Schützt das ungewöhnliche Immunsystem der Fledermäuse diese vor Ebola?

Die Große Samtfledermaus stammt aus Mittel- und Südamerika. Die Tiere besitzen ein effektives Immunsystem, das sie vor Infektionen schützt. © MPI f. Ornithologie

Die Große Samtfledermaus stammt aus Mittel- und Südamerika. Die Tiere besitzen ein effektives Immunsystem, das sie vor Infektionen schützt.
© MPI f. Ornithologie

Das Immunsystem von Fledermäusen hat ein paar ungewöhliche Besonderheiten. Zu diesem Schluss kommen Wissenschaftler in einer Untersuchung an Samtfledermäusen. Die neuen Erkenntnisse könnte auch für die Bekämpfung von Viruserkrankungen bedeutsam sein, die von Tieren wie Fledermäusen auf den Menschen übertragbar sind.

Fledermäuse kommen als Überträger und als Reservoir für eine ganze Reihe von Infektionskrankheiten in Frage. Ihr Immunsystem ist jedoch bislang kaum erforscht. Diese Lücke versuchen Forscher des Max-Planck-Instituts für Ornithologie in Radolfzell, der Universität Konstanz und des Smithsonian Tropical Research Institute in Panama nun zu schließen. Ihren Ergebnissen zufolge funktioniert das Immunsystem der Fledermäuse möglicherweise grundlegend anders als das anderer Säugetiere. Die Immunabwehr der Tiere könnte sogar Hinweise darauf liefern, wie sich bestimmte Infektionskrankheiten abwehren lassen.

Viele der 1300 bekannten Fledermausarten haben Antikörper gegen verschiedene Krankheiten im Blut, selten jedoch die Erreger selbst. Scheinbar sind die Tiere in der Lage, die Erreger abzuwehren ohne selbst zu erkranken. Doch was macht ihr Immunsystem so besonders?

Die Wissenschaftler haben die Immunreaktion von Großen Samtfledermäusen (Molossus molossus) in Panama untersucht. Die Tiere besitzen einen besonderen Tagesrhythmus: Während sie sich tagsüber in ihren Quartieren ausruhen, sparen sie Energie, indem sie ihren Energieverbrauch reduzieren. Dazu verharren die Fledermäuse reglos, und senken dabei ihre Körpertemperatur ab. Gegen Sonnenuntergang dagegen, wenn die Tiere zur Jagd aufbrechen, kommt ihr Organismus so richtig in Schwung: Dann steigt ihre Körpertemperatur auf über 40 Grad Celsius. Das ist nötig, weil ihre Muskeln während des Flugs Höchstleistungen erbringen müssen.

Die hohe Körpertemperatur könnte jedoch noch einen weiteren Nebeneffekt haben: Gleich einem täglich auftretendem Fieber könnte es die Immunabwehr gegen Krankheitserreger aktivieren, so die bisherige Hypothese. Umgekehrt könnte das tägliche Drosseln des Stoffwechsels im Körper vorhandene Krankheitserreger an einer Vermehrung hindern.

Um diese Annahme zu testen, täuschten die Forscher dem Immunsystem der Fledermäuse eine Infektion vor. Dazu verabreichten sie den Tieren ein Lipopolysaccharid (LPS) – eine an sich harmlose Verbindung aus Fett- und Zuckerbestandteilen. Da diese jedoch an der Außenhülle vieler Krankheitserreger vorkommt, löst sie eine Aktivierung des Immunsystems aus.

Wie die Wissenschaftler zeigten, blieben die täglichen Temperaturschwankungen jedoch auch nach Gabe von LPS unverändert. Der Stoff löste also kein Fieber bei den Fledermäusen aus, wie dies bei anderen Säugetieren der Fall ist. Auch die Zahl der weißen Blutkörperchen im Blut – ein Indikator für die Stärke der Immunabwehr – erhöhte sich nicht. Allerdings verloren die Fledermäuse innerhalb von 24 Stunden deutlich an Gewicht – für die Forscher ein Zeichen, dass die Tiere Energiereserven für die Immunabwehr mobilisieren.

„Dieser Gewichtsverlust tritt auch bei anderen Fledermaus-Arten auf“, erklärt M. Teague O’Mara. „Das ist ein Zeichen, dass ihr Immunsystem sich einschaltet.“ Welche zellulären Prozesse dabei genau ablaufen, haben die Forscher bisher noch nicht klären können. „Das Immunsystem der Fledermäuse verhält sich nicht wie das anderer Säugetiere“, sagt Dina Dechmann vom Max-Planck-Institut für Ornithologie. „Wir müssen verstehen, was sie so besonders macht. Daraus könnten wir auch viel über für den Menschen gefährliche Erkrankungen lernen.“

So wäre es denkbar, dass Fledermäuse im Fall von Ebola zu Unrecht am Pranger stehen. In einer Erhebung analysieren Wissenschaftler des Robert Koch-Instituts und des Max-Planck-Instituts systematisch den Kenntnisstand zur Herkunft des Ebola-Virus. Den Forschern zufolge können Flughunde nicht das hauptsächliche oder einzige Reservoir sein. So konnte das Ebola-Virus selbst bislang nicht in Fledermäusen nachgewiesen werden.

Die Beweiskette stützt sich bislang auf Antikörper gegen Ebola, die man im Blut der Flughunde entdeckt hat. Die Tiere kommen also wohl häufig in Kontakt mit dem Virus, sind aber wohl in der Lage, es abzuwehren. Ähnlich könnte es bei auch bei anderen Infektionskrankheiten sein, die von Tieren auf den Menschen übertragen werden können, beispielsweise der Tollwut. Auch in diesem Fall könnte ein effektives Immunsystem die Fledermäuse davor schützen, krank zu werden. „Wenn wir verstehen, wie die Tiere mit den Krankheiten fertig werden, könnten wir dieses Wissen nutzen, um neue Impfungen und Medikamente zu entwickeln“, sagt O’Mara.

Max-Planck-Gesellschaft, 14. September 2015

 

Originalpublikation:

Sebastian Stockmaier, Dina K. N. Dechmann , Rachel A. Page, and M. Teague O’Mara. No fever and leucocytosis in response to a lipopolysaccharide challenge in an insectivorous bat. Biological Letters 11: 20150576 DOI: 10.1098/rsbl.2015.0576

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