Wie Fadenwürmer die Wurzeln ihrer Wirtspflanzen austricksen

Heterodera schachtii ist zweigeschlechtlich; die beiden Geschlechter weisen eine unterschiedliche Gestalt (Sexualdimorphismus) auf. Die Männchen haben eine typische wurmform. Die Weibchen sind wie auf der Abbildung zitronenförmig und etwa 0,8 mm ĺang. ©  public domain.

Heterodera schachtii ist zweigeschlechtlich; beide Geschlechter weisen eine unterschiedliche Gestalt auf. Während die Männchen eine typische Wurmform besitzen, erinnert die Gestalt der Weibchen an eine Zitrone (siehe Abbildung). Die Tiere sind etwa 0,8 mm ĺang. © public domain.

Der winzige Fadenwurm Heterodera schachtii führt ein Leben wie die Made im Speck: Er dringt in die Wurzeln von Rüben, Kartoffeln oder Sojabohnen ein und saugt dort an den energiereichen Pflanzenzellen. Wissenschaftler haben nun herausgefunden, dass der Fadenwurm selbst ein Pflanzenhormon herstellen, um das Wachstum spezieller Nährzellen in den Wurzeln auszulösen. Diese Zellen versorgen den Parasiten dann mit allem, was er braucht.

Der winzige Rübenzystennematode Heterodera schachtii führt mit seinen weniger als einem Millimeter Länge im Zuckerrübenanbau zu riesigen Ertragseinbußen. Befallene Rüben erreichen keine normale Größe, bilden vermehrt Seitenwurzeln und ihr Zuckerertrag liegt deutlich unter dem Durchschnitt. Vor allem in traditionellen Anbaugebieten wird der Schädling als Verursacher der „Rübenmüdigkeit“ gefürchtet. Bisher war allerdings noch unbekannt, wie es den Fadenwürmern gelingt die Entwicklung des Nährzellensystems im Inneren der Wurzel anzuregen, auf das sie als Nahrungsquelle angewiesen sind.

Das Nährzellensystem entsteht, indem sich Zellen vermehrt teilen, miteinander verschmelzen und schließlich anschwellen. Seit langem vermuteten Forscher, dass bei der Bildung des Nährzellensystems Pflanzenhormone im Spiel sind. Da die Fadenwürmer ihre Fähigkeit zur Fortbewegung einbüßen, sobald sie in die Wurzel eindringen sind sie auf die Entwicklung des tumorartigen Nährzellengewebes angewiesen.

Fadenwürmer nutzen Nebenprodukte ihres Stoffwechsels

Nun hat ein internationales Forscherteam an der Modellpflanze Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana) herausgefunden, dass Rübenzystennematoden das Pflanzenhormon Cytokinin bilden. Damit setzen die Fadenwürmer ein Abbauprodukt ihres eigenen Stoffwechsels als Pflanzenhormon ein, um die Entwicklung von Zellen ihres Wirts zu fördern. Auf diese Weise gelingt es dem Schädling die Pflanzenwurzeln so umzuprogammieren, dass die Rüben das Nährgewebe bilden, von dem sein Überleben abhängt.

Zunächst rätselten die Forscher, ob der Rübenschädling das Hormon der Pflanze nur geschickt für sich nutzt oder ob er es tatsächlich selbst herstellt. Um diese Frage zu klären, blockierten sie die Cytokinin-Produktion in der Pflanze: Mit dem Ergebnis, dass der Fadenwurm trotzdem weiter wuchs, weil er offensichtlich nicht darauf angewiesen war. Erst als sie den Rezeptor, an den das Hormon bindet außer Kraft setzten, verloren die Rübenschädlinge ihre Lebensgrundlage. Nun konnte das von Heterodera schachtii gebildete Cytokinin nicht mehr wirken, weil der Signalweg in den Wurzelzellen unterbrochen war.

Neue Chancen für die Pflanzenzüchtung

Die neuen Erkenntnisse könnten für die Pflanzenzüchtung genutzt werden. „Zum einen ist das Resultat ein wichtiger Beitrag zum grundlegenden Verständnis des Parasitismus bei Pflanzen, zum anderen kann es dazu beitragen, das Problem der Zystennematoden in wichtigen landwirtschaftlichen Kulturen bald auch in der Praxis zu verringern“, sagt Florian Grundler von der Universität Bonn. Der neu entdeckte Mechanismus könnte nun gezielt für die Resistenzzüchtung genutzt werden.

Rheinische Friedrich-Wilhelms Universität Bonn, 29.09.2015

 

Originalpublikation:

A parasitic nematode releases cytokinin that controls cell division and orchestrates feeding site formation in host plants, Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS), DOI: 10.1073/pnas.1503657112

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