wirkung zu erzielen“, sagt Rolf Müller, Geschäftsführender Direktor des Helmholtz-Instituts für Pharmazeutische Forschung Saarland (HIPS). Dadurch sind die Anforderungen an mögliche Wirkstoffe gegen diese Bakterien wesentlich komplexer, als bei den gram-positiven Bakterien, bei denen ein Wirkstoff nur eine Zellmembran überwinden muss.

Trotz der komplexen Anforderungen ist es Müller und seinen Kollegen nun gelungen, aus dem Myxobakterium Cystobacter sp. einen Stoff zu isolieren, der auch gegen gram-negative Bakterien wirkt. „Wir haben eine aus chemischer Sicht vollkommen neue Stoffklasse entdeckt, die wir Cystobactamide getauft haben“, sagt Müller. „In Experimenten haben wir gezeigt, dass diese gegen die gram-negativen Bakterien Escherichia coli und Acinetobacter baumannii wirksam sind.“ Die Wirkstoffe sind also in der Lage, die doppelte Zellmembran zu durchdringen und die Bakterien so bekämpfen.

Auch wie die Cystobactamide genau wirken, konnten die Wissenschaftler bereits zeigen. „Wir konnten nachweisen, dass die Cystobactamide als Gyrasehemmer fungieren: Sie verhindern, dass die DNA der Bakterien platzsparend wie ein verdrillter Gartenschlauch verdichtet werden kann“, erläutert Müller. Wird dieser Vorgang gestört, so können die Bakterien ihre DNA nicht mehr korrekt ablesen und ihr Stoffwechsel wird entscheidend behindert.

Gyrasehemmende Antibiotika sind an sich nichts Neues. Viele der wirksamsten Antibiotika basieren auf diesem Wirkprinzip. „Allerdings konnten wir erstmals einen Wirkstoff aus Naturstoffen gewinnen, der so funktioniert“, sagt Müller. Das Potenzial der bisher bekannten, synthetisch hergestellten Gyrasehemmer ist jedoch inzwischen so gut wie ausgeschöpft. Nach jahrzehntelangen Verbesserungen können sie kaum noch weiterentwickelt werden. In der von den Wissenschaftlern neu entdeckten Stoffklasse der Cystobactamide gibt es dagegen noch vielfältige Optimierungsmöglichkeiten.

„Wir hoffen, durch chemische Veränderungen vor allem die Wirkung gegen gram-negative Bakterien weiter verstärken und verbreitern zu können“, sagt Müller. „Sollte uns das gelingen, sind Cystobactamide ein echter Hoffnungsträger im Kampf gegen Krankenhauskeime und andere gram-negative Bakterien.“

Helmholtz Zentrum für Infektionsforschung, 16.12.2014

 

Originalpublikation:

Baumann, S., Herrmann, J., Raju, R., Steinmetz, H., Mohr, K. I., Hüttel, S., Harmrolfs, K., Stadler, M. and Müller, R. (2014), Cystobactamide: Topoisomerase-Inhibitoren aus Myxobakterien mit hoher antibakterieller Aktivität. Angew. Chem., DOI: 10.1002/ange.201409964.

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