Der Arktis droht ein Meereseisverlust wie im Negativrekordjahr 2012

Arktisches Meereis Arktisches Meereis in der Framstraße. Das Foto entstand während einer Polarstern-Expedition im Jahr 2012. Foto: Sebastian Menze, Alfred-Wegener-Instut

Arktisches Meereis
Arktisches Meereis in der Framstraße. Das Foto entstand während einer Polarstern-Expedition im Jahr 2012. Foto: Sebastian Menze, Alfred-Wegener-Instut

Meereisphysiker erwarten für den Sommer 2016 ähnlich wenig Meereseis im Arktischen Ozean, wie im Negativrekordjahr 2012. Das vermuten die Forscher, nachdem sie aktuelle Satellitendaten zur Dicke der Eisdecke ausgewerten. Demnach war das arktische Meereseis bereits im Sommer 2015 ausgesprochen dünn. Zudem hat sich im letzten Winter besonders wenig neues Eis gebildet. Meereseisexperte Marcel Nicolaus präsentierte diese aktuellen Forschungsergebnisse heute auf einer Pressekonferenz im Rahmen der Jahrestagung der European Geosciences Union in Wien.

Die Sommerausdehnung des arktischen Meereseises einige Monate im Voraus vorherzusagen, gehört zu den großen Herausforderungen der modernen Polarforschung. Der Grund: Letztendlich entscheiden die Windverhältnisse sowie die Luft- und Wassertemperatur der Sommermonate über das Schicksal des Eises bis zum Ende der Schmelzsaison. Im vorausgegangenen Winter werden jedoch die Grundlagen dafür gelegt – und diese sehen im Frühjahr 2016 so schlecht aus wie im Negativrekordjahr 2012. Damals war die arktische Meereseisfläche auf ein Rekordminimum von 3,4 Millionen Quadratkilometer geschrumpft.

Darstellung der CryoSat-2-Meereisdickendaten für den Monat Februar 2016. Grafik: Alfred-Wegener-Institut/Stefan Hendricks

Darstellung der CryoSat-2-Meereisdickendaten für den Monat Februar 2016.
Grafik: Alfred-Wegener-Institut/Stefan Hendricks

„Der besonders warme Winter in der Arktis hat dazu geführt, dass sich in vielen Gebieten nur sehr langsam neues Meereseis gebildet hat. Vergleichen wir die Meereseisdickenkarte des zurückliegenden Winters mit jener aus dem Jahr 2012, dann zeigt sich, dass wir derzeit ähnliche Eisbedingungen vorfinden wie im Frühjahr 2012 – teilweise sogar deutlich dünneres Eis“, sagte Meereisphysiker Marcel Nicolaus von Alfred Wegener Institut heute auf einer Pressekonferenz im Rahmen der Jahrestagung der European Geosciences Union (EGU) in Wien.

Er und sein Kollege Stefan Hendricks hatten für ihren Meereseisausblick die Eisdickenmessungen des Satelliten CryoSat-2 aus den zurückliegenden fünf Wintern ausgewertet. Wichtige Anhaltspunkte lieferten zudem sieben autonome Schneebojen, welche die Forscher im vergangenen Herbst auf Eisschollen im Arktischen Ozean platziert hatten. Die Bojen messen zusätzlich zur Höhe der Schneedecke auf dem Meereseis auch die Lufttemperatur und den Luftdruck. Ein Vergleich ihrer Temperaturdaten mit den Langzeitmessungen auf Spitzbergen ergab, dass es zum Beispiel im Februar 2016 in der zentralen Arktis bis zu acht Grad Celsius wärmer war als im Durchschnitt.

Diese Karte zeigt, in welchen Regionen der Arktis die Meereisdicke im Febru- ar 2016 dünner (blau) oder dicker (rot) war im Vergleich zum Februar 2012. Grafik: Alfred-Wegener-Institut/Stefan Hendricks

Diese Karte zeigt, in welchen Regionen der Arktis die Meereisdicke im Febru-
ar 2016 dünner (blau) oder dicker (rot) war im Vergleich zum Februar 2012.
Grafik: Alfred-Wegener-Institut/Stefan Hendricks

 

Meereseis ist im Winter nicht geschmolzen, nur langsamer gewachsen

Entgegen eines anderslautenden Berichtes US-amerikanischer Forscher führte diese Wärme jedoch nicht dazu, dass die Meereseisdecke im Laufe des Winters in einigen Regionen dünner geworden ist. „Unsere Bojendaten aus diesem Frühjahr belegen, dass diese warme Winterluft nicht ausgereicht hat, um den auf dem Meereseis liegenden Schnee, geschweige das Eis selbst zu schmelzen“, so Marcel Nicolaus. Das arktische Meereseis sei im zurückliegenden Winter nur viel langsamer gewachsen als die Wissenschaftler dies erwartet hatten.

In ehemals eisreichen Gebieten wie dem Beaufortwirbel vor der Küste Alaskas sowie in der Region nördlich Spitzbergens ist das Meereseis in diesem Frühjahr deutlich dünner als sonst zu dieser Jahreszeit . „Wo das Festeis nördlich Alaskas normalerweise 1,5 Meter dick ist, messen unsere US-amerikanischen Kollegen derzeit weniger als einen Meter. Derart dünnes Eis wird der Sommersonne nicht lange standhalten können“, sagte Meereisphysiker Stefan Hendricks.

Arktische Meeresströmung wird bis zum Herbst viel dickes Packeis davontragen

Mit Blick auf die CryoSat-2-Meereseisdickenkarte dieses Frühjahres erklärte Stefan Hendricks außerdem: „Die als Transpolardrift bekannte Meeresströmung im Arktischen Ozean wird in den kommenden Monaten einen Großteil des dicken und mehrjährigen Eises, welches wir heute noch vor der Nordküste Grönlands und Kanadas finden, über die Framstraße in den Nordatlantik führen. Auf diese dicken Schollen folgt dann dünnes Eis, welches im Sommer schneller schmilzt. Es deutet demzufolge alles darauf hin, dass das Gesamtvolumen des arktischen Meereseises im kommenden Sommer deutlich abnehmen wird und wir bei ungünstigen Witterungsbedingungen gegebenenfalls mit einem neuen Rekord-Minimum rechnen müssen“, sagte Stefan Hendricks.

Der Eisverlust wird nach Auskunft der Forscher voraussichtlich so groß ausfallen, dass alle Zuwächse, welche die Forscher in den relativ kalten Wintern der Jahre 2013 und 2014 verzeichnet hatten, wieder zunichte gemacht werden. Schon im Spätsommer 2015 hatten die Forscher eine deutliche Abnahme der Meereseisdicke beobachtet, auch wenn die Gesamtfläche des Septemberminimums am Ende rund eine Million Quadratkilometer über dem Rekordminimum 2012 lag. Der außergewöhnlich warme Winter habe nun seinen Teil dazu beigetragen, dass sich der dramatische Rückgang des arktischen Meereseises voraussichtlich auch im Jahr 2016 fortsetzen wird.

Die Meereisphysiker berichten regelmäßig im Onlineportal www.meereisportal.de über die aktuellen Entwicklungen des arktischen und antarktischen Meereseises. Dort stellen sie auch alle CryoSat-2-Eisdickenkarten sowie die Messreihen der Schneebojen zur Verfügung.

Alfred-Wegener-Institut, 21. April 2016

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