Weltweit mehr als 3 Millionen Tote durch Luftverschmutzung

Tödliches Weiter so: Wenn die Luftverschmutzung wie bisher mit wachsender Bevölkerung und steigender Wirtschaftskraft zunimmt, wird die Zahl der Menschen, die aufgrund der Schadstoffe in der Luft sterben, vom Jahr 2010 bis zum Jahr 2050 deutlich steigen. Das haben Berechnungen eines internationalen Teams um Forscher des Max-Planck-Instituts für Chemie ergeben. Die Farbskala steht für den Zuwachs an Todesfällen aufgrund einer zu erwartenden stärkeren Luftverschmutzung: weiß – keine Zunahme; rot – 9000 Todesfälle mehr pro Jahr.

Tödliches Weiter so: Wenn die Luftverschmutzung wie bisher mit wachsender Bevölkerung und steigender Wirtschaftskraft zunimmt, wird die Zahl der Menschen, die aufgrund der Schadstoffe in der Luft sterben, vom Jahr 2010 bis zum Jahr 2050 deutlich steigen. Das haben Berechnungen eines internationalen Teams um Forscher des Max-Planck-Instituts für Chemie ergeben. Die Farbskala steht für den Zuwachs an Todesfällen aufgrund einer zu erwartenden stärkeren Luftverschmutzung: weiß – keine Zunahme; rot – 9000 Todesfälle mehr pro Jahr.

Jedes Jahr sterben weltweit 3,3 Millionen Menschen vorzeitig an den Folgen der Luftverschmutzung. Diese Zahl könnte sich bis 2050 verdoppeln, wenn die Schadstoffbelastung weiter ansteigt wie bisher. Wie eine neue Studie belegt. Hauptquellen für die schlechte Luft sind zur Überraschung der Forscher nicht Industrie und Verkehr, sondern häusliche Kleinfeuer und die Landwirtschaft.

Die Menschen in Asien, besonders die in China und Indien, leiden unter einer massiven Belastung durch Luftschadstoffe. Dort treten drei Viertel aller weltweiten Todesfälle auf, die auf eine Luftverschmutzung zurückgehen, wie das Team um Johannes Lelieveld, Direktor am Max-Planck-Institut für Chemie, in ihrer aktuellen Studie heraus fand: Demnach sterben jedes Jahr 1,4 Millionen Menschen allein in China vorzeitig an den Folgen von Luftverschmutzung, in Indien sind es 650.000. Auch in der EU führt die Belastung mit Feinstaub und Ozon jährlich zu 180.000 Todesfällen, davon 35.000 in Deutschland. Damit gehen in vielen Ländern etwa zehnmal so viele Todesfälle auf das Konto der Schadstoffbelastung wie im Straßenverkehr.

Die Forscher untersuchten in der Studie erstmals, wie sich unterschiedliche Schadstoffquellen auf die Sterberaten auswirken, wie etwa Industrie, Verkehr, Landwirtschaft, Kohle-, Öl- und Gaskraftwerke und so genannte häusliche Kleinfeuer. Unter letzteren fassen die Forscher Dieselgeneratoren, kleine Öfen und offene, stark qualmende Holzfeuer zusammen, die viele Menschen in Asien zum Heizen und Kochen verwenden. Außerdem berechneten die Forscher die Todesfälle in den einzelnen Ländern sowie die verschiedenen Krankheiten denen die Menschen durch die Luftverschmutzung zum Opfer fielen.

Drei Viertel der Menschen erlitten Schlaganfälle und Herzinfarkte

Das Team um Lelieveld beschäftigte sich mit den wichtigsten Luftschadstoffen: Feinstaubpartikeln mit einem Durchmesser von weniger als 2,5 Mikrometern und Ozon. Mit Hilfe eines globalen Modell zur Atmosphärenchemie berechneten die Forscher die Konzentration dieser Schadstoffe. Die Ergebnisse kombinierten sie mit epidemiologischen Daten. „Aus statistischen epidemiologischen Studien in Europa und den USA mit mehreren hunderttausend Teilnehmern weiß man recht zuverlässig, wie sich bestimmte Schadstoffkonzentrationen auf die Sterberaten auswirken“, sagt Johannes Lelieveld. Allerdings, so berichtet der Atmosphärenchemiker, sind diese Daten für viele Megastädte Asiens nicht repräsentativ, wo die Luftverschmutzung wesentlich höher liegt als in europäischen oder amerikanischen Metropolen. Das Team nutzte daher eine verbesserte Methode, um auch die Auswirkungen des extremen Smogs in asiatischem Städten ermitteln zu können.

„3,3 Millionen Menschen sterben jedes Jahr vorzeitig aufgrund der Luftverschmutzung, das ist eine Riesenzahl“, kommentiert Lelieveld das Ergebnis. Knapp drei Viertel der Todesfälle sind auf Schlaganfälle und Herzinfarkte zurückzuführen, 27 Prozent auf Atemwegserkrankungen und Lungenkrebs. Aufgrund epidemiologischer Studien geht man davon aus, dass Feinstaubpartikel Erkrankungen des Herz-Kreislaufsystems und Lungenkrebs auslösen, während Ozon eher Lungenkrankheiten wie chronischen Husten und Atemnot hervorruft. Die mikroskopisch kleinen Feinstaub-Partikel dringen tief in die Lunge und womöglich sogar in die Blutgefäße ein. Es gibt Hinweise darauf, dass sie dort zur Bildung von Plaques beitragen und dadurch das Risiko für Herzinfarkte und Schlaganfälle erhöhen. Bislang ist unklar, inwieweit sich die verschiedenen Sorten von Feinstaubpartikeln – wie etwa Ruß, Sulfate, organische Stoffe oder mineralische Staubteilchen – in ihrer Giftigkeit unterscheiden.

Häusliche Kleinfeuer sind die gravierensten Luftverschmutzer

Als Lelieveld und seine Kollegen die einzelnen Quellen der Luftverschmutzung untersuchten, erlebten sie eine Überraschung. „Meist wird ja angenommen, dass Industrie und Verkehr die schlimmsten Luftverschmutzer sind, aber weltweit ist das offenbar nicht der Fall“, berichtet der Atmosphärenchemiker. In Indien und China verursachen die häuslichen Kleinfeuer einen Großteil des Smogs. „Das sind zwar nur kleinskalige Aktivitäten, aber wenn ein Großteil der Bevölkerung das macht, kommt einiges zusammen“, so Lelieveld. Insgesamt ein Drittel der vorzeitigen Todesfälle geht weltweit auf diese ineffiziente Form der Verbrennung zurück.

In Europa, Russland, der Türkei, Japan und im Osten der USA ist dagegen überraschenderweise die Landwirtschaft der Hauptverursacher von schlechter Luft. Die Grund hierfür liegt in einer übermäßigen Düngung und der Massentierhaltung: Beide führen zu einer Freisetzung von Ammoniak, der in die Atmosphäre gelangt, wo er sich über verschiedene Reaktionen in Ammoniumsulfat und Nitrat umwandelt. Diese Stoffe tragen maßgeblich dazu bei, dass sich Feinstaubpartikel überhaupt bilden können. Durch diesen Effekt gehen global gesehen ein Fünftel aller Todesfälle auf die Luftverschmutzung durch die Landwirtschaft zurück. In manchen Ländern, wie beispielsweise der Ukraine, Russland und Deutschland, liegt der Anteil sogar bei über 40 Prozent.

Als weitere wichtige Ursachen folgen fossile Kraftwerke, Industrie, die Verbrennung von Biomasse und der Straßenverkehr. Zusammen genommen verursachen sie ein weiteres Drittel der vorzeitigen Mortalität. Ein knappes Fünftel ist auf natürliche Staubquellen zurückzuführen, wie etwa in Nordafrika und im Mittleren Osten, wo vor allem der Wüstenstaub den Menschen zu schaffen macht.

In Deutschland sterben doppelt so viele Menschen durch Verkehrsabgase wie durch Unfälle

Die im Vergleich mit anderen europäischen Ländern hohe Zahl von Smog-Toten in Deutschland ist Lelieveld zufolge zum einen auf die zentrale Lage des Landes in Europa zurückzuführen. „Die Deutschen müssen auch die verschmutzte Luft aus anderen Ländern einatmen“, sagt er. Zum anderen verursacht Deutschland als dicht besiedeltes Land mit viel Industrie, einer intensiven Landwirtschaft und einem hohen Verkehrsaufkommen auch selbst einen Großteil der Luftverschmutzung. Die Schadstoffbelastung durch den Straßenverkehr, dem die Forscher weltweit nur fünf Prozent der Todesfälle zuschreiben, schlägt in Deutschland mit 20 Prozent zu Buche, das sind knapp 7000 Menschen pro Jahr. Demnach sterben hierzulande doppelt so viele Personen an den Folgen der Verkehrsabgasen wie an Verkehrsunfällen.

Zum Schuß berechneten Lelieveld und seine Kollegen, wie die Entwicklung in den kommenden Jahrzehnten weitergehen könnte. Dabei gingen sie von einem „Business-as-usual“-Szenario aus, in dem die Schadstoff-Emissionen weiterhin so wachsen wie bisher und nicht durch neue Gesetze beschränkt werden. In diesem Fall werden im Jahr 2050 in Süd- und Ostasien wahrscheinlich doppelt so viele Menschen an den Folgen der Luftverschmutzung sterben wie heute. Weltweit könnte sich die Zahl der Smog-Toten auf 6,6 Millionen pro Jahr erhöhen. In Europa und den USA wird die Mortalität voraussichtlich insgesamt moderat ansteigen, vor allem in größeren Städten.

Max-Planck-Gesellschaft, 16. September 2015

 

Originalpublikation:

Jos Lelieveld, John S. Evans, Despina Giannadaki, Mohammed Fnais und Andrea Pozzer. The contribution of outdoor air pollution sources to premature mortality on a global scale. Nature, 17 September 2015; doi: 10.1038/nature15371

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