Humanpathogene Viren, die von blutsaugenden Insekten übertragen werden haben sich aus Insektenviren entwickelt

Rifttal-Fieber-Viren in infiziertem Gewebe. © Wikimedia Commons. public domain.

Rifttal-Fieber-Viren in infiziertem Gewebe. © Wikimedia Commons. public domain.

Im Tropenwald der Elfenbeinküste haben Wissenschaftler zwei neue Virusgruppen aus der Familie der Bunyaviridae entdeckt. Bisher kannte man fünf Gruppen, die für schwere Erkrankungen bei Menschen und Tieren verantwortlich sind und meist durch blutsaugende Insekten verbreitet werden. Die Virologen konnten am Beispiel der neuen Virusgruppen nachweisen, dass sich menschliche Krankheitserreger, die durch blutsaugende Insekten übertragen werden, aus Insektenviren entwickelt haben.

Die Familie der Bunyaviridae umfasst fünf verschiedene Virengruppen, die bei Menschen und Tieren ernsthafte Erkrankungen auslösen und auch bei Gemüsekulturen – wie etwa Tomaten – schwere Schäden verursachen können. Da die ersten Vertreter dieser Virenfamilie in Bunyamwera in Uganda entdeckt wurden, benannte man sie nach diesem Fundort. „Zu den bekanntesten Viren der Bunyaviridae zählt das Rifttalfieber-Virus, das beim Menschen Fiebererkrankungen mit schweren Blutungen verursachen kann“, sagt Sandra Junglen vom Institut für Virologie des Universitätsklinikums Bonn und vom Deutschen Zentrum für Infektionsforschung. Im Jahr 2011 machte das Schmallenberg-Virus von sich reden: Ebenfalls zur Bunya-Familie zählend und von winzigen Insekten übertragen, verursachte es im Sauerland bei trächtigen Wiederkäuern schwere Missbildungen der Föten.

Nicht in Schmallenberg, sondern in den afrikanischen Tropenwäldern der Elfenbeinküste, wo die Virologin bereits seit mehr als zehn Jahren forscht, machte sie sich auf die Suche nach neuen Viren aus dieser weitverzweigten Familie. Weil die meisten der Bunyaviridae durch blutsaugende Insekten übertragen werden, fing Junglen dort mehr als 7.500 Moskitos. Sortierte sie nach Spezies und Fangort und fasste die gefangenen Mücken zu 432 Mischproben zusammen. In 26 dieser Proben entdeckten die Forscher unbekannte Viren.

Menschliche Krankheitserreger entwickelten sich aus Insektenviren

„Es handelte sich dabei um zwei bislang völlig unbekannte Virengruppen, die wir Jonchet-Virus und Ferak-Virus nannten“, berichtet die Virologin. Die Wissenschaftler gewannen aus den Insektenproben Bruchstücke der Viren-Erbinformation, die sie wie bei einem Puzzle in einem aufwendigen Verfahren zusammenfügten und auf diese Weise die komplette Genom-Sequenz rekonstruierten. Das hat allein vier Jahre in Anspruch genommen. Beim Vergleich der Erbinformation mit anderen Viren ergab sich, dass Jonchet und Ferak zwei stammesgeschichtlich eigenständige Linien der Bunyaviridae sind. Ihr nächster Verwandter ist das durch Nagetiere übertragene Hantavirus, das je nach Virustyp in seltenen Fällen auch beim Menschen schwere Symptome, wie Lungenerkrankungen, akutes Nervenversagen und hämorrhagisches Fieber auslösen kann.

Und wie gefährlich sind nun die beiden neuen Virengruppen? Sind sie leicht auf Menschen und Tiere übertragbar? Um diese Fragen zu klären, führten die Forscher an Zellkulturen Infektionsversuche bei verschiedenen Temperaturen durch. Während andere Bunya-Viren sich über einen weiten Wärmebereich vermehren können, stellen Jonchet und Ferak ab 32 Grad Celsius ihr Wachstum ein. Beide Virenlinien können daher weder Menschen noch andere Wirbeltiere infizieren. Denn ihre Körpertemperatur liegt mit 37 Grad über der Temperatur, bei der sich die Viren noch vermehren können. „Darüber hinaus konnten wir durch die Rekonstruktion der Abstammungsgeschichte der ganzen Virusfamilie erstmals zeigen, dass sich durch blutsaugende Moskitos übertragene Viren aus insektenspezifischen Viren entwickelt haben“, sagt die Forscherin. „Dies ist äußerst interessant, weil bisher nicht klar war, woher Viren stammen, die durch blutsaugende Insekten übertragen werden.“

Mit einem einfachen Test das Gefahrenpotenzial abklären

Durch die Entschlüsselung des Genoms der Jonchet- und Ferak-Viren ist es künftig möglich, das Verhalten und Gefahrenpotenzial unbekannter Viren mit ähnlicher RNA-Sequenz zu bestimmen und besser einzuordnen. „Außerdem lassen sich die Temperaturversuche zur Abschätzung des Übertragungsrisikos auch auf andere Viren übertragen“, sagt Junglen. „Mit unserem Ansatz haben wir hierzu einen einfach durchzuführenden Test entwickelt.“

Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, 02.06.2015

 

Originalpublikation:

Marco Marklewitza, Florian Zirkela, Andreas Kurth, Christian Drostena and Sandra Junglena. Evolutionary and phenotypic analysis of live virus isolates suggests arthropod origin of a pathogenic RNA virus family, Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS), DOI: 10.1073/pnas.1502036112

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