Ballaststoffarme Ernährung dezimiert Darmflora

Obst und Gemüse enthalten viele Ballaststoffe, die unsere Darmflora bei Laune halten. © gemeinfrei.

Obst und Gemüse enthalten eine Menge Ballaststoffe, die unsere Darmflora bei Laune halten. © gemeinfrei.

In einem gesunden Dickdarm tummeln sich eine Vielzahl verschiedener Bakterienarten. Diese Vielfalt schützt uns vor Darmerkrankungen, indem sie verhindert, dass krankmachende Keime die Oberhand gewinnen. Eine ballaststoffarme Kost, wie sie in den Industrieländern weit verbreitet ist, könnte diese Artenvielfalt stark beeinträchtigen, wie eine Studie an Mäusen nun nahe legt. Mehr noch: Wird diese ballaststoffarme Kost über vier Generationen beibehalten, so geht die Mehrzahl der den Darm normalerweise besiedelnden Bakterienstämme auf Dauer verloren. Wie die Stanford University berichtet.

Seit Mitte des 20ten Jahrhunderts ernährt sich ein Großteil der Bevölkerung in den Industrieländern von einer extrem ballaststoffarmen Kost. Sie enthält mit 15 Gramm pro Tag nur noch rund ein Zehntel der Ballaststoffe, die unsere bäuerlichen Vorfahren zu sich nahmen oder wie es für Jäger und Sammler Völker typisch ist. Diese ursprünglich als nutzlos betrachteten Stoffe (daher der Name) stellen jedoch eine Hauptnahrungsquelle für unsere Darmbakterien dar. Darüber hinaus regen sie die Darmtätigkeit an. Die meisten Ernährungsexperten sind sich darin einig, dass eine ballaststoffarme Ernährung problematisch ist.

...aber auch Getreide und dessen Produkte, wie Brot und Backwaren enthalten viele Ballaststoffe. © Klaus Höpfner. CC BY-SA 3.0

Aber auch Getreide und deren Produkte, wie Brot und Backwaren enthalten viele Ballaststoffe. Vor allem Vollkornprodukte sind reich daran. © Klaus Höpfner. CC BY-SA 3.0

Denn die Tausende von verschiedenen Bakterienarten, die sich in einem gesunden Darm tummeln haben vielfältige Aufgaben: Sie helfen uns dabei Krankheitskeime in Schach zu halten und unser Immunsystem zu trainieren. Versorgen uns mit wichtigen Vitaminen wie Thiamin, Riboflavin, Pyridoxin, B12 und K. Und unterstützen unsere Verdauung. Beim Abbau von Ballaststoffen bilden sie kurzkettige Fettsäuren, wie Buttersäure, Essigsäure und Propionsäure. Dadurch verschiebt sich der pH-Wert ins Saure, so dass Samonellen und andere pathogene Keime sich dort nicht mehr wohl fühlen. Aber die Buttersäure erfüllt darüber hinaus auch noch andere Aufgaben: sie dient den Darmepithelzellen als Energiequelle und bringt den Darm in Schwung, indem sie die Darmperistaltik anregt.

Eine der wichtigsten Quellen für unsere Darmflora ist in unserer Kindheit zunächst unsere Familie, insbesondere der direkte Kontakt zur Mutter. Später lesen wir die winzigen Mitbewohner unseres Darms überall dort auf, wo wir uns aufhalten.

Eine Vielzahl verschiedener Studien ist zu dem Ergebnis gekommen, dass noch heute lebende Jäger und Sammler Völker, aber auch die ländliche Bauernbevölkerung über eine wesentlich größere Artenvielfalt an Darmbakterien verfügt, als Städter, die in Industrienationen leben. Obwohl diese, unserer ursprünglichen Ernährungsweise treu gebliebenen Menschen in den unterschiedlichsten Regionen der Welt leben, finden sich in ihrem Darm viele Bakterienarten, die bei uns bereits verschwunden sind.

Über die Gründe für diesen Verlust der Artenvielfalt ist viel spekuliert worden: Sie reichen von dem übermäßigen Gebrauch von Antibiotika, über die weite Verbreitung von Kaiserschnitten bis zum Rückgang des Stillens von Säuglingen. So geht man etwa davon aus, dass bei der Geburt und beim Stillen wichtige Keime von der Mutter auf das Baby übertragen werden.

© Pogrebnoj-Alexandroff. CC BY-SA 3.0.

© Pogrebnoj-Alexandroff. CC BY-SA 3.0.

Bereits nach sieben Wochen gravierende Auswirkungen

Justin und Erica Sonnenburg von der Stanford University School of Medcine stellten sich deshalb die Frage, ob nicht eine ballaststoffarme Ernährung alleine für den Rückgang der Artenvielfalt in unserem Darm verantwortlich sein könnte. Für ihre Versuche setzten die Forscher zehn junge Mäuse ein, die unter sterilen Bedingungen aufgezogen wurden, so dass sie keine Darmbakterien besaßen. Die Därme dieser Mäuse besiedelten sie mit den Bakterien eines menschlichen Spenders und teilten die Tiere in zwei Gruppen ein: Die eine Gruppe fütterten sie mit einer an pflanzlichen Ballaststoffen reichen Diät. Während die andere eine ballaststoffarme Kost vorgesetzt bekam. Ansonsten war die Menge an Proteinen, Fett und Kalorien bei beiden Gruppen gleich. Anschließend untersuchten die Forscher über den Kot die Darmbakterien. Anfangs unterschieden sich die beiden Gruppen nicht. Bei der Kontrollgruppe wiesen sie 213 verschiedene Bakterienarten und bei der Testgruppe 208 nach. Doch das sollte sich bald ändern: Bereits nach sieben Wochen war die Anzahl von 60% der Darmbakterien bei den Testmäusen um 75% gesunken. Manche ließen sich sogar überhaupt nicht mehr nachweisen. Bei der Kontrollgruppe dagegen gingen nur 11% der Bakterienarten zurück.

Danach fütterten die Forscher die Testmäuse vier Wochen lang wieder mit einer ballaststoffreichen Diät. Im Lauf dieser Zeit erholte sich die Population ihrer Darmbakterien wieder und manche Art, die zuvor nicht nachweisbar war tauchte wieder auf. Doch für ein Drittel der Arten kam diese Erholungsphase zu spät. Ihre Anzahl bleib auch nach vier Wochen gleich niedrig oder ließ sich gar nicht nachweisen. Bei den Kontrollmäusen konnten die Forscher keine vergleichbaren Veränderungen feststellen.

Massiver Generationeneffekt

Doch die größte Überraschung erlebten die Forscher, als sie die Mäuse, die mit einer ballaststoffarmen Diät vorlieb nehmen mussten über mehrere Generationen hinweg beobachteten. Bei Tieren, die ihre Darmbakterien nur durch den Kontakt mit ihren Eltern vermittelt bekamen nahm die Artenvielfalt mit jeder Generation merklich ab. Bei der vierten Generation war die Artenvielfalt im Vergleich zur ersten Generation auf ein Viertel gesunken. Ließ man diese Mäuse wieder ballaststoffreiches Futter fressen, so blieben dennoch zwei Drittel der Bakterienarten, die sich noch im Darm ihrer Urgroßeltern getummelt hatten unwiederbringlich verloren.

Übertrugen die Forscher dagegen die Darmbakterien der vierten Mäusegeneration der Tiere, die ständig mit einer ballaststoffreichen Diät gefüttert worden waren auf die Tiere mit den hohen Bakteriendefiziten, so erholten diese sich schnell wieder: Zehn Tage nach der Stuhltransplantation und einer Umstellung auf ballaststoffreiches Futter war die Artenvielfalt bei ihnen genauso hoch, wie bei den Kontrollmäusen, die ständig nur ballaststoffreiche Nahrung gefressen hatten.

Sollten diese Ergebnisse auf den Menschen übertragbar sein, so ist zu befürchten, dass die Artenvielfalt unser Darmflora im Laufe von mehreren Generationen unwiederbringlich dezimiert könnte, wenn wir weiterhin zu wenige Ballaststoffe zu uns nehmen. Zwar könnten manche Arten aus Quellen in unserer Umwelt, wie etwa aus dem Erdboden, bei der Gartenarbeit, wieder ersetzt werden. Doch ob wir dabei per Zufall gerade die richtigen Bakterien erwischen, bleibt fraglich. Besser wäre sicher, seine „netten“ Mitbewohner im Darm mit Hilfe von eine paar Ballaststoffen bei Laune zu halten, damit bösartige Keime nicht die Oberhand gewinnen.

von Ute Keck, 21.01.2016

Originalpublikation

E.D. Sonnenburg et al., Diet-induced extinctions in the gut microbiota compound over generations, Nature, doi: 10.1038/nature16504, 2016.

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