Lebensmittelvergiftungen: Hohe Toxinvarianz bei Bacillus cereus entdeckt

Bakterien der Art Bacillus cereus unter dem Mikroskop. Die weißen Einschlüsse in den stäbchenförmigen Bakterien sind Sporen, die auch bei Hitze überleben. © S. Scherer / TUM

Bakterien der Art Bacillus cereus unter dem Mikroskop. Die weißen Einschlüsse in den stäbchenförmigen Bakterien sind Sporen, die auch bei Hitze überleben. © S. Scherer / TUM

Sie kommen überall im Boden vor. Von dort gelangen sie leicht in unsere Lebensmittel. Wenn sie sich darin massiv vermehren lösen sie Lebensmittelvergiftungen aus: Bakterien des Stammes Bacillus cereus.  Dabei erweisen sich die Erreger als ausgesprochen vielseitig: Einer aktuellen Studie zufolge sind die Keime dazu in der Lage mindestens 19 verschiedene Varianten eines Giftes zu produzieren, das beim Menschen Übelkeit und Erbrechen auslöst. Das könnte der Grund für die große Bandbreite der verursachten Krankheitsverläufe sein: denn manche der durch das Bakterium ausgelösten Infektionen sind relativ harmlos, andere dagegen können tödlich verlaufen.

Bacillus cereus ist weltweit verbreitet und kommt in großer Zahl im Boden vor. Durch eine Kontamination mit sporenhaltigen Bodenpartikeln oder Staub kann es leicht in die verschiedensten Lebensmittel gelangen. Die Keime selbst lassen sich zwar durch eine Hitzbehandlung abtöten. Nicht jedoch die Sporen. Sie sind extrem hitzeresistent. Gleiches gilt für die von ihnen gebildeten Toxine.

Die Erreger werden für schätzungsweise 2 bis 5% aller Lebensmittelvergiftungen verantwortlich gemacht. Die meisten der durch die Bakterien ausgelösten Infektionen sind jedoch nur unangenehm, aber nicht lebensbedrohlich. Dabei hängt der Krankheitsverlauf davon ab, welches Toxin der Keim produziert: Im einen Fall leiden die Patienten unter Durchfall und im anderen unter Übelkeit und Erbrechen. Vereinzelt kann es jedoch auch zu schweren und in sehr seltenen Fällen sogar zu tödlichen Krankheitsverläufen kommen.

Die emetische Krankheitsform, die mit Übelkeit und Erbrechen einher geht, wird durch das Gift Cereulid hervorgerufen. Wissenschaftler der Technischen Universität München (TUM) und der Veterinärmedizinischen Universität Wien haben nun ein Nachweisverfahren für das Toxin entwickelt. Dabei identifizierten sie außer dem bereits bekannten Cereulid noch 18 weitere Varianten des Giftstoffs.

Gefahr der Lebensmittelvergiftung bei Fertiggerichten besonders hoch

Erst vor Kurzem erkrankten in mehreren Kitas im Kreis Paderborn etwa 100 Kinder und Betreuer an einer B. cereus-Infektion: Sie hatten alle Milchreis vom gleichen Caterer verzehrt. Tatsächlich ist das Risiko einer Lebensmittelvergiftung bei Fertiggerichten besonders hoch. Dabei sind nicht nur, wie man bisher annahm, stärkehaltige Speisen wie Reis, Pasta und Kartoffeln besonders häufig von B. cereus-Befall betroffen, sondern auch viele andere Nahrungsmittel, wie eine Studie vor kurzem ergab.

Gefährlich wird die Kontamination mit dem Bakterium erst, wenn ihre Zahl in dem jeweiligen Lebensmittel eine kritische Schwelle überschritten hat. Eine schwache Kontamination stellt dagegen meist kein großes Problem dar und lässt sich wegen der weiten Verbreitung von Bacillus cereus auch kaum vermeiden. Problematisch wird es erst, wenn die Keime oder Sporen sich durch ungenügende Kühlung massiv vermehren können. Beim Verzehr solcher verdorbener Speisen gelangen die Toxine und Keime in den Körper und können Vergiftungserscheinungen und Magen-Darm-Infektionen auslösen. Das beste Mittel gegen die Vermehrung der Keime liegt darin, Speisen nach der Zubereitung so schnell wie möglich kühl zu lagern und die Kühlkette streng einzuhalten.

B. cereus kann sich bei Temperaturen zwischen 10 und 50°C vermehren. Wobei sein Optimum zwischen 30 und 40°C liegt. Es gibt jedoch auch Kälte-tolerierende Stämme, die sich selbst bei Temperaturen von 4 bis 6°C noch teilen können. Bei diesen Temperaturen ist ihr Wachstum allerdings stark verlangsamt. Die meisten B. cereus-Stämme sind säureempfindlich und können sich bei einem pH-Wert unter 4,8 nicht vermehren. Allerdings variiert die Säuretoleranz zwischen den einzelnen Stämmen stark.

Toxin greift Zellmembran und Energiekraftwerke der Zellen an

Das Cereulid-Toxin greift die Zellmembranen höherer Organismen an. Cereulide sind zu einem Ring geschlossene Peptide, die in ihrer Mitte ein Kalium-Ion gebunden haben. Die Kalium-Ionen ändern die elektrische Spannung an der Zellmembran, was zu Schäden bis hin zum Zelltod führen kann.

Aber damit nicht genug: Gelangt das Cereulid in das Innere der Zelle, so kann es dort die Mitochondrien, die Energiekraftwerke der Zelle, lahm legen. Darüber hinaus bindet das Toxin an Serotonin-Rezeptoren und löst über eine Stimulation des Vagusnervs den Brechreiz aus.

Wie toxisch die einzelnen Cereulid-Varianten sind, hängt von ihrer Struktur ab: Je lipophiler, also fettliebender sie sind, desto eher können sie in die, aus Fettsäuren bestehende Zellmembran, eindringen oder sie durchqueren.

Die wundersame Vermehrung der Toxine geht auf Schlamperei bei ihrer Herstellung zurück

Die Vielfalt der Cereulid-Varianten entsteht dadurch, dass die zelluläre Maschinerie, die für die Synthese der Cereulid-Peptide zuständig ist, schlampig arbeitet. Der Cerulid-Peptidsynthase-Komplex, der für die Synthese der Cereulide verantwortlich ist enthält anders, als das Ribosom, das die normalen Proteine des Bakteriums synthetisiert, keine Funktion, die die Korrektheit der Peptidsequenz kontrolliert. So kann Bacillus cereus eine große Vielfalt an verschiedenen Toxinen bilden, die quasi durch Zufall entstehen. Wenn diese Annahme tatsächlich zutrifft, kann man davon ausgehen, dass das Bakterium noch viel mehr verschiedene Varianten der Cereulide herstellen kann, als diejenigen, die das Wissenschaftlerteam bisher nachgewiesen hat.

Neues Nachweisverfahren soll Bedeutung der einzelnen Toxine klären

Bisher gab es kein effektives Nachweisverfahren für die verschiedenen Cereulid-Toxine in Lebensmitteln. Das neue, auf der Massenspektroskopie beruhende Verfahren soll nun dafür genutzt werden, die Bakteriengifte zuverlässig aufzuspüren. Damit wollen die Forscher herausfinden, welche Bedeutung die verschiedenen Cereulid-Varianten für den Krankheitsverlauf haben. In Zukunft ließe sich dann besser abschätzen, welches Risiko ein kontaminiertes Produkt für den Verbraucher darstellt. Zur Zeit wird das neue Nachweisverfahren gerade durch eine Zusammenarbeit europäischer und amerikanischer Lebensmittelsicherheitsbehörden evaluiert und auf den Einsatz vorbereitet.

von Ute Keck

 

Originalpublikation:
Chemodiversity of cereulide, the emetic toxin of Bacillus cereus; Sandra Marxen, Timo D. Stark, Elrike Frenzel, Andrea Rütschle, Genia Lücking, Gabriel Pürstinger, Elena E. Pohl, Siegried Scherer, Monika Ehling-Schulz, Thomas Hofmann; Analytical and Bioanalytical Chemistry; DOI: 10.1007/s00216-015-8511-y

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