Fischbestände durch fortschreitende wirtschaftliche Entwicklung bedroht

Kabeljau gehört zu den beliebtesten Speisefischen in Deutschland und Europa - im Bild der junge Kabeljau, auch Dorsch genannt. © Catriona Clemmesen-Bockelmann, GEOMAR

Kabeljau gehört zu den beliebtesten Speisefischen in Deutschland und Europa – im Bild der junge Kabeljau, auch Dorsch genannt. © Catriona Clemmesen-Bockelmann, GEOMAR

Die Aquakultur kann nicht so massiv ausgebaut werden, dass sie dazu in der Lage wäre den Fang wildlebender Fische zu ersetzen. Daher werden in Zukunft wirtschaftliche Faktoren, wie etwa die weltweit steigende Nachfrage nach Fisch oder verbesserte Fangtechniken zu einem verstärkten Fischereidruck auf beliebte Speisefische führen. Wie ein internationales Team von Meeresforschern nun in einer neuen Studie prognostiziert.

Die Forscher untersuchten, wie sich der Fischfang und die Aquakultur bei beliebten Speisefischen wie Wolfsbarsch, Lachs, Kabeljau und Thunfisch in den nächsten Jahrzehnten entwickeln werden. Diese vier Fischarten zählen in Nordamerika und Europa zu den beliebtesten Speisefischen. Wobei Lachs und Wolfsbarsch vorwiegend aus Fischzuchten, Kabeljau und Thunfisch dagegen meist aus Wildbeständen stammen.

Die Wissenschaftler versuchten die Frage zu beantworten, wie sich die wildlebenden Fischbestände bis 2048 und darüber hinaus entwickeln werden. Dabei berücksichtigten sie nicht nur biologische Faktoren, sondern evaluierten darüber hinaus vor allem auch, wie sich die zukünftige wirtschaftliche Entwicklung auf die Fischerei auswirken wird. Die Forscher simulierten dazu insbesondere den technologischen Fortschritt in der Fischerei, die weltweit steigende Nachfrage nach Fisch und eine wachsende Versorgung mit Fisch durch Aquakulturen. Außerdem untersuchten sie, wie sich diese Faktoren auf die Fischbestände auswirken, wenn die Regulierung der Wild-Fischerei so unzureichend bleibt, wie sie bisher iat.

Aquakulturanlage vor den Färöer-Inseln, © Jan Steffen, GEOMAR

Aquakulturanlage vor den Färöer-Inseln, © Jan Steffen, GEOMAR

„Eine realistische Prognose über die Entwicklung wirtschaftlich wichtiger Wildfischbestände erhalten wir nur, wenn wir neben den biologischen besonders auch ökonomische Faktoren berücksichtigen. Das Ergebnis hat uns überrascht: Die wirtschaftliche Entwicklung hat einen viel stärkeren Einfluss auf die Fischbestände als wir erwartet haben“, sagt Martin Quaas von Institut für Volkswirtschaftslehre an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel und Leiter der Forschungsgruppe Nachhaltige Fischerei im Exzellenzcluster „Ozean der Zukunft“.

Ein Ausbau der Aquakultur kann die wildlebenden Fischbestände zwar entlasten, doch voraussichtlich wird dieser positive Effekt durch eine wachsende Nachfrage und dem zunehmenden technischen Fortschritt zunichte gemacht werden. Beides Faktoren, die einen wachsenden Druck auf die Fischbestände ausüben. Bei einem gleichbleibenden Anstieg der Nachfrage müsste die Produktivität der Aquakulturen jährlich um 15 bis 24 Prozent steigen, um die Bestände der Wildfische zu sichern. Aus Sicht der Forscher ein utopischer Wert. Darüber hinaus werden Fische aus Aquakultur häufig mit wild gefangenen Fischen gefüttert, was die Wildbestände weiter beeinträchtigt. „Selbst wenn wir sehr optimistische Raten ansetzen würden und in der Fütterung die Anteile von pflanzlichem Protein erhöhen, würde der Fischereidruck auf Futterfischbestände enorm steigen und vermutlich deren Kollaps bewirken“, so Thorsten Reusch vom GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel. Eine nachhaltige Nutzung der wildlebenden Fischbestände könnte nur durch ein deutlich verbessertes Fischereimanagement erreicht werden.

Nachhaltigkeits-Grenzen: Kombinationen aus Wirksamkeit der Regulierung von Wildfischbeständen und jährlichen Wachstumsraten der Aquakultur-Produktion, die zu einer nachhaltigen Bestandsentwicklung führen können. © Martin Quaas, Uni Kiel

Nachhaltigkeits-Grenzen: Kombinationen aus Wirksamkeit der Regulierung von Wildfischbeständen und jährlichen Wachstumsraten der Aquakultur-Produktion, die zu einer nachhaltigen Bestandsentwicklung führen können. © Martin Quaas, Uni Kiel

Laut den Forschern könnte ein Zusammenbruch der Fischbestände nur durch einen institutionellen Wandel erreicht werden, der die Wirksamkeit des Fischereimanagements für wildlebende Fischarten deutlich verbessert. Mit der jüngsten Reform ihrer gemeinsamen Fischereipolitik habe die Europäischen Union einen Schritt in die richtige Richtung getan. Im Zuge der 2013 beschlossenen Reform sollen etwa mehrjährige Bewirtschaftungspläne für weitere Bestände eingeführt werden. Auch sollen in Zukunft strenge Regeln für die Anlandung von Beifängen gelten. Dringenden Handlungsbedarf sehen die Forscher jedoch weiterhin in der Hochseefischerei. Hier müsse vor allem noch eine bessere internationale Koordination bei der Festlegung und Durchsetzung restriktiver Fangquoten erreicht werden.

Exzellenzclusters „Ozean der Zukunft“, 08.09.2015

 

Originalpublikation:

Quaas, Martin F., Reusch, Thorsten B. H., Schmidt, Jörn O., Tahvonen, Olli, Voss, Rudi: It is the economy, stupid! Projecting the fate of fish populations using ecological–economic modeling. Global Change Biology (2015), doi: 10.1111/gcb.13060.

Kommentare sind geschlossen.