Steroid-Augentropfen lösen Grauen Star bei Mäusen auf

Hausmaus. © public domain.

Eine vierwöchige Therapie mit Steroid-haltigen Augentropfen konnte die Linsentrübung bei Mäusen deutlich vermindern. © public domain.

Ein Forscherteam hat ein weiteres Steroid entdeckt, das die Proteinaggregate bei grauem Star auflösen kann. Augentropfen mit dem nur im Blut, aber nicht im Auge natürlicherweise vorkommenden Sterol verringerten den Grauen Star bei Mäusen bereits nach vierwöchiger Behandlung deutlich. Möglicherweise könnten vergleichbare Substanzen zur Behandlung von neurologischen Erkrankungen, wie Alzheimer, Parkinson, Chorea Huntington oder Prionenerkrankungen eingesetzt werden, die mit ähnlichen Proteinaggregaten einher gehen.

Weltweit leiden etwa 20 Millionen Menschen unter einem Katarakt, einer Eintrübung der Augenlinse. Von der altersbedingten Erkrankung sind rund die Hälfte aller über 70 Jährigen betroffen. Die Proteine in den menschlichen Augenlinsen werden bereits im vier Wochen alten Embryo gebildet und müssen ein Leben lang erhalten bleiben. Denn im Laufe der Entwicklung verlieren die Faserzellen der Linse ihre Zellkerne, so dass sie keine neuen Proteinen mehr bilden können. Die meisten dieser Proteine sind Crystalline. Sie sind wasserlöslich und transparent, so dass sie den Brechungsindex der Linse erhöhen, ohne das Licht signifikant abzuschwächen. Doch damit nicht genug. Crystalline gehören auch zur Proteinfamilie der Chaperone, die verhindern, dass Proteine zu Aggregaten verklumpen. Sie binden an beschädigte oder falsch gefaltete Proteine und sorgen so über lange Zeit für eine klare und flexible Augenlinse. So ermöglichen sie den Augenmuskeln, die Linse ständig zusammen zu drücken und wieder auseinander zu ziehen, wenn wir auf unterschiedlich weit entfernte Objekte fokussieren. Doch im Laufe vieler Lebensjahre kann die Zahl der beschädigten Proteine in der Linse so stark ansteigen, dass die Crytalline mit ihrer Arbeit nicht mehr nach kommen. Dann trübt sich die Linse zunehmend ein und die Sehschärfe der Betroffenen nimmt allmählich ab.

In den westlichen Industrienationen wird die Starlinse meist durch eine Operation entfernt und durch eine Kunstlinse ersetzt. Mit dem Nachteil, dass die Betroffenen nun zwar in der Ferne wieder gut sehen können, für die Nähe jedoch eine Lesebrille benötigen. Denn die heutigen Kunstlinsen sind bisher kaum dazu in der Lage die Akkomodationsfähigkeit der natürlichen Linse zu ersetzten. Sie beträgt bei jungen Menschen bis zu 15 Dioptrien. Darüber hinaus können sich die zahlreichen Patienten der weniger betuchten Nationen die kostspielige Staroperation meist nicht leisten. Deshalb suchen Forscher seit Langem nach Möglichkeiten, die Aktivität der Crystalline medikamentös zu steigern, um die Proteinaggregate in den Linsen älterer Patienten direkt aufzulösen. Doch um ein erfolgreiches Medikament entwickeln zu können sollte sich die Aktivität des zu modifizierenden Enzyms messen lassen. Und genau da liegt das Problem der Crystalline: Sie gelten als schlechte Drug Targets, weil sich ihre Aktivität nicht gut messen lässt.

Beim grauen Star trübt sich die Linse so stark ein, dass sie oft entfernt und durch eine Kunstlinse ersetzt werden muss. Hier ein menschliches Auge. © Rakesh Ahuja. CC BY-SA 3.0

Beim grauen Star trübt sich die Linse so stark ein, dass sie oft entfernt und durch eine Kunstlinse ersetzt werden muss. Hier ein menschliches Auge. © Rakesh Ahuja. CC BY-SA 3.0

Deshalb bedienten sich Gestwicki und sein Team von der University of Michigan eines Tricks: Verklumpte Crystalline haben einen höheren Schmelzpunkt als korrekt gefaltete Cystalline. Mit Hilfe eines Thermal Shift Assays, bei dem ein Protein Licht emittiert, sobald es seinen Schmelzpunkt erreicht, suchten die Forscher nach Substanzen, die den Cystallinen wieder zu ihrer richtigen Struktur verhelfen. Für ihre Analyse setzte das Team eine Variante des Crystallin-Proteins CRYAB ein, dass aufgrund einer angeborenen Mutation eine falsche Struktur annimmt. Mit dieser defekten Proteinvariante suchten sie in einer Substanzdatenbank nach Wirkstoffen, die den Schmelzpunkt dieses CRYAB-Proteins wieder normalisieren konnte. Das durch die zugegebene Substanz in seiner Funktion wiederhergestellte Crystallin sollte dann wieder seine normale Rolle erfüllen und andere Proteine daran hindern in der Linse zu verklumpen, so die Hoffnung der Forscher.

Von den 2450 getesteten Substanzen waren zwölf Sterole dazu in der Lage, den Schmelzpunkt des CRYAB-Proteins zu erniedrigen. Für eines dieser Sterole, Lanosterol, wurde bereits vor Kurzem berichtet, dass es Linsentrübungen auflösen kann. Das Team entschied sich schließlich für die Substanz 29, ein Sterol, das natürlicherweise im Blut vorkommt. Diese Substanz soll besser löslich sein, als Lanosterol.

Um die Wirkung von Substanz 29 auf getrübte Linsen zu testen verabreichten die Forscher Mäusen mit erblichem grauen Star Augentropfen mit Substanz 29 in das rechte Auge, während sie das linke unbehandelt ließen. Die Forscher erfassten die Linsentrübung mit einer Spaltlampe, wie sie von Augenärzten benutzt wird. Bereits nach vier Wochen bildete sich die Linsentrübung deutlich zurück. Grauer Star wird nach einer Skala von null bis vier eingeordnet. Demnach verbesserte sich die Transparenz der Mäuseaugen um eine Stufe.

Vergleichbar gute Ergebnisse erzielten die Forscher bei Mäusen, die natürlicherweise einen grauen Star entwickelten. Gleiches gilt für menschliches Linsengewebe, das nach einer Staroperation entfernt worden war.

Ob Substanz 29 tatsächlich die Linsentrübungen von Grauem Star beim Menschen beseitigen kann wird sich jedoch erst in klinischen Studien am Menschen zeigen. Um Substanz 29 zu einem Medikament weiterzuentwickeln hat ein ehemaliger Mitarbeiter von Gestwicki die Firma ViewPoint Therapeutics gegründet.

Doch bis zu klinischen Studien am Menschen ist es noch ein weiter Weg. Denn die Linsen von Menschen und Mäusen oder auch Hunden, die in der Studie mit Lanosterol eingesetzt wurden, unterscheiden sich stark voneinander. Und bisher ist nicht bekannt, wie die Sterole den Rückgang der Linsentrübung bewirken.

Über die Anwendung bei eingetrübten Augenlinsen hinaus sehen die Forscher auch noch weitere Einsatzmöglichkeiten für ihre Proteinaggregate-auflösende Substanz: Denn Mutationen im CRYAB-Protein gehen auch mit neurodegenerativen Erkrankungen, wie Alzheimer und Parkinson einher. Dabei soll die defekte Chaperone-Aktivität für die Bildung der charakteristischen Proteinaggregate verantwortlich sein.

von Ute Keck

 

Orignalpublikation:

Leah N. Makley, Kathryn A. McMenimen, Brian T. DeVree, Joshua W. Goldman, Brittney N. McGlasson, Ponni Rajagopal, Bryan M. Dunyak, Thomas J. McQuade, Andrea D. Thompson, Roger Sunahara, Rachel E. Klevit, Usha P. Andley, and Jason E. Gestwicki. Pharmacological chaperone for α-crystallin partially restores transparency in cataract models. Science, 6 November 2015: 674-677 DOI: 10.1126/science.aac9145

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