Dürreresistenter Winzling mit großem Potenzial

Afrikanische Savanne. © Yoky. CC BY-SA 3.0.

Afrikanische Savanne. © Yoky. CC BY-SA 3.0.

Das winzige Gras Oropetium thomaeum ist eine Zwerg, der erstaunliches leistet: Es kann fast vollständig austrocknen, ohne Schaden zu nehmen. Wissenschaftler haben nun das Erbgut der Pflanze entschlüsselt. Gene, die den Bauplan für Schutzstoffe bei Austrocknung enthalten, liegen bei Oropetium besonders häufig vor. Sie könnten als Vorbild für die Züchtung dürreresistenter Getreide dienen, doch bis dahin ist es noch ein weiter Weg.

Das nur wenige Zentimeter winzige Gras Oropetium thomaeum ist ein wahrer Überlebenskünstler: Es ist in Ost- und Nordostafrika, Indien, Myanmar und Vietnam beheimatet und hat sich an ausgeprägte Dürre angepasst. „Diese Gras-Spezies kann bis zu 95 Prozent ihres Wassergehaltes verlieren und bleibt trotzdem überlebensfähig“, sagt  Dorothea Bartels von der Universität Bonn. „Das ist bei den Gefäßpflanzen ein Rekord!“ Bereits vor einigen Jahren hat die Biologin damit begonnen sich mit der ungewöhnliche Grasart intensiv zu befassen.

Komplettes Erbgut des ungewöhnlichen Grases entschlüsselt

Wissenschaftler des Donald Danforth Plant Science Center in St. Louis im US-Bundesstaat Missouri und ihr Team haben nun mit einer neuartigen Methode das komplette Erbgut dieses Graswinzlings entschlüsselt. Die Forscher bestimmten die Abfolge der Buchstaben des genetischen Codes, indem sie den kompletten DNA-Strang aus einzelnen Segmenten rekonstruierten. Das ist in etwa damit vergleichbar, eine zerrissene Zeitung aus ihren Schnipseln zusammenzusetzt. Sind die Fetzen besonders klein, passieren bei der Rekonstruktion häufiger Fehler, als wenn die Stücke größer sind und man eher prüfen kann, ob der über mehrere Papierschnipsel hinweglaufende Text einen Sinn ergibt.

Ganz ähnlich gingen die Wissenschaftler bei ihrer Methode vor. „Mit unserer Technologie ist es uns gelungen, viel längere Sequenzen zu entziffern als gewöhnlich. Dadurch ist unsere Entschlüsselungsmethode deutlich genauer als bislang erfolgte Sequenzierungen“, sagt Todd C. Mockler vom Donald Danforth Plant Science Center. Bartels von der Universität Bonn stellte anhand der genauen Kartierung des Oropetium-Erbguts fest, dass die dürreresistente Pflanze mit nur 28.466 proteincodierenden Genen über das kleinste bislang entzifferte Gras-Genom verfügt. Mais, Weizen und Gerste besitzen dagegen ein deutlich umfangreicheres Erbgut.

Aber das war nicht die einzige Besonderheit, die die Wissenschaftler im Erbgut des Mini-Grases entdeckten: „Sequenzen, die bestimmte Schutzstoffe codieren, kommen besonders häufig im Genom von Oropetium thomaeum vor“, berichtet Bartels. Solche Gensequenzen sind in zahlreichen Pflanzen vertreten – bei Oropetium nimmt ihre Zahl jedoch eine Spitzenposition ein. Diese Pflanze verfügt damit in ihrem Erbgut über eine wirkungsvolle Blaupause für schützende Proteine und Kohlenhydrate, die dafür sorgen, dass die empfindlichen Zellstrukturen des Grases bei starker Austrocknung keinen Schaden nehmen.

Molekulare „Bodyguards“ schützen das Gras bei Dürre

Diese Gene für molekulare „Bodyguards“ sind auch in Pflanzensamen aktiv. Eine Austrocknung bewirkt bei ihnen, dass der Keimling in Wartestellung verharrt. Sobald der Samen jedoch bei ausreichender Feuchtigkeit auskeimt, geht die Dürreresistenz wieder verloren. „Oropetium thomaeum behält diese Fähigkeit dagegen dauerhaft“, sagt Bartels. Niedere Organismen, wie Moose, Algen und Hefen können ebenfalls sehr stark austrocknen. Diese Fähigkeit verdanken sie jedoch im Wesentlichen besonders gut ausgebildeten Reparaturmechanismen. „Sie erleiden durchaus Schäden durch Dürre, können diese aber sehr schnell heilen“, erläutert die Biologin.

Als Fernziel schwebt dem Forscherteam vor, anhand des Oropetium-Erbguts noch mehr über die Mechanismen der Dürreresistenz zu erfahren und irgendwann einmal auf wichtige landwirtschaftliche Kulturpflanzen wie Mais, Gerste oder Weizen zu übertragen. „Das wird aber absehbar nicht ganz einfach“, sagt Bartels. Denn Oropetium thomaeum bezahlt seine Trockenheitsresistenz mit Kleinwüchsigkeit – und die ist in der ertragsorientierten Landwirtschaft nicht gefragt. Außerdem sind in dem Graswinzling viele verschiedene Gene an der Widerstandskraft gegen Dürre beteiligt. „Die Pflanzenzüchtung steht damit vor einer großen Herausforderung“, betont die Forscherin.

Universität Bonn, 12.11.2015

 

Originalpublikation:

Single-molecule sequencing of the desiccation tolerant grass Oropetium thomaeum, Nature, DOI: 10.1038/nature15714

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