Gewebemakrophagen stammen meist nicht von Stammzellen aus dem Knochenmark ab

Mikroskopische Aufnahme von Makrophagen aus dem Dottersack. Makrophagen in erwachsenen Geweben stammen aus diesem frühen Stadium der Entwicklung und unterscheiden sich dadurch von allen anderen Zellen des Immunsystems, die aus Stammzellen im Knochenmark gebildet werden. © dkfz.de

Mikroskopische Aufnahme von Makrophagen aus dem Dottersack. Makrophagen in erwachsenen Geweben stammen aus diesem frühen Stadium der Entwicklung und unterscheiden sich dadurch von allen anderen Zellen des Immunsystems, die aus Stammzellen im Knochenmark gebildet werden. © dkfz.de

Die meisten Zellen des Blutes stammen von Stammzellen im Knochenmark ab. Makrophagen, Fresszellen des Immunsystems, bilden jedoch eine Ausnahme. Wie Wissenschaftler nun herausgefunden haben, liegen die Ursprünge der meisten Makrophagen im Dottersack. Von diesem embryonalen Gewebe aus besiedeln Vorläuferzellen der Makrophagen die verschiedenen Gewebe. Dort erneuern sie sich dann selbst. Nur bei Entzündungen und anderen krankhaften Prozessen werden die in den Geweben vorhandenen Makrophagen durch solche aus dem Knochenmark ergänzt. Die neuen Forschungsergebnisse lassen diese Immunzellen in einem neuen Licht erscheinen: Sie wurden zwar schon vor 150 Jahren entdeckt. Ihre Herkunft und Entwicklung ist jedoch nach wie vor wenig verstanden.

Makrophagen sind Zellen des Immunsystems. Ihrem griechischen Namen nach sind sie große Fresszellen: Im Gewebe erkennen sie sowohl fremde Eindringlinge (Krankheitserreger aller Art) als auch gealterte körpereigene Zellen. Diese nehmen sie auf und verdauen sie in ihrem Inneren. Jedes Gewebe verfügt über gewebetypische, „eigene“ Makrophagen: In der Leber heißen sie Kupffer-Zellen, im Knochen Osteoklasten, in der Lunge Alveolarmakrophagen , in der Haut Langerhans Zellen und im Gehirn Mikroglia.

Man bezeichnet diese Gewebezellen als Blutzellen, da sie sich im Labor aus bestimmten weißen Blutkörperchen, den Monozyten, züchten lassen. „Deshalb galt es bisher als gesichert, dass die Makrophagen auch aus Stammzellen im Knochenmark entstehen“, erklärt Hans-Reimer Rodewald vom Deutschen Krebsforschungszentrum. „Unsere neuen Ergebnisse stellen dieses Lehrbuchwissen nun in Frage.“

Während der frühen Embryonalentwicklung entstehen die ersten Blutzellen im Dottersack, einem Nährgewebe des Embryos, das im Verlauf der Entwicklung verschwindet. Danach übernimmt zunächst die fötale Leber und später das Knochenmark die lebenswichtige Aufgabe, ständig Nachschub an roten und weißen Blutkörperchen zu liefern. „Wir wollten wissen, ob das auch für die Gewebemakrophagen gilt“, erklärt Rodewald, „denn einiges sprach dafür, dass es für diese ungewöhnlichen Zellen auch andere Quellen gibt.“

Um diese Frage zu klären markierten die Wissenschaftler Vorläuferzellen mit einem fluoreszierenden Protein, um verfolgen zu können, in welcher Entwicklungsphase die Makrophagen gebildet werden und in welchem Gewebe dieser Entwicklungsschritt stattfindet. „Wir haben gesehen, dass die Gewebemakrophagen ganz früh während der Embryonalphase entstehen, und zwar aus Vorläufern im Dottersack“, berichtet Kay Klapproth. „Das bedeutet, dass die Makrophagen, im Gegensatz zu unserer bisherigen Vorstellung, ihren Nachschub nicht aus dem Knochenmark erhalten, sondern sich vor Ort, also im Gewebe selbst, unabhängig erneuern.“

„Dies gilt zunächst für Makrophagen in normalem gesundem Gewebe“, sagt Rodewald, „bei größerem Bedarf, bei Entzündungen oder Verlust von Makrophagen können offenbar die Monozyten (Vorläufer der Makrophagen) aus  dem Knochenmark für Nachschub an Gewebemakrophagen sorgen.“ Ob diese Ersatzmakrophagen die gleichen Aufgaben übernehmen wie die „herkömmlichen“ Makrophagen, ist bisher noch unklar.

Daher interessieren sich die Wissenschaftler nun für die Frage, wie sich die ursprünglichen Makrophagen aus dem Dottersack von den „Notfall-Makrophagen“ aus dem Knochenmark unterscheiden. „Bei bestimmten Krebsarten können Makrophagen wahrscheinlich zum Ausbreiten der Tumorzellen beitragen. In anderen Fällen werden ihnen eher tumorhemmende Funktionen zugeschrieben“, beschreibt Kay Klapproth die unklare Rolle der Makrophagen im Zusammenhang der Krebsentstehung. Es ist gegenwärtig noch offen, ob diese gegensätzlichen Funktionen möglicherweise mit der unterschiedlichen Herkunft der Makrophagen in Verbindung stehen. Für die Krebstherapie wäre es erstrebenswert, die „schädlichen“ Makrophagen zu bekämpfen und die „nützlichen“ gezielt zu aktivieren. Doch bisher kann man die beiden Zellarten noch nicht voneinander unterscheiden. „Es wäre spannend, wenn man mithilfe unserer neuen Erkenntnisse die Makrophagen aufgrund ihrer Herkunft in verschiedene Klassen einteilen könnte“, blickt Hans-Reimer Rodewald in die Zukunft.

Deutsches Krebsforschungszentrum (DKFZ), 12.01.2015

 

Originalpublikation:

Elisa Gomez Perdiguero, Kay Klapproth, Christian Schulz, Katrin Busch, Emanuele Azzoni, Lucile Crozet, Hannah Garner, Celine Trouillet, Marella F. de Bruijn, Frederic Geissmann, Hans-Reimer Rodewald: Tissue-resident macrophages originate from yolk-sac-derived erythro-myeloid progenitors. Nature 2014, DOI 10.1038/nature13989

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