Enzym reguliert Lebensdauer von Antikörper-produzierenden Zellen

Lymphozyt. © public domain.

Lymphozyt. © public domain.

Forscher haben einen Mechanismus entdeckt, über den die Lebensdauer von Immunzellen gesteuert wird. Dabei sind sie auch einem Molekül auf die Spur gekommen, das als Biomarker für Autoimmunkrankheiten wie Multiple Sklerose oder Lupus erythematodes dienen könnte.

Plasmazellen spielen bei der Immunabwehr von Infektionen eine zentrale Rolle: Sie bilden Antikörper die Krankheitserreger binden und unschädlich machen. Wenn Antikörper jedoch irrtümlicherweise körpereigene Zellen erkennen und angreifen hat dies verheerende Folgen: Denn dann bilden sich sogenannte Autoimmunerkrankungen wie Multiple Sklerose (MS) oder Lupus erythematodes (SLE). Deshalb ist eine strikte Regulation der Aktivität von Plasmazellen erforderlich, um solche unerwünschten Reaktionen zu unterbinden. Edgar Meinl und sein Team vom Klinikum der Universität München hat nun entdeckt, wie die Lebensdauer von Plasmazellen reguliert wird: Die Zellen können nur so lange überleben, bis ein für sie lebenswichtiger Rezeptor auf der Zelloberfläche abgeschnitten wird. Der abgeschnittene Rezeptorteil kann als Biomarker für Autoimmunkrankheiten dienen.

Enzym kappt Überlebensrezeptor

Sobald B-Zellen durch sogenannte Antigene aktiviert werden, differenzieren sie zu Antikörper-produzierenden Plasmazellen. Wie lange eine Plasmazelle im Körper überlebt und Antikörper produziert, hängt stark von ihrem sogenannten BCMA-Rezeptor und den Überlebensregulatoren BAFF und APRIL ab: Die beiden Botenstoffe BAFF und APRIL aktivieren diesen Rezeptor und lösen ein Überlebenssignal aus, durch das lebensverlängernde Gene angeschaltet werden. Damit die Plasmazellen den Körper nicht mit Antikörpern überfluten und es nicht zu einer Autoimmunreaktion kommt müssen die Zellen rechtzeitig wieder abgeschaltet werden. Dafür ist das Enzym gamma-Sekretase zuständig, wie die Wissenschaftler herausgefunden haben. Es fährt die Immunreaktion wieder nach unten, indem es den Rezeptor BCMA abschneidet.

BCMA sitzt als Transmembranrezeptor in der Zellmembran, wobei ein Teil auf die Zelloberfläche hinausragt. Gamma-Sekretase schneidet diesen Teil des Rezeptors ab. Bisher dachte man, dass die Gamma-Sekretase nur Membranproteine weiter zerkleinert, die bereits von anderen Enzymen vorgeschnitten wurden. Da der extrazelluläre Teil von BCMA so außergewöhnlich kurz ist kann ihn das Enzym in diesem Fall direkt abschneiden.

Immunologischer Fußabdruck

Der abgeschnittene Teil des Rezeptors ist als lösliches sBCMA nachweisbar und kann als neuer Biomarker für Autoimmunkrankheiten eingesetzt werden. Das haben die Forscher mit Hilfe von klinischen Proben von Patienten mit Multipler Sklerose und Lupus erythematodes nachgewiesen. Lupus ist eine Krankheit, die den ganzen Organismus betreffen kann. Bei Lupus-Patienten sind die sBCMA-Werte im Blut erhöht – und zwar umso mehr, je gravierender die Krankheit war. Multiple Sklerose dagegen ist eine organspezifische Krankheit, die das zentrale Nervensystem angreift. „Entsprechend waren bei MS-Patienten die sBCMA-Werte im Nervenwasser, das Gehirn und Rückenmark umspielt, erhöht“, sagt Meinl. „sBCMA ist also wie der Fußabdruck der stattfindenden Immunreaktion und kann Aufschluss über die Aktivität der Krankheit geben. Daher ist sBCMA geeignet, um als Laborparameter die Effekte verschiedener Therapiestrategien auf Plasmazellen zu erfassen.“

Diese Erkenntnis könnte auch zu einer verbesserten und individualisierten Therapie beitragen. Denn B-Zellen und das BCMA/BAFF/APRIL-System stellen sowohl für Lupus als auch für Multiple Sklerose ein therapeutisches Ziel dar, dessen Blockade die Antikörper-Produktion dämpfen könnte. Für die Lupus-Therapie etwa ist bereits ein Wirkstoff gegen BAFF klinisch zugelassen, der allerdings aus bisher unbekannten Gründen nur bei einem Teil der Patienten wirkt. Weitere Wirkstoffe gegen BAFF, APRIL und ihre Rezeptore werden gerade in klinischen Studien getestet. sBCMA könnte in Zukunft zur Optimierung und Kontrolle solcher Therapien beitragen, da es das Monitoring von Plasmazellen erlaubt.

Ludwig-Maximilians-Universität München, 11.06.2015

 

Originalpublikation:

Laurent S.A. et al. γ-secretase directly sheds the survival receptor BCMA from plasma cells. Nature Communications 6, Article number: 7333 doi: 10.1038/ncomms8333

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