Schildläuse betrieben bereits vor 100 Millionen Jahren Brutpflege

Wathondara kotejai in burmanischem Bernstein aus der mittleren Kreidezeit. © Simon, Szwedo and Xia. CC BY 4.0.

Wathondara kotejai in burmanischem Bernstein aus der mittleren Kreidezeit. © Simon, Szwedo and Xia. CC BY 4.0.

Wissenschaftler haben den ältesten Beweis für Brutpflege bei einem Insekt entdeckt: Eine Schildlaus, die in fossilem Bernstein eingeschlossen ist. Der rund 100 Millionen Jahre alte „Schnappschuss“ aus der mittleren Kreidezeit zeigt, wie das nur sechs Millimeter große Insekt seine Brut mit einem Kokon aus Wachs vor Fressfeinden und Austrocknung schützte.

In dem goldbraun schimmernden Bernstein ist die nur wenige Millimeter kleine, weibliche Schildlaus mit dem wächsernen Kokon deutlich zu erkennen. Die Wachsumhüllung schützt sowohl sie selbst, als auch ihre rund 60 Eier vor Räubern und Austrocknung. Im Gegensatz zu den männlichen Schildläusen besitzt das Weibchen weder Flügel noch Chitinpanzer. Mit seinem weichen Körper ist es darauf spezialisiert, sich von Blattsäften zu ernähren und für seine Nachkommen zu sorgen.

„Fossilien von den empfindlichen weiblichen Schildläusen sind extrem selten“, sagt der chinesische Paläontologe Bo Wang, der an der Universität Bonn forscht. „Einzigartig ist das Alter des Fundes: Ein 100 Millionen Jahre alter Beleg für Brutpflege bei Insekten wurde bislang noch nicht gefunden.“ Das Alter der Fundstelle wurde mit Hilfe der radiometrischen Uran-Blei-Methode bestimmt. In dem im Bernstein festgehaltenen „Schnappschuss“ aus der mittleren Kreidezeit sind neben dem Insekt, seinen Eiern und der Wachsschicht auch sechs Jungtiere enthalten.

Forscher benannten Fossil nach einer buddhistischen Erdgöttin

Bo Wang nutzte seine guten Kontakte zu Sammlern im Norden Myanmars, um an das außerordentlich seltene Fundstück heranzukommen. Das internationale Wissenschaftlerteam gab der etwa 100 Millionen Jahre alten Schildlaus den Namen Wathondara kotejai – nach der buddhistischen Erdgöttin Wathondara und dem polnischen Insektenkundler Jan Koteja.

Weibliche Schildläuse sind in Bernstein-Einschlüssen nur sehr selten erhalten. Die meisten der bisher entdeckten Bersteinfunde enthalten männliche Schildläuse, die vom Baumharz eingeschlossen wurden, als sie sich am Stamm oder den Ästen von Bäumen aufhielten. Im vorliegenden Fall könnte Harz von einem Zweig auf ein Blatt getropft sein, das die weibliche Schildlaus samt Kokon, Eiern und Nymphen umschloss.

Zeichnung der Brutpflege betreibenden Wathondara kotejai

Zeichnung der Brutpflege betreibenden Wathondara kotejai. © Simon, Szwedo and Xia. CC BY 4.0.

Anschließend versteinerte das Harz. Meist bleibt dann nur noch die Hohlform im Bernstein erhalten, während sich das Insekt im Inneren des Brockens zersetzt. Für ihre Untersuchungen polieren und schneiden die Wissenschaftler den Bernstein so lange, bis das Insekt nur noch von einer dünne Bernsteinschicht umgeben ist. Wie durch ein Fenster können die Forscher dann unter dem Mikroskop dreidimensionale, hochaufgelöste Aufnahmen von dem Zeugen aus der Vergangenheit machen.

Brutpflege erhöht die Überlebenschancen der Nachkommen

Durch die Brutpflege steigern die Schildläuse die Überlebenschancen ihrer Nachkommen. Erst wenn die jungen Schildläuse weit genug entwickelt sind, verlassen sie den schützenden Wachskokon und suchen sich eine Pflanze, von deren zucker- und energiereichem Saft sie sich nähren. Auch heute verbreitete Schildläuse verfügen über eine Wachsschicht. Ihre Wachsdrüse befindet sich am Hinterleib. Den Kokon bilden sie, indem sie sich im Kreis drehen und dabei ein wachhaltiges Sekret absondern. Dabei entsteht eine runde Struktur mit Rillen. Von oben sieht die Wachsumhüllung dann so ähnlich aus, wie ein Schallplatte. Wenn das Tier wächst, häutet es sich und bildet eine neue Wachsschicht. Deshalb wechseln sich im Kokon Haut- und Wachsschichten ab.

Bernstein als Fenster zur Vergangenheit

Aus dem Vergleich von modernen Schildlausarten mit dem Bernsteinfund schließen die Forscher, dass die Lebensweise und das Reproduktionsverhalten dieser Insekten bereits vor rund 100 Millionen Jahren ganz ähnlich war wie bei heutigen Formen. Einschlüsse in Bernsteinen sind für Wissenschaftler eine einzigartige Gelegenheit, in das Leben der Vergangenheit zu blicken. Insekten im fossilen Baumharz sind meist sehr gut erhalten, während in Sedimenten eingebettete Gliedertiere entweder überhaupt nicht erhalten bleiben oder durch den Druck der auflastenden Schicht häufig zerdrückt oder gequetscht werden. „Der Bernsteinfund mit Wathondara kotejai ist deshalb bislang einmalig“, sind die Wissenschaftler der Universität Bonn überzeugt.

Rheinische Friedrich Wlhelms-Universität Bonn, 31.03.2015

 

Publikation: Brood Care in a 100-million-year-old scale insect, Journal eLIFE; DOI: 10.7554/eLife.05447.001, Internet: http://dx.doi.org/10.7554/eLife.05447.001

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