Die Vorteile der daheim gebliebenen

Männchen, die zu Hause bleiben, gelten bei Forschern oft als weniger fit, als solche, die sich einem neuen Rudel anschließen. Doch das stimmt so nicht, zumindest nicht für Tüpfelhyänen. Laut einer neuen Studie können sogenannte Nesthocker genauso viele Nachkommen zeugen wie ihre abenteuerlustigen, abwandernden Geschwister. Ob es sinnvoller ist, sich auf Wanderschaft zu begeben oder zu Hause zu bleiben, hängt demnach davon ab, wie viele junge, nicht mit den Männchen verwandte Weibchen ein Rudel umfasst.

Tüpfelhyänen. © Eve Davidian

Tüpfelhyänen. © Eve Davidian

Tüpfelhyänen leben in Gruppen, die von den Weibchen dominiert werden und über sehr komplexe Sozialstrukturen verfügen. Durch besondere anatomische Merkmale ihrer Geschlechtsorgane kontrollieren die Weibchen der Tüpfelhyänen darüber, mit wem sie sich paaren. Dabei haben sie klare Vorstellungen davon, welche Männchen die Väter ihrer Jungen werden sollen: jüngere Weibchen bevorzugen Partner, die erst nach ihrer eigenen Geburt geboren wurden oder sich ihrem Clan erst später angeschlossen haben. Auf diese Weise vermeiden sie Inzucht mit verwandten Tieren, insbesondere mit ihrem Vater und älteren Brüdern. Ältere Weibchen wählen darüber hinaus gerne Männchen, die schon lange zu ihrem Clan gehören, vorausgesetzt sie erfüllen die erste Regel. Die Wahl der Gruppe und die Chancen, sich fortzupflanzen, hängen stark von diesen Regeln der Damenwahl ab.

Bei den meisten Säugetieren bleibt ein Teil der Männchen in der Gruppe, in der es geboren wurde und ein anderer Teil wandert ab, um sich einem fremden Rudel anzuschließen und sich dort fortpflanzen. Bei vielen Forschern gelten Nesthocker als Verlierertypen, die weniger fit sind und deshalb auch weniger Nachkommen zeugen. Das soll daran liegen, dass nur die Besten dazu in der Lage sind die zusätzlichen Risiken einer Abwanderung zu meistern.

Portrait einer Tüpfelhyäne. © Appaloosa. CC BY 3.0

Portrait einer Tüpfelhyäne. © Appaloosa. CC BY 3.0

Forscher am Leibniz-Institut für Zoo und Wildtierforschung (IZW) konnten nun durch mehrjährige Beobachtungen zeigen, dass bei der in Gruppen lebenden Tüpfelhyäne zu Hause gebliebene Männchen und Abwanderer bei den Weibchen ähnlich erfolgreich sind. Darüber hinaus scheint die Entscheidung darüber, ob es besser ist abzuwandern oder zu Hause zu bleiben, das Ergebnis eines individuellen Prozesses zu sein. Dabei scheinen die Männchen zu überlegen, in welcher Gruppe sie sich am besten fortpflanzen können. Ob ein junges Männchen zu Hause bleibt oder abwandert, hängt wohl in erster Linie davon ab, ob die Geburtsgruppe oder eine andere Gruppe mehr junge Weibchen enthält, die nicht mit ihm verwandt sind.

Abwanderung ist ein Schlüsselfaktor bei ökologischen und evolutionären Prozessen. Bisher war jedoch nicht klar, warum manche Tiere eines Wurfes abwandern und andere nicht. Um diese Frage zu klären beobachteten die Forscher 20 Jahre lang die gesamte Tüpfelhyänenpopulation des Ngorongoro-Kraters in Tansania. Dazu verfolgten sie die demographische Entwicklung der acht Clans und verknüpften sie mit ihren Kenntnissen darüber, welche der über 250 Hyänenmännchen abwanderten, welcher Gruppe sie sich anschlossen, welche Tiere zu Hause blieben, wie lange alle Männchen lebten und wie erfolgreich sie sich fortpflanzten.

Tüpfelhyänen fressen ein Impala.© JerryFriedman. CC BY-SA 3.0.

Tüpfelhyänen fressen ein Impala.© JerryFriedman. CC BY-SA 3.0.

Welche Gruppe die meisten jungen Weibchen enthält, mit denen sich ein junges Männchen paaren könnte hängt vom Zufall und von Umwelteinflüssen ab. Bei einer Population, bei der es mehr als zwei Gruppen gibt verfügt die Geburtsgruppe seltener über die größte Zahl junger Weibchen, mit denen ein Männchen nicht direkt verwandt ist. Wie erwartet, wanderten denn auch die meisten Hyänenmännchen im Ngorongoro-Kraters aus ihrer Geburtsgruppe ab. Insgesamt blieben jedoch mehr Männchen zu Hause, als aufgrund der Verteilung der jungen Weibchen zu erwarten war. Dies deutet darauf hin, dass Nesthocker Vorteile genießen.

Tüpfelhyäne mit zwei Jungen. © Budgiekiller. CC BY-SA 2.5

Tüpfelhyäne mit zwei Jungen. © Budgiekiller. CC BY-SA 2.5

Ursache für Vorteile der Nesthocker

Bei der matriarchalischen Sozialstruktur der Tüpfelhyänen beeinflussen Weibchen den Wettbewerb der Männchen. Dabei unterstützen die Mütter ihre zu Hause gebliebenen Söhne und sorgen dafür, dass sie innerhalb der Rangfolge der Männchen einen hohen sozialen Status erreichen. Dadurch haben die Nesthocker einen besonders guten Zugang zu Futter. Das wiederum verschafft ihnen mehr Zeit gute Beziehungen zu den Weibchen aufzubauen. In der Folge zeugen Nesthocker ihre ersten Nachkommen früher als Abwanderer und paaren sich fast ausschließlich mit ranghohen Weibchen. Und dies wiederum sind genau die Weibchen, die ihre Jungen besonders erfolgreich groß ziehen. Damit wies die Studie zum ersten Mal für ein in Gruppen lebendes Säugetier nach, dass Nesthocker mindestens genauso erfolgreich sein können wie Abwanderer.

Leibniz Institut für Zoo- und Wildtierforschung, 21.03.2016

Originalpublikation:

Davidian E, Courtiol A, Wachter B, Hofer H, Höner OP (2015): Why do some males choose to breed at home when most other males disperse? SCIENCE ADVANCES 2016; doi: 10.1126/sciadv.1501236

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