Wie Tabakpflanzen ihre Bestäuber mit Duft und Nektar manipulieren

Macht seinem Namen alle Ehre: Manduca sexta (Manduca: lat. Vielfraß). Ein Weibchen des Tabakschwärmers Manduca sexta legt seine Eier auf den Blättern einer Tabakpflanze ab, nachdem es zuvor deren Blüten bestäubt hat. Aus dem vermeintlichen Freund wird somit ein Feind, denn aus den Eiern schlüpfen später hungrige Raupen, die sich zu wahren Fressmaschinen entwickeln können. © MPI f. chemische Ökologie/ D. Kessler

Macht seinem Namen alle Ehre: Manduca sexta (Manduca: lat. Vielfraß). Ein Weibchen des Tabakschwärmers Manduca sexta legt seine Eier auf den Blättern einer Tabakpflanze ab, nachdem es zuvor deren Blüten bestäubt hat. Aus dem vermeintlichen Freund wird somit ein Feind, denn aus den Eiern schlüpfen später hungrige Raupen, die sich zu wahren Fressmaschinen entwickeln können.
© MPI f. chemische Ökologie/ D. Kessler

Manche Bestäuber leisten einer Blütenpflanze nicht nur Hilfsdienste bei der Fortpflanzung, sondern legen im Anschluss an die Bestäubung ihre Eier auf ihr ab. Später schlüpfen daraus gefräßige Raupen. Ihr unersättlicher Appetit kann das Todesurteil für die Pflanze bedeuten. Blüten locken also nicht nur Bestäuber sondern auch Fraßfeinde an. Wie Wissenschaftler in Feldversuchen nachweisen konnten, erhöhen Duft und Nektar des Kojotentabaks den Genfluss zwischen unterschiedlichen Pflanzen, wenn sie durch drei verschiedene Pollenüberträger bestäubt werden. Beide Blütenmerkmale beeinflussen die Anzahl der abgelegten Motteneier des Tabakschwärmers. Wobei die Menge des von der Pflanze angebotenen Nektars eine wichtigere Rolle spielt als die Duftstärke. Das führt dazu, dass die natürliche Variationen der Duftintensität und des Nektargehalts in wilden Pflanzen, die auch nektarfreie Blüten hervorbringen, für einen hohen Fortpflanzungserfolg sorgen. Gleichzeitig werden die Fraßfeinde in Schach gehalten. Dies konnten die Forscher nachweisen, indem sie die Duft- und Nektarproduktion der Blüten und ihre Auswirkungen auf die Bestäuber und Fraßfeinde gleichzeitig untersuchten.

Blütenpflanzen duften, um Bestäuber anzulocken. Zur Belohnung für ihre Hilfe bei der Fortpflanzung erhalten die Bestäuber süßen Nektar. Doch nicht immer beruht diese Wechselwirkung allein auf dem Prinzip „eine Hand wäscht die andere“. Manche Mottenweibchen legen nach dem Bestäuben der Blüten ihre Eier auf der Pflanze ab, aus denen dann hungrige Raupen schlüpfen, die das Überleben der Pflanze bedrohen. Ein Beispiel dafür ist der Tabakschwärmer (Manduca sexta), der die Blüten des Kojotentabaks (Nicotiana attenuata) bestäubt, dessen Raupen verheerende Fraßschäden verursachen können.

Wie Wissenschaftler um Ian T. Baldwin am Max-Planck-Instituts für chemische Ökologie in Jena herausgefunden haben, variiert in natürlich vorkommenden wilden Tabakpflanze sowohl die Menge des gebildeten Blütendufts als auch des Nektars. Es gibt sogar Pflanzen, deren Blüten gar keinen Nektar produzieren und somit ihre Bestäuber mit ihrem Duft an der Nase herumführen und die Belohnung vorenthalten. Um den Einfluss von Blütenduft und Nektar auf die Bestäuber und Fraßfeinde unabhängig voneinander untersuchen zu können, verwendeten die Forscher Pflanzen, die entweder kein Benzylaceton, den Hauptbestandteil des Blütendufts, oder keinen Nektar produzieren konnten. Eine weitere Gruppe von Pflanzen konnte weder Blütenduft noch Nektar bilden. Diese Pflanzen wurden mit Hilfe einer genetischen Manipulationtechnik hergestellt, die auf RNA-Interferenz (RNAi) beruht. Die Forscher untersuchten beide Blütenmerkmale gleichzeitig und unabhängig voneinander.

Dazu untersuchten die Forscher den Einfluss dieser Merkmale auf den Genfluss zwischen verschiedenen Pflanzen, im Fachjargon Auskreuzungsrate genannt. Er zeigte sich nach der Bestäubung durch drei verschiedene Pollenlieferanten: den Tabakschwärmer, den Linienschwärmer, und den Schwarzkinnkolibri (Archilochus alexandri). Eine hohe Auskreuzungsrate wird dann erzielt, wenn bei der Bestäubung Pollen und damit die genetische Information einer Pflanze zu anderen Pflanzen weiter getragen wird. Dies erhöht die genetische Vielfalt in der Pflanzenpopulation.

Der Blütenduft verheißt den Bestäubern eine Belohnung in Form des süßen Nektars, der sie von Blüte zu Blüte fliegen lässt. Er dient der Pflanze als Locksignal. Die Auswertung der Experimente ergab, dass sowohl Duft als auch Nektar dafür sorgen, dass Blüten häufiger von Bestäubern besucht werden. Interessanterweise spielen dabei Duft und Nektar unterschiedlich wichtige Rollen für die drei getesteten Bestäuberarten. Andererseits wirken Duft und in noch stärkerem Maße Nektar direkt auf das Eiablageverhalten von Tabakschwärmer-Weibchen. Produziert eine Pflanze mehr Nektar, finden sich auf ihr auch mehr Eier.

Dass die Nektarproduktion das Eiablageverhalten von Tabakschwärmer-Motten stärker beeinflusst als der Blütenduft, überraschte die Forscher. Offensichtlich nutzen die Motten den Nektar als eine Art Indikator für die Größe oder den Gesundheitszustand der Pflanze. Demnach bevorzugen sie für ihren Nachwuchs Pflanzen, die viel Nektar produzieren, da er dort größere Überlebenschancen hat. „Manche Pflanzen täuschen hingegen die Anwesenheit von Nektar vor, profitieren aber von nektarproduzierenden Nachbarpflanzen und den getäuschten Bestäubern. Damit sind diese nektarfreien Pflanzen vor Raupenbefall stärker geschützt“, erläutert Danny Kessler.

Blüten sind mit vielen Herausforderungen konfrontiert. Sie müssen die Auskreuzung und somit den Fortpflanzungserfolg sicherstellen. Dabei sind sie auf Bestäuber verschiedener Arten angewiesen, die bestimmte Vorlieben im Hinblick auf Blütenmerkmale haben und unterschiedliche Verhaltensweisen an den Tag legen. Gleichzeitig müssen die Blüten aber auch dafür sorgen, dass Motten nicht zu viele Eier auf der Pflanze ablegen. „Fraßschädlinge und Bestäuber haben zur Evolution der Blütenmerkmale Duft und Nektar beigetragen. Es ist daher nicht sinnvoll, diese Merkmale nur im Hinblick auf das Anlocken von Bestäubern zu untersuchen“, fasst Ian T. Baldwin zusammen, der in seiner Abteilung Molekulare Ökologie einen umfangreichen molekularen Baukasten für den Kojotentabak entwickelt hat.

Die Kombination beider Merkmale, Blütenduft und Nektarproduktion, erfordert daher eine gewisse Feinabstimmung, wenn man die Fitness einer Pflanze maximieren will. Große Motten, wie der Tabakschwärmer legen wahrscheinlich längere Strecken innerhalb einer Nacht zurück als beispielsweise Kolibris, die nur die Blüten in der Umgebung ihres Nestes  besuchen. Da wilde Tabakpopulationen in der Natur oftmals isoliert vorkommen, könnte der Tabakschwärmer die Übertragung von Pollen über größere Entfernungen gewährleisten.

Max-Planck-Gesellschaft, 13 Juli 2015

 

Originalpublikation:

Kessler, D., Kallenbach, M., Diezel, C., Rothe, E., Murdock, M., Baldwin, I. T. How scent and nectar influence floral antagonists and mutualists. eLife. doi:10.7554/eLife.07641.

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