Vorindustrielle Völker schlafen zwar nicht länger, aber besser, als wir

Hadzamänner beim Bogenschießen © Idobi. CC BY-SA 3.0.

Hadzamänner beim Bogenschießen © Idobi. CC BY-SA 3.0.

Seit der Einführung des elektrischen Lichts gibt es viele besorgte Stimmen, die meinen wir würden nicht mehr lange genug schlafen. Ihrer Meinung nach schliefen unsere Vorfahren in der vorindustriellen Welt wesentlich länger, als wir heutigen Zeitgenossen. Um diese These zu überprüfen haben Wissenschaftler nun erfasst, wie lange Mitglieder dreier vorindustrieller Völker in Südamerika und Afrika sich nachts zur Ruhe legen. Demnach schlafen die Vertreter der Jäger und Sammler-Kulturen, die noch wie unsere Vorfahren leben, nicht länger, als wir. Unsere moderne Lebensweise hat also unserem durchschnittlichen Schlaf-Wach-Rhythmus nicht viel anhaben können. Doch die Qualität des Schlafes ist bei den Jäger und Sammlern wesentlich besser als bei uns. Denn sie klagen nicht über Schlaflosigkeit. Ihre Sprachen kennen nicht einmal ein Wort dafür.

Wer kennt sie nicht, die besorgten Meldungen, denen zufolge moderne Techniken, wie nächtliches Kunstlicht, Smartphones, Labtops und eReader uns unseres Schlafes berauben. Forscher, die vor diesem Effekt warnen sind davon überzeugt, dass unsere Vorfahren sich zu Bett begaben, sobald es dunkel wurde und sich von ihrem Ruhelager erst wieder erhoben, wenn die Sonne den neuen Tag erhellt. Demnach sollten unsere Vorfahren täglich acht bis neun Stunden geschlafen haben. Mit den 6,5 bis 7,5 Stunden Schlaf die wir modernen Menschen heute durchschnittlich erhält sollen uns demnach täglich zwei bis drei Stunden Schlaf fehlen. Ein erhebliches Defizit.

Doch wie lange unser Vorfahren tatsächlich geschlafen haben lässt sich heute natürlich nicht mehr direkt ermitteln. Deshalb bediente sich Jerome Siegel und sein Team von der University of California in Los Angeles eines Tricks: Er untersuchte das das Schlafverhalten von drei verschiedenen Jäger und Sammler-Völkern, den Hadza in Tansania, den Tsimané in Bolivien und den San in Namibia.

Um die für die Studie benötigten Daten zu erheben schloss sich Siegel, der seit 40 Jahren das Schlafverhalten von Menschen und Tieren erforscht mit Anthropologen zusammen. Diese statteten 94 erwachsene Mitglieder der verschiedenen Stämme mit einer Uhr aus, die ihr Schlaf- und Bewegungsmuster, sowie die Lichtintensität ihrer Umgebung an 28 Tagen rund um die Uhr aufzeichnete. Damit erfassten die Forscher das Schlafverhalten von insgesamt 1165 Tagen.

Das Schlafmuster der drei Gruppen ähnelte sich massiv. Im Schnitt ruhten sie zwischen 6,9 und 8,5 Stunden lang, wovon sie zwischen 5,7 und 7,2 Stunden tatsächlich schiefen. Wobei sich die meisten Gruppen im Winter eine Stunde mehr Schlaf gönnten. Typischerweise legten sie sich nicht früher als 2,5 bis 4,4 Stunden nach Einbruch der Dunkelheit auf ihr Nachtlager, wenn die Temperaturen deutlich gefallen waren. Die meisten erwachten noch vor der Dämmerung, wenn die Temperaturen auf ihrem Tiefpunkt angelangt waren. Nur die San standen im Sommer erst eine Stunde nach dem Morgengrauen auf. Doch anders als so manche Menschen der Hightech-Gesellschaft erfreuten sich die Mitglieder der Jäger und Sammler Völker eines tiefen, erholsamen Schlafes. Niemand klagte über Schlaflosigkeit. In diesen Kulturen gibt es nicht einmal ein Wort dafür.

Demnach unterschieden sich die Schlafmuster der vorindustriellen Völker nicht wesentlich von denen in unserer modernen Gesellschaft. Doch die Schlafqualität scheint eine andere zu sein. Das könnte unter anderem auch mit den niedrigen Temperaturen zusammen hängen, bei denen diese Völker typischerweise schlafen. Die Wissenschaftler vermuten, dass eine niedrige Temperatur den Schlaf sogar maßgeblicher fördern könnte, als fehlendes Licht. Um Schlafprobleme zu vermeiden empfiehlt es sich daher im Schlafzimmer die Heizung aus zu drehen und eventuelle noch das Fenster zu öffnen, um kalte Luft hinein zu lassen.

Allerdings sind Mitglieder von vorindustriellen Kulturen meist auch körperlich viel aktiver, als wir Menschen der modernen Industriegesellschaften. Auch das könnte wesentlich zu dem besseren und erholsameren Schlaf dieser Völker beitragen (Anmerkung der Redaktion von Scimondo).

von Ute Keck

 

Originalpublikation:

Yetish et al. Natural Sleep and Its Seasonal Variations in Three Pre-industrial Societies. Current Biology, 2015. DOI: 10.1016/j.cub.2015.09.046

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