Schimpansen wählen ihre Nussknacker mit Bedacht

 Schimpansin beim Nüsseknacken. © MPI f. evolutionäre Anthropologie/ Giulia Sirianni

Schimpansin beim Nüsse knacken.
© MPI f. evolutionäre Anthropologie/ Giulia Sirianni

Wissenschaftler wollten herausfinden, ob Schimpansen einschätzen können, welche im Regenwald verfügbaren potentiellen Werkzeuge sich besonders gut zum Nüsseknacken eignen und ob sie diese dann bevorzugt auswählen? Ein internationales Forscherteam untersuchte dazu, welche Werkzeuge frei lebende Schimpansen im Taï-Nationalpark an der Elfenbeinküste benutzen, um Nüsse der Art Coula edulis zu knacken. Dabei fanden sie heraus, dass die Affen das für die jeweilige Aufgabe passende Werkzeug mit Bedacht auswählen. Sie berücksichtigen bei ihrer Wahl offenbar verschiedene Parameter, wie Gewicht, Material und Härtegrad des verwendeten „Hammers“ sowie den Ort, an dem sich der „Amboss“ befindet und die Entfernung dorthin.

Einige Populationen frei lebender Schimpansen knacken nahrhafte, harte Nüsse, indem sie diese auf einen Stein, eine harte Wurzel oder den Ast eines Baumes („Amboss”) legen und dann mit einem Stück Holz oder Stein („Hammer”) darauf schlagen. Diese Art des Werkzeuggebrauchs ist den Wissenschaftlern seit fast 30 Jahren bekannt. Doch bisher wusste man nicht, welche Kriterien Schimpansen bei der Auswahl eines geeigneten Hammers berücksichtigen. „Auf dem Boden eines tropischen Regenwaldes befinden sich Holzstöcke und Steine, die sich in Größe, Gewicht und Härtegrad unterscheiden. Nicht alle eignen sich gleichermaßen gut dazu, um Nüsse schnell und effektiv zu knacken“, sagt Giulia Sirianni vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie. „Wenn sie Zeit und Energie sparen, können sich einzelne Tiere aber einen Überlebens- und Fortpflanzungsvorteil verschaffen.“

In zwei Feldforschungsaufenthalten von jeweils fünf Monaten folgten Sirianni und ihre Kollegen fünf erwachsenen weiblichen Schimpansen täglich von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang. Immer wenn ein Schimpanse einen Hammer ausgewählt hatte, markierten die Forscher den Ort, an dem er sich befunden hatte mit Plastikband und speicherten die entsprechenden GPS-Koordinaten ab. Am nächsten Tag kehrten die Wissenschaftler an die Stelle zurück, um zu untersuchen welche möglichen Hämmer dort zur Verfügung standen und wie weit diese vom Amboss entfernt waren. „So konnten wir mithilfe von statistischen Modellen untersuchen, was den gewählten Hammer im Vergleich zu allen nicht gewählten Hämmern auszeichnete, was uns wiederum Aufschluss über die Auswahlkriterien der Schimpansen gab“, sagt Sirianni.

 Bei der Auswahl des Hammers berücksichtigen Schimpansen auch, wo sie die Nüsse knacken. © MPI f. evolutionäre Anthropologie/ Giulia Sirianni

Bei der Auswahl des Hammers berücksichtigen Schimpansen auch, wo sie die Nüsse knacken.
© MPI f. evolutionäre Anthropologie/ Giulia Sirianni

Wie die Wissenschaftler herausfanden, berücksichtigten die Tiere bei ihrer Hammerwahl mehrere Variablen gleichzeitig. Das Gewicht des bevorzugten Hammers hing dabei von dessen Härtegrad, dem Transportweg und dem Ort ab, an dem sich der Amboss befand. Der jeweilige Amboss befand sich entweder am Boden oder auf einem Baum. Besonders beliebt waren bei den Schimpansen härtere Steine. Diese wählten sie deutlich häufiger, als die im Wald weit verbreiteten Holzstöcke. Wenn ihnen kein Stein zur Verfügung stand entschieden sie sich für harte Holzsorten. Bei der Auswahl eines Steines war dessen Gewicht ausschlaggebend: Hier waren ihnen schwere Steine am liebsten. Bei Holzhämmern bevorzugten sie dagegen eher die mittelgroßen Varianten aus Hartholz. Das liegt daran, dass schwere Steine wegen ihrer, im Vergleich zu Holz, höheren Dichte, vergleichsweise klein und handlich sind. Bei längeren Transportwegen oder wenn sie auf einem Ast sitzend Nüsse knackten, entschieden sich die Tiere dagegen für einen leichteren Hammer. Die letzten beiden Beispiele zeigen, dass Schimpansen sowohl den Transportweg, als auch die Stabilität ihrer Nussknackstelle berücksichtigen, wenn sie ein Werkzeug auswählen: Sie planen also voraus.

Die große Anzahl der verschiedenen, berücksichtigten Parameter und ihre Beziehungen zueinander verdeutlicht, dass der Werkzeuggebrauch eine hohe kognitive Leistung darstellt, derer sich die Affen bedienen um ihre Nahrungsbeschaffung zu optimieren. „Lange Zeit ging man davon aus, dass nur Menschen Werkzeug gebrauchen. Inzwischen wissen wir, dass andere Arten dies auch tun und dass unsere nächsten Verwandten, die Schimpansen, ihr Werkzeug auf schlaue Art und Weise und abhängig von der jeweils anstehenden Aufgabe auswählen“, sagt Sirianni. „Die Fähigkeit, sich Zugang zu ummantelten Nahrungsquellen wie Nüssen zu verschaffen, könnte bei der Evolution komplexer kognitiver Fähigkeiten in unserer Abstammungslinie eine Rolle gespielt haben“, sagt Christophe Boesch.

Max-Planck-Gesellschaft, 2. Januar 2015

 

Originalpublikation:

Giulia Sirianni, Roger Mundry and Christophe Boesch. When to choose which tool: multidimensional and conditional selection of nut-cracking hammers in wild chimpanzees. Animal Behaviour. Volume 100, February 2015, Pages 152–165. doi:10.1016/j.anbehav.2014.11.022

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