Gewaltiges Ozonloch im Frühjahr befürchtet

Perlmuttwolke © Markus Rex

Perlmuttwolken bestehen aus Kristallen, die Schwefelsäure oder Salpetersäure enthalten. Bei extrem tiefen Temperaturen bildet sich um die Säurekristalle ein Eismantel. An den Oberflächen der Kristalle kommt es zu chemischen Reaktionen, die zum Ozonabbau in der Stratosphäre führen. © Markus Rex

Derzeit deutet die Wetterentwicklung in der Arktis darauf hin, dass im Frühjahr ein großes Ozonloch droht. Wie Forscher beobachtet haben, gab es in den letzten Wochen eine extreme Kälteperiode in der arktischen Stratosphäre. Das sind ideale chemische Bedingungen für die Bildung eines großen Ozonlochs im März und April über der Arktis. Nur eine deutliche Erwärmung in den nächsten Wochen könnte diesen Prozess noch aufhalten.

„In rund 20 Kilometern Höhe über der Arktis ist die Luft seit Wochen bis zu minus 90 Grad Celsius kalt“, berichtet die Atmosphärenforscherin Marion Maturilli vom Alfred-Wegener-Institut. „Über unserer Arktis-Forschungsstation auf Spitzbergen lag die mittlere Temperatur in der Stratosphäre seit Anfang Dezember acht Grad Celsius unter dem langjährigen Mittel und zwei Grad Celsius unter dem bisherigen Minimum. Das sind beste Voraussetzungen für einen späteren Ozonabbau.“

Abgebaut wird die Ozonschicht durch die Fluorchlorkohlenwasserstoffen, die wir Menschen in den letzten Jahrzehnten in großen Mengen freigesetzt haben. Deren Abbauprodukte entfalten ihre fatale Wirkung besonders nach längeren Perioden extremer Kälte.

Start einer Ozonsonde an einem hochfliegenden Startosphärenballon. Koldewey-Station, Spitzbergen.

Start einer Ozonsonde an einem hochfliegenden Startosphärenballon.
Koldewey-Station, Spitzbergen. © AWI

Solche extremen Kältephasen kommen normalerweise nur in den antarktischen Wintern vor. Weshalb sich über der Antarktis im Frühjahr regelmäßig ein Ozonloch bildet. „In der Arktis dagegen sind die Temperaturen in der Stratosphäre normalerweise höher und sehr viel variabler und der Ozonabbau ist daher im Normalfall begrenzt. Schwere Ozonverluste gibt es hier nur nach Zeiten mit besonders tiefen Temperaturen, wie wir sie bisher ganz selten erlebt haben – zum Beispiel nach dem kalten stratosphärischen Winter 2010/2011. Damals hat der Ozonabbau erstmals auch über der Nordhemisphäre zu einem ausgeprägten Ozonminimum geführt“, sagt Markus Rex, Koordinator des Europäischen Forschungsprojekts StratoClim, das die Lage in der Arktis zur Zeit täglich beobachtet.

Ursache ist ein stabiler Tiefdruckwirbel

Laut Modellrechnungen der Forscher übertreffen vermutlich bereits jetzt die chemischen Bedingungen in der arktischen Stratosphäre das Ozonzerstörungspotenzial aus dem Winter 2010/2011 . „Die Luftmassen mit diesen ungewöhnlichen Bedingungen sind derzeit in einem großen Tiefdruckwirbel hoch über der Arktis eingeschlossen. Bis Mitte Februar wird dort bereits mehr als ein Viertel des Ozons zerstört worden sein. Das Nachströmen von Ozon ist derzeit ebenfalls gering und es hat sich bereits ein Ozonminimum über der Arktis ausgebildet. Der Ozonabbau wird dann noch an Fahrt gewinnen, wenn intensiveres Sonnenlicht nach Ende der Polarnacht auf den Tiefdruckwirbel trifft“, so Markus Rex. „Sollte der Wirbel bis tief in den Monat März hinein Bestand haben, muss mit weiterer Vertiefung des Ozonminimums gerechnet werden. Bricht der Wirbel jedoch zuvor auf, vermischen sich die Luftmassen ausreichend mit frischer Luft aus niedrigeren Breiten und die Arktis schrammt an einem neuen Rekordozonabbau vorbei“, erklärt der Forscher.

Ob der Wirbel rechtzeitig aufbricht, lässt sich derzeit noch nicht sagen. Sollte sich ein großes Ozonloch bilden, könnte es jedoch auch Mitteleuropa erreichen. Um den Ozonverlust genau zu beobachten, lässt das StratoClim Konsortium, zusammen mit weiteren internationalen Partnern, seit Wochen in einem Netzwerk von 30 Beobachtungsstationen Hunderte Ozonsonden in die Stratosphäre aufsteigen. Anfang April sind darüber hinaus Messflüge mit einem Höhenforschungsflugzeug in die arktische Stratosphäre geplant.

Start einer Ozonsonde vor der Ballonhalle der AWIPEV-Station in Ny-Alesund auf Spitzbergen. © Juergen Graeser, Alfred-Wegener-Institut

Start einer Ozonsonde vor der Ballonhalle der AWIPEV-Station in Ny-Alesund auf Spitzbergen. © Juergen Graeser, Alfred-Wegener-Institut

Abkühlung der Stratosphäre als Folge des globalen Klimawandels

„Wir erwarten generell eine Abkühlung der Stratosphäre als Folge des globalen Klimawandels. Die Mechanismen, welche die Temperaturen der arktischen Stratosphäre regulieren, sind jedoch kompliziert und nicht vollständig verstanden. Ob die Rekordkälte der letzten Wochen in Zusammenhang mit dem Klimawandel steht, ist daher noch Gegenstand aktueller Forschung“, sagt Markus Rex.

Die Produktion der ozonzerstörenden FCKWs ist mittlerweile durch das Montrealer Protokoll weltweit verboten. Daher rechnet man bis Ende des Jahrhunderts mit einer vollständigen Erholung der Ozonschicht. „Die derzeitige ungewöhnliche Lage in der Arktis ändert diesen positiven Ausblick aber nicht, selbst wenn es in diesem Frühjahr zu einem Rekordozonverlust über der Arktis kommen sollte“, so Markus Rex.

Damit könnte sich das Montrealer Protokoll als eines der erfolgreichsten internationalen Verträge zum Schutz der globalen Umwelt erweisen. Aber: „Leider lassen sich die bereits freigesetzten FCKW aber nicht aus der Atmosphäre entfernen und der natürliche Reinigungsprozess in den Luftschichten ist sehr langsam. Während der nächsten ein bis zwei Jahrzehnte bleibt die arktische Stratosphäre daher nach ungewöhnlichen Kälteperioden sehr anfällig für schwere Ozonverluste“, erläutert der Experte.

StratoClim (Stratospheric and upper tropospheric processes for better Climate predictions) ist ein von der EU über die Dauer von fünf Jahren gefördertes Forschungsprojekt zur Untersuchung von Änderungen der chemischen Zusammensetzung in der Stratosphäre und oberen Troposphäre. Das Konsortium von 28 europäischen Forschungsinstituten wird durch das Alfred-Wegener-Institut koordiniert. Die Projektergebnisse sollen die Darstellung von Schlüsselprozessen der Atmosphäre in globalen Klimamodellen optimieren helfen und auf diese Weise das Verständnis des Klimawandels und der ökologischen- und sozio-ökonomischen Auswirkungen verbessern.

Alfred-Wegener-Institut, 10. Februar 2016

Berechnungen zum arktischen Ozonverlust des Forschungszentrums Jülich

 

Originalpublikation:

Record ozone hole may open over Arctic in the spring. Science. DOI:10.1126/science.aaf4033

 

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