Winzige Bestandteile in Pollen verstärken Allergien

Sandbirke (Betula pendula) © Willow. CC BY-SA 3.0.

Sandbirke (Betula pendula) © Willow. CC BY-SA 3.0.

Die Erforschung von Pollenallergien beschränkte sich lange nur auf die Allergene, jene Bestandteile der Pollen, die eine Überempfindlichkeitsreaktionen auslösen. Wenn Pollen auf die Nasenschleimhaut treffen, setzen sie jedoch neben Allergenen noch zahlreiche andere Stoffe frei. Nun haben Forscher untersucht, wie diese Substanzen auf Allergiker wirken. Den Ergebnissen zufolge spielen nicht-allergene Bestandteile von Pollen eine wesentliche Rolle bei der Immunreaktion des Körpers. Das könnte ein Grund dafür sein, warum bisherige Hyposensibilisierungen nicht immer erfolgreich sind. Abhilfe für dieses Problem könnten reine, biotechnologisch hergestellte Allergene bieten.

Im April und Mai machen Birkenpollen vielen Menschen das Leben schwer. Wichtigster Auslöser der Abwehrreaktion ist ein Protein namens Bet v 1, das Hauptallergen der Birke. Für ein Forscherteam um Claudia Traidl-Hoffmann von der Technischen Universität München steht jedoch nicht das Allergen im Mittelpunkt. Vielmehr filterten sie die Stoffwechselprodukte von Birkenpollen für ihre Untersuchungen so, dass nur noch die nicht-allergenen, niedermolekularen Substanzen in dem Extrakt enthalten waren, also besonders kleine Moleküle.

Für ihre Studie testeten die Forscher einerseits eine Kombinationen verschiedener Allerge mit niedermolekularen Substanzen mit einem Prick-Test auf der Haut von Pollen-Allergikern. Andererseits ließen sie Testpersonen einige der Mischungen über die Nase einatmen.

Das Ergebnis war eindeutig: in beiden Fällen war die Reaktion deutlich stärker, wenn nicht nur das Allergen alleine, sondern auch die niedermolekularen Substanzen verabreicht wurden. Wobei die Rötungen und Quaddeln besonders stark ausfielen, wenn ein Gemisch in die Haut eingebracht wurde. Wurde die Mischung dagegen über die Nase aufgenommen, führte sie zu einer starken Schleimbildung und der Körper bildete zahlreiche Antikörper. Die niedermolekularen Substanzen alleine waren dagegen nicht in der Lage bei Allergikern eine Wirkung hervorzurufen.

Niedermolekulare Substanzen auch an anderen Pollenallergien beteiligt

Doch die niedermolekularen Bestandteile der Birkenpollen wirkten nicht nur bei Birken-Allergikern. Sondern auch bei Menschen, die gegen Gräserpollen allergisch waren und das entsprechende Allergen in Kombination mit dem niedermolekuren Birkenpollen-Extrakt über die Nase einatmeten. Das liegt vermutlich daran, dass viele der niedermolekularen Substanzen auch in anderen Pollen enthalten sind. „Die entzündliche Wirkung der niedermolekularen Bestandteile ist ein unspezifischer Effekt, der nicht mit einem bestimmten Allergen zusammenhängt“, sagt Claudia Traidl-Hoffmann. „Wir vermuten, dass sich sogar bei Nicht-Allergikern Effekte nachweisen lassen.“

Der Birkenpollen-Extrakt enthält etwa 1000 verschiedene niedermolekulare Substanzen. Einige der Bestandteile, die allergische Reaktionen verstärken, haben die Forscher bereits in früheren Untersuchungen identifiziert – etwa Adenosin oder verschiedene Fettsäuren. Bisher weiß man noch nicht von all diesen Bestandteilen, welche Funktion sie bei der Verstärkung der allergischen Reaktion spielen. Möglicherweise kommt dieser Effekt durch eine kombinatorische Wirkung von mehreren Substanzen zustande. „Der menschliche Organismus ist komplex. Man kann nicht erwarten, dass die Ursache für die Entstehung von Allergien auf eine einzige Substanz herunterbrechen lässt“, erläutert Traidl-Hoffmann.

Immuntherapien optimieren

Die Erkenntnis, dass auch die nicht-allergenen Bestandteile der Pollen die Immunreaktion des Körpers stark beeinflussen, sollte bei der Behandlung von Allergien berücksichtigt werden. Bei der Hyposensibilisierung, einer Immuntherapie gegen Allergien, verwenden Ärzte bisher eine Flüssigkeit, in der alle Bestandteile der Pollen enthalten sind. Dadurch gelangen auch die niedermolekularen Substanzen in den Körper. „Derzeit schlagen nur 60 bis 70 Prozent der Hyposensibilisierungstherapien an“, sagt Claudia Traidl-Hoffmann. Ein Grund hierfür könnte bei den nicht-allergenen, aber dennoch entzündungsfördernden Inhaltsstoffen liegen. Sie könnten sich negativ auf die Behandlung auswirken. Abhilfe könnten Impflösungen mit rekombinanten, also biotechnologisch hergestellten, Proteinen schaffen. So würde gezielt nur das Allergen verabreicht, an das sich der Körper gewöhnen soll. Bisher werden Therapien mit rekombinanten Proteinen nur bei Menschen eingesetzt, die gegen Bienen- und Wespengift allergisch sind.

Technische Universität München, 10.Mai 2016

Originalpublikation

S. Gilles-Stein, I. Beck, A. Chaker, M. Bas, M. McIntyre, L. Cifuentes, A. Petersen, J. Gutermuth, C. Schmidt-Weber, H.Behrendt, C. Traidl-Hoffmann, Pollen derived low molecular compounds enhance the human allergen specific immune response in vivo, Clinical and Experimental Allergy, DOI: 10.1111/cea.12739

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