Das Dilemma der unsichtbaren Arten: Gerade bedrohte Arten fallen bei Verbreitungsmodellen durchs Raster

Grüner Kobold Waldsteiger (Leptopelis barbouri), der in den Udzungwa Bergen, Tansania vorkommt und als gefährdet gilt. © Michele Menegon

Wegen begrenzter Ressourcen müssen beim Naturschutz räumliche Prioritäten gesetzt werden. Deshalb werden für die Planung von Schutzgebieten Verbreitungsmodelle von Arten eingesetzt. Diese Verbreitungsmodelle sind jedoch nur bedingt dazu geeignet, bedrohte Arten zu schützen: da Daten über die Verbreitung bedrohter Arten meist nur unvollständig sind, werden gerade sie bei den Berechnungen oft nicht berücksichtig. Zu diesem Ergebnis kommt eine neue Studie, die auf das Dilemma der, in den Verbreitungsmodellen „unsichtbaren“ Arten hinweist.

Ein großer Teil der bedrohten Arten bleibt bei Simulationen der künftigen Verbreitung unter Klimawandelbedingungen unberücksichtigt. Das ist das Ergebnis einer neuen Studie eines internationalen Forscherteams.

Alleine mehr als die Hälfte der bedrohten Amphibienarten „fällt durchs Raster“

Zu diesem Ergebnis kamen die Wissenschaftler, nachdem sie die Verbreitung von 733 afrikanischen Amphibienarten analysiert und mit den Modellvorhersagen verglichen hatten. Der Klimawandel, die Zerstörung ihrer Lebensräume und Krankheiten lassen einen massiven Rückgang dieser Arten befürchten. Das Vorkommen von Arten der tropischen Biodiversitäts-Hotspots ist oft nur wenig dokumentiert. Im Vergleich zu Arten aus gemäßigten Breiten haben sie oft nur kleine Verbreitungsgebiete. Viele der untersuchten Amphibienarten stehen auf der Roten Liste der Weltnaturschutzorganisation International Union for Conservation of Nature (IUCN), unter anderem wegen ihrer begrenzten Lebensräume.

Parkers Waldsteigerfrosch (Leptopelis parkeri), der als stark gefährdet gilt und in den Uluguru Bergen in Tansania lebt. © Michele Menegon

Parkers Waldsteigerfrosch (Leptopelis parkeri), der als
stark gefährdet gilt und in den Uluguru Bergen in Tansania
lebt. © Michele Menegon

„Doch genau da beißt sich die Katze in den Schwanz, denn das seltene Vorkommen dieser Arten, das ihren Bedrohungsstatus erhöht, lässt sie gleichzeitig in den Verbreitungsmodellen unsichtbar werden, die oft Entscheidungsgrundlagen für den Naturschutz darstellen. Unsere Untersuchung hat ergeben, dass für 400 der untersuchten Amphibienarten, also mehr als die Hälfte, aufgrund ihrer geringen Verbreitung so wenige Daten vorliegen, dass sie aus statistischen Gründen in Verbreitungsmodellen nicht berücksichtigt werden können. 92 % davon stehen auf der Roten Liste der IUCN“, so  Christian Hof vom Biodiversitäts- und Klima Forschungszentrum (BiK-F). Mithilfe genau dieser Verbreitungsmodelle wird jedoch die mögliche zukünftige Verbreitung der Arten berechnet.

Schutzwürdige Regionen werden durch die Berechnungen unterschätzt

Welche Konsequenzen aber hat nun die Tatsache, dass bedrohte Arten in den Modellen nicht berücksichtigt werden? Diese Frage ist besonders für den Naturschutz relevant, bei dem wegen begrenzter finanzieller Ressourcen oft Schwerpunktgebiete ausgewählt werden müssen. Durch Verbreitungsprognosen, bei denen Arten mit einem kleinen Verbreitungsgebiet nicht berücksichtigt werden, wird die Schutzwürdigkeit wichtiger Regionen unterbewertet. „Dabei ist unter Klimawandelaspekten der Fortbestand sowohl kleinräumig als auch weit verbreiteter Arten in denjenigen Gebieten am wahrscheinlichsten, die tatsächlich bereits als Gebiete von besonderer Schutzwürdigkeit identifiziert wurden“, erklärt Hof.

Dabei leben die, in den Verbreitungsmodellen ‚unsichtbaren‘ Arten vor allem in tropischen Bergregionen. Diese Gebiete sind klimatisch besonders stabil und werden, auch wegen ihrer Vielfalt an kleinen Lebensräumen, wahrscheinlich auch in Zukunft als Rückzugsgebiet vieler Arten erhalten bleiben.

Verbreitungsmodelle haben noch viel Potential für Verbesserungen

Eine Voraussetzung für die Zuverlässigkeit von Verbreitungsmodellen liegt darin, dass für ihre Eichung genügend Verbreitungsdaten einzelner Arten vorliegen müssen. Damit ein Verbreitungsmodell möglichst aussagekräftig ist, sollte es mit einer ausreichenden Menge an Daten zur Verbreitung von Arten geeicht werden. Dies ist jedoch zur Zeit für die meisten bedrohten Arten nicht der Fall. Deshalb sollten mehr Fundortdaten gesammelt werden, um dieses Problem zu lösen. Alternativ könnte für die Modelle auch eine höhere räumliche Auflösung gewählt werden. Denn eines ist sicher: „Effektiver Naturschutz muss alle Arten berücksichtigen – nicht nur diejenigen, von denen viele Fundortdaten vorliegen“, resümiert Hof.

Senkenberg Gesellschaft für Naturforschung, 5 Dezember 2014

 

Originalpublikation:
Platts, Philip J. et al. Conservation implications of omitting narrow-ranging taxa from species distribution models, now and in the future (2014) – Diversity and Distributions. DOI: 10.1111/ddi.12244

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