Transplantation gesunder Darmbakterien könnte gegen Morbus Crohn helfen

Die Bilder zeigen Paneth-Zellen im Dünndarm, die bei der Immunabwehr eine wichtige Rolle spielen. Bei Mäusen mit Morbus-Crohn-ähnlicher Entzündung produzieren die Paneth-Zellen weniger Lysozym - eine Substanz, die wichtig für die Mikroben-Abwehr ist. Links: gesunde Zellen mit hoher Lysozym-Produktion (helles grün), rechts geschädigte Paneth-Zellen mit geringer Lysozym-Produktion. © M. Schaubeck / TUM

Die Bilder zeigen Paneth-Zellen im Dünndarm, die bei der Immunabwehr eine wichtige Rolle spielen. Bei Mäusen mit Morbus-Crohn-ähnlicher Entzündung produzieren die Paneth-Zellen weniger Lysozym – eine Substanz, die wichtig für die Mikroben-Abwehr ist. Links: gesunde Zellen mit hoher Lysozym-Produktion (helles grün), rechts geschädigte Paneth-Zellen mit geringer Lysozym-Produktion. © M. Schaubeck / TUM

Morbus Crohn ist eine chronisch-entzündliche Darmerkrankung. Bei der Krankheit spielt sowohl eine genetische Veranlagung, als auch die Zusammensetzung der Darmbakterien eine Rolle. Das wird nun durch eine Studie belegt: Bei Mäusen bewirkt ein bakterielles Ungleichgewicht im Darm eine Morbus Crohn-artige Entzündung, die sich auf andere Tiere übertragen lässt. Mit diesem Modellsystem könnte die bereits praktizierte Transplantation „gesunder“ Darmbakterien weiterentwickelt werden.

Viele Erkrankungen gehen mit einer Veränderung der Bakterienzusammensetzung einher. Neben typischen Darmerkrankungen, wie Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa haben Forscher auch eine Veränderung der Darmflora bei Diabetes oder Adipositas beobachtet. Allerdings ist in den meisten Fällen noch unklar, ob das veränderte Darmmikrobiom Ursache oder Folge der Erkrankung ist.

Wissenschaftler der Technischen Universität München (TUM) konnten nun belegen, dass eine ungünstige Zusammensetzung der Bakterienflora tatsächlich Entzündungen auslösen kann. Sie transplantierten dazu das Darmmikrobiom kranker Tiere in keimfreie Mäuse. Diese entwickelten daraufhin Morbus Crohn-artige Symptome im Dünndarm.

„Obwohl wir Mausstämme mit erhöhter Veranlagung für Morbus Crohn-ähnliche Entzündungen nutzten, entwickelten sie erst Symptome, als wir ihnen die Darmbakterien erkrankter Tiere einpflanzten“, erklärt Dirk Haller, Leiter des TUM-Lehrstuhls für Ernährung und Immunologie.

Dysbiose ist Auslöser für chronische Entzündung

Dabei ist wesentlich: Die chronischen Darmentzündungen werden nicht von einzelnen Bakterienarten hervorgerufen. „Es kommt vielmehr auf die Zusammensetzung der Mikrobengemeinschaft an“, erläutert Haller. „Offenbar gibt es ‚dysbiotische‚ Bakterienkombinationen, deren charakteristische Eigenschaften jetzt aufgeklärt werden können.“

Darüber hinaus konnte das Forschungsteam klären, welche Rolle bei der Krankheitsentstehung ein bestimmter Zelltyp in der Dünndarmschleimhaut, die so genannten Paneth-Zellen, spielen. Diese Drüsenzellen sind für die Immunabwehr im Darm wichtig. Schon länger war bekannt, dass sie bei Morbus Crohn absterben. Unklar war jedoch, warum diese Zellen im Laufe der Krankheit ihre Funktionsfähigkeit verlieren. Die neuen Ergebnisse weisen darauf hin, dass der Funktionsverlust der Paneth-Zellen eher eine Folge, nicht aber die Ursache der Entzündungsreaktion ist.

Weiterentwicklung einer ungewöhnlichen Therapieform

Die Wissenschaftler hoffen, dass ihre Erkenntnisse zu einer verbesserten Therapie von Morbus Crohn beitragen werden. Denn die Krankheit ist relativ weit verbreitet: In den Industrienationen erkranken pro 100.000 Einwohnern etwa 40 Personen an Morbus Crohn. In Deutschland geht man von 350.000 Betroffenen aus.

Medikamente können bei vielen Patienten das Leiden nicht dauerhaft bekämpfen. „Bei den meisten Patienten kehren die Entzündungen nach einiger Zeit wieder“, sagt Haller. „Stuhltransplantationen sind bei Infektionserkrankungen im Darm bereits ein effektiver Weg zur Heilung. Allerdings zeigt diese ungewöhnliche Therapieform bei Morbus Crohn und Colitis ulcerosa noch keine eindeutigen Therapieerfolge. Unsere Erkenntnisse werden aber dazu beitragen, dass die Methode auf wissenschaftliche Grundlagen gestellt und verbessert wird – dann könnte es klappen.“

Technische Universität München, 23.04.2015

 

Originalpublikation:

Dysbiotic gut microbiota causes transmissible Crohn’s disease-like ileitis independent of failure in antimicrobial defence; Monika Schaubeck, Thomas Clavel, Jelena Calasan, Ilias Lagkouvardos, Sven Bastiaan Haange, Nico Jehmlich, Martin von Bergen, Aline Dupont, Mathias Hornef, Marijana Basic, André Bleich, Dirk Haller; Gut Published Online First; DOI:10.1136/gutjnl-2015-309333

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