Der lange Arm des Parasiten: Bandwurm verändert Verhalten von Ameisenkolonie

Braune, gesunde und gelbe, infizierte Ameise der Art Temnothorax nylanderi. © Susanne Foitzik.

Braune, gesunde und gelbe, infizierte Ameise der Art Temnothorax nylanderi. © Susanne Foitzik.

Ameisen werden recht oft von Parasiten befallen. So werden sie etwa von Bandwürmern als Zwischenwirt genutzt, um dort einen Teil ihrer Entwicklung zu vollziehen, bevor sie ihren Lebenszyklus im Hauptwirt vollenden. Wissenschaftler haben nun entdeckt, dass sich der Einfluss des Parasiten sich nicht nur auf infizierte Ameisen beschränkt, sondern auch nicht infizierte Nestgenossen betrifft. So geht etwa die Angriffslust einer gesamten Ameisenkolonie zurück, wenn ein Teil der Tiere von Bandwürmern befallen ist.

Die Ameisenart Temnothorax nylanderi ist in Westeuropa beheimatet und lebt hier verborgen am Waldboden. Eicheln oder Totholz dienen ihnen dort als Niststätten. Die winzigen Tierchen werden nur zwei bis drei Millimeter groß und bilden Kolonien von nur 50 bis 200 Tieren. Sie dienen dem Bandwurm Anomotaenia brevis als Zwischenwirt, der die Ameisen im Larvenstadium befällt und sich in ihrem Darm ansiedelt. Infizierte Ameisen sind gelb und unterscheiden sich damit deutlich von ihren vorwiegend braunen, gesunden Artgenossen. Sie verhalten sich meist passiv und bleiben im Nest, wo sie sich kaum an sozialen Aufgaben wie der Brutpflege beteiligen. Um seinen Lebenszyklus zu vollenden, muss der Bandwurm dafür sorgen, dass die Ameise, in der er befindet von seinem Hauptwirt, einem Specht, gefressen wird. Im Lennebergwald, einem 700 Hektar großen Waldgebiet nordwestlich von Mainz, sind rund ein Drittel aller Ameisennester befallen, wobei jeweils rund 13 Prozent der Tiere infiziert sind.

„Die Parasiten haben faszinierende Strategien entwickelt, um ihre eigenen Interessen zu verfolgen und sich zum Beispiel besser zu vermehren“, erklärt Susanne Foitzik von der Universität Mainz. „Sie versuchen dabei die Ameisen so zu beeinflussen, dass die Wahrscheinlichkeit, von einem Specht gefressen zu werden, steigt.“ Dies gelingt ihnen im Falle von Temnothorax nylanderi durch verschiedene Strategien: Befallene Ameisen, so ein Ergebnis der neuen Studie, leben länger als ihre nicht befallenen Nestgenossen. „Möglicherweise ist die längere Lebensdauer eine Folge veränderter Genregulation, vielleicht aber auch ein Ergebnis der besseren Fütterung, die infizierte Tiere genießen“, erklärt Sara Beros. Darüber hinaus fliehen die infizierten Tiere weniger schnell bei einer simulierten Spechtattacke. Sehr zum Vorteil des Parasiten: Denn so erhöhen sich seine Chancen massiv gefressen zu werden.

Bandwurm Anomotaenia brevis in seinem Larvenstadium, wie es in der Ameise vorkommt. © Susanne Foitzik

Bandwurm Anomotaenia brevis in seinem Larvenstadium, wie es in der Ameise vorkommt. © Susanne Foitzik

„Den langen Arm des Parasiten“ haben die Autoren der Studie schließlich den Effekt genannt, dass der Bandwurm nicht nur die befallenen Ameisen, sondern auch die nicht befallenen Nestgenossen manipuliert. Zum einen haben die Nestgenossen eine kürzere Lebenserwartung und zwar nicht nur im Vergleich mit den befallenen Tieren sondern auch im Vergleich mit anderen Ameisen aus nicht infizierten Kolonien. Das geht vermutlich auf die Doppelbelastung dieser Tiere zurück, die sowohl für die infizierten Tiere sorgen und als auch auf deren Arbeitskraft verzichten müssen. Zum anderen verhält sich eine befallene Kolonie weniger aggressiv gegenüber Eindringlingen eine Nachbarkolonie. Die Wissenschaftler vermuten, dass dies durch den veränderten Geruch der infizierten Tiere hervorgerufen wird. Denn die Mitglieder eines Nestes erkennen sich normalerweise an ihrer charakteristischen Duftnote. Wird diese durch andere Gerüche überdeckt, ändert sich die Abwehrbereitschaft aller Nestmitglieder gegenüber Eindringlingen.

Universität Mainz, 18.11.2015

 

Originalpublikation:

S. Beros et al., The parasite’s long arm: a tapeworm parasite induces behavioural changes in uninfected group members of its social host, Proceedings of the Royal Society B 282:1819, 18. November 2015,
DOI:10.1098/rspb.2015.1473

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