Lymphdrüsenkrebs: Epigenetische Steuerung der Genaktivität sorgt für Aggressivität

SMARCA ist beim Burkitt-Lymphom oft von Mutationen betroffen (Modell der Proteinstruktur) | © Rob Russell, Universität Heidelberg

SMARCA ist beim Burkitt-Lymphom oft von Mutationen betroffen (Modell der Proteinstruktur) | © Rob Russell, Universität Heidelberg

Wissenschaftler haben in Lymphdrüsenkrebs die so genannte „epigenetische“ Steuerung der Genaktivität durch chemische Markierungen des Erbguts untersucht. Dafür verglichen sie die DNA-Methylierungsmuster des kompletten Erbguts von 22 Krebsfällen mit dem von gesundem Kontrollgewebe der jeweiligen Patienten. Wie die Forscher heraus fanden, wird die Genaktivität bei Lymphdrüsenkrebs durch ein genau abgestimmtes Zusammenspiel von Mutationen in Schlüsselgenen und epigentischer Steuerung von Signalkaskaden reguliert.

Lymphdrüsenkrebs, so genannte Lymphome, sind Erkrankheiten, die auf Zellen des Immunsystems, die Lymphozyten, zurückgehen. Das Burkitt-Lymphom ist die häufigste Form von Lymphomen im Kindesalter, tritt aber auch bei Erwachsenen auf.

Diese Krebsart war der erste Lymphdrüsenkrebs, bei dem bereits in den 1970er Jahren eine für die Erkrankung typische Genveränderung identifiziert wurde. Dabei werden Bereiche von zwei verschiedenen Chromosomen so aneinander gehängt, dass das MYC-Gen dauerhaft aktiviert wird. Allerdings reicht die Aktivierung des MYC-Gens alleine nicht aus, um die Zellen entarten zu lassen.

Lymphdrüsenkrebs kann jedoch nicht nur durch Genveränderungen ausgelöst werden, sondern auch durch eine abnormale chemische Markierung des Erbguts, die zu einer vermehrten Aktivierung der entsprechenden Gene führt. Wie ein internationales Forscherteam nun herausgefunden hat.

Die DNA-Markierung mit Methylgruppen, ein wichtiger Mechanismus der so genannten epigenetischen Regulation, entscheidet darüber, welche Gene häufig und welche selten abgelesen werden. Für ihre Untersuchungen analysierten die Forscher die DNA-Methylierungsmuster von Burkitt-Lymphomen und follikulären Lymphomen. Dieses Muster verglichen sie mit den DNA-Mutationen und der Genaktivität derselben Tumoren. „So konnten wir interpretieren, wie sich eine Änderungen in der DNA-Methylierung auswirkt“, sagt Helene Kretzmer von der Universität Leipzig.

Die Untersuchungen zeigten, dass Burkitt- und follikuläre Lymphome charakteristische DNA-Methylierungsmuster aufweisen, die für sie charakteristisch sind und sie von den Zellen, aus denen sie hervor gehen, unterscheiden. Dabei schlossen sich veränderte Methylierung und Mutationen von Genen in wichtigen Signalwegen oftmals aus. Das heißt, in Patienten mit Genmutation war meist keine Methylierungsveränderung zu finden, und umgekehrt.

„Diese einander ergänzenden Muster zweier unterschiedlicher tumorspezifischer Veränderung unterstreichen die besondere Bedeutung der betroffenen Signalwege in Lymphomen.“ sagt Bernhard Radlwimmer vom Deutschen Krebsforschungszentrum.

Bei ihren Analysen konnten die Forscher einen sowohl durch epigenetische als auch genetische Mechanismen stark regulierten Signalweg identifizieren, der das SMARCA4 Gen in Burkitt-Lymhomen aktiviert. SMARCA4 ist ein Teil eines Protein-Komplexes, der die Aktivität ganzer Genregionen reguliert.

Besonders in Burkitt-Lymphomen ist das SMARCA4 Gen allerdings häufig von Mutationen betroffen, die verhindern, dass der regulierende Proteinkomplex korrekt funktioniert. „Die Kombination von gesteigerter Genaktivität und Funktionsänderung des SMARCA4 Proteins trägt wahrscheinlich wesentlich zur Entwicklung des Burkitt Lymphoms bei. Zukünftige Untersuchungen müssen zeigen, ob uns das möglicherweise einen neuen Ansatz bietet, den Lymphdrüsenkrebs zu behandeln“, sagt Reiner Siebert, der Koordinator des Lymphom-Projekts im Internationalen Krebsgenom-Konsortium.

Deutsches Krebsforschungszentrum (DKFZ), 07.10.2015

 

Originalpublikation:

Helene Kretzmer, Stephan H. Bernhart, Wei Wang, Andrea Haake, Marc A. Weniger, Anke K. Bergmann, Matthew J. Betts, Enrique Carrillo-de-Santa-Pau, Gero Doose, Jana Gutwein, Julia Richter, Volker Hovestadt, Bingding Huang, Daniel Rico, Frank Jühling, Julia Kolarova, Qianhao Lu, Christian Otto, Rabea Wagener, Judith Arnolds, Birgit Burkhardt, Alexander Claviez, Hans G. Drexler, Sonja Eberth, Roland Eils, Paul Flicek, Siegfried Haas, Michael Hummel, Dennis Karsch, Hinrik H.D. Kerstens, Wolfram Klapper, Markus Kreuz, Chris Lawerenz, Dido Lenze, Markus Loeffler, Cristina López, Roderick A.F. MacLeod, Joost H.A. Martens, Marta Kulis, José Ignacio Martín-Subero, Peter Möller, Inga Nagel, Simone Picelli, Inga Vater, Marius Rohde, Philip Rosenstiel, Maciej Rosolowski, Robert B. Russell, Markus Schilhabel, Matthias Schlesner, Peter F. Stadler, Monika Szczepanowski, Lorenz Trümper, Hendrik G. Stunnenberg, Ralf Küppers, Ole Ammerpohl, Peter Lichter, Reiner Siebert, Steve Hoffmann, Bernhard Radlwimmer: DNA-methylome analysis in Burkitt and follicular lymphomas identifies differentially methylated regions linked to somatic mutation and transcriptional control.
Nature Genetics 2015, DOI: 10.1038/ng.3413

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