Schmerzmittel Paracetamol schwächt sowohl positive, wie negative Emotionen ab

Tabletten. © I-vista / pixelio.de

Tabletten. © I-vista / pixelio.de

Das Schmerzmittel Paracetamol dämpft Emotionen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie, bei der die emotionalen Reaktionen von Probanden getestet wurden, die Paracetamol eingenommen hatten: Im Vergleich mit Personen, die einen Placebo erhielten waren sie sowohl gegenüber sehr angenehmen als auch gegenüber stark verstörenden Bildern weniger empfänglich. Die Studienergebnisse liefern darüber hinaus Hinweise, wie unsere positiven und negativen Emotionen beeinflusst werden.

Paracetamol ist ein rezeptfreier Arzneistoff, der gleichzeitig schmerzlindernd und fiebersenkend wirkt. Er wird sowohl einzeln als auch in Kombination mit anderen Wirkstoffen gegen Erkältungskrankheiten und Schmerzen eingesetzt. Neben Acetylsalicylsäure und Ibuprofen gehört er zu den weltweit am häufigsten angewandten Schmerzmitteln. Obwohl Paracetamol bereits seit rund 70 Jahren auf dem Markt ist, wurde die Nebenwirkung der emotionalen Dämpfung bisher nicht beschrieben.

Von früheren Experimenten wusste man bereits, dass Paracetamol auch psychische Leiden lindern kann. Die an der Ohio State University durchgeführte neue Studie weist nun nach, dass der Wirkstoff Emotionen abschwächen kann.

Wobei sich die Testpersonen, die das Schmerzmittel eingenommen hatten nicht bewusst waren, dass sie emotional anders reagierten. Wahrscheinlich ergeht es den meisten Menschen, die Paracetamol einnehmen nicht anders. Der Wirkstoff hat also über seine schmerzlindernde Wirkung hinaus noch eine alle Emotionen dämpfende Wirkung.

Die Experimente

Die Forscher führten zwei Experimente durch, an denen College-Studenten als Probanden teilnahmen: An der ersten Studie nahmen 82 Personen teil. Sie wurden in zwei gleich große Gruppen aufgeteilt. Die eine Gruppe erhielt eine akute Dosis von 1 g Paracetamol (Die Maximaldosis für Erwachsene liegt bei 4 g). Die andere Gruppe bekam einen gleich aussehenden Placebo. Anschließend warteten alle Versuchsteilnehmer 60 Minuten, bis sich die Wirkung des Medikaments eingestellt hatte.

© DFID - UK Department for International Development.  CC BY 2.0.

Den Probanden wurden verschiedene Bilder gezeigt. Besonders verstörende Bilder zeigten etwa unterernährte Kinder… © DFID – UK Department for International Development. CC BY 2.0.

Danach wurden den Teilnehmer 40 Bilder aus einer internationalen Datenbank (International Affective Picture System) gezeigt, die von Wissenschaftlern aus der ganzen Welt genutzt werden, um bei ihren Probanden emotionalen Reaktionen auszulösen.

Die Bilder reichten von extrem unangenehm (schreiende, unterernährte Kinder) über neutral (eine Kuh auf der Weide) bis hin zu sehr angenehm (kleine Kinder, die mit Katzen spielen).

Nachdem die Versuchsteilnehmer jedes einzelne Foto gesehen hatten wurden sie gebeten, es mit einer Skala von – 5, für sehr negativ bis zu +5 für sehr positiv zu bewerten. Danach bekamen sie die gleichen Bilder ein zweites Mal gezeigt und sollten nun beurteilen, wie stark die Emotionen waren, die das Foto bei ihnen hervorrief: Wobei 0 für keine oder nur schwache Emotionen stand und 10 für extrem starke Emotionen.

Mädchen mit Katze © Alexandra H.  / pixelio.de

…während auf den besonders erfreulichen Bildern unter anderem Kinder zu sehen waren, die mit Katzen spielten. © Alexandra H. / pixelio.de

In beiden Fällen viel die Bewertung der Bilder durch die Versuchsteilnehmer, die Paracetamol eingenommen hatten weniger stark aus, als bei denen, die nur den Placebo erhalten hatten. Das galt für positive, wie negative Bilder in gleicher Weise: Unter dem Einfluss von Paracetamol erschienen den Probanden die angenehmen Bilder weniger angenehm und die verstörenden Fotos weniger verstörend. Gleiches galt für ihre Emotionen: Personen, die Paracetamol erhalten hatten empfanden nicht die selben Höhen und Tiefen, wie diejenigen, die nicht unter dem Einfluss des Medikaments standen.

Teilnehmer, die nur den Placebo erhalten hatten empfanden recht starke Emotionen, wenn sie die bewegensten Bilder zu sehen bekamen, wie etwa die von unterernährten Kindern oder die von Kindern, die mit Katzen spielten. Im Schnitt bewerteten sie diese Bilder mit 6,76 Punkten.

Anders dagegen die Testpersonen, die unter dem Einfluss von Paracetamol standen. Ihre Emotionen waren um rund 14% abgedämpft: Sie bewerteten die extrem emotionsauslösenden Bilder nur mit 5,85 Punkten. Neutrale Bilder wurden dagegen von beiden Gruppen gleich bewertet.

Verändert Paracetamol das Ausmaß der Wahrnehmungen?

In einem weiteren Versuch wollten die Forscher sicher gehen, dass Paracetamol nicht etwa das generelle Ausmaß von Wahrnehmungen einschränkt. Dazu teilten sie 85 weitere Testpersonen erneut in zwei Gruppen auf, führten ihnen die gleichen Bilder vor wie im ersten Versuch und baten sie auch um die gleichen Bewertungen. Dieses Mal sollten die Testpersonen aber darüber hinaus auch noch angeben, wie viel Blau sie auf den Bildern wahrnahmen.

Dabei zeigte sich, dass die Wahrnehmung der blauen Farbe nicht davon abhing, ob eine Person Paracetamol eingenommen hatte oder nicht: Beide Gruppen bewerteten die Menge an Blau gleich. Paracetamol scheint also unsere emotionale Bewertung zu beeinflussen, nicht jedoch unsere generelle Wahrnehmung.

Bisher ist noch nicht bekannt, in wiefern auch andere Schmerzmittel, wie etwa Aspirin oder Ibuprofen den gleichen Effekt haben. Das wollen die Wissenschaftler in weiteren Versuchen abklären.

Werden positive und negative Emotionen von getrennten Faktoren beeinflusst oder von einem gemeinsamen Faktor?

Die neuen Erkenntnisse sind auch für psychologische Theorien relevant. Sie liefern Hinweise darauf, ob die gleichen biochemischen Faktoren sowohl unsere positiven, wie auch unsere negativen Wahrnehmungen beeinflussen. Älteren Vorstellungen zufolge sind verschiedene Faktoren für unsere positiven und negativen Wahrnehmungen verantwortlich. Demnach würden die einen Faktoren etwa bewirken, wie sehr wir uns über ein Wiedersehen mit einem guten Freund freuen. Wogegen wieder andere Faktoren dafür verantwortlich wären, wenn wir starke, negative Emotionen beim Verlust eines geliebten Menschen empfinden.

Die vorliegenden Ergebnisse stützen dagegen eine andere Hypothese, nach der die gleichen Faktoren sowohl für unsere positiven, als auch für unsere negativen Emotionen zuständig sind

Nach dieser Theorie würden Menschen, die etwa unter einer Trennung von einem geliebten Menschen extrem leiden sich andererseits über ein Wiedersehen mit einem guten Freund besonders freuen. Tatsächlich gibt es immer mehr Hinweise darauf, dass manche Menschen die großen Lebensereignisse, egal ob sie guter oder schlechter Natur sind, intensiver wahrnehmen, als andere.

The Ohio State University, Columbus, Ohio, USA, 13 April 2015

 

Originalpublikation:

G. R. O. Durso, A. Luttrell, B. M. Way. Over-the-Counter Relief From Pains and Pleasures Alike: Acetaminophen Blunts Evaluation Sensitivity to Both Negative and Positive Stimuli. Psychological Science, 2015; DOI: 10.1177/0956797615570366

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