Virenepedemien schnell mit bereits bekannten Wirkstoffen bekämpfen

Asiatische Tigermücke Aedes albopictus. © gemeinfrei.

Asiatische Tigermücke Aedes albopictus. © gemeinfrei.

Seit 2013 breitet sich das von Mücken übertragene Chikungunya-Virus in Südamerika und der Karibik aus, und bedroht nun auch Südeuropa und die südlichen Staaten der USA. Es löst grippeähnliche Symptome mit Fieber und Gelenkschmerzen aus, die teilweise mehrere Monate andauern und in Einzelfällen zum Tod führen können. Das Fehlen von Impfstoffen und Medikamenten gegen das Virus macht deutlich, dass die Entwicklung neuer Medikamente zu lange dauert und auf neue Viren nicht schnell genug reagieren kann. Deshalb haben Forscher nun einen neuen Therapieansatz getestet. Dazu kombinierten sie zwei Verfahren: die Hochdurchsatz-Analyse von Wirtszellproteinen, ohne die das Virus sich nicht vermehren kann, und die Verwendung von bereits für andere Erkrankungen entwickelte Wirkstoffe. Zwei der eingesetzten Substanzen konnten das Virus bei Tieren erfolgreich bekämpfen. Die Ergebnisse belegen, wie effektiv die neue Methode funktioniert und wie schnell neue Therapieansätze gegen Chikungunya und andere Infektionserkrankungen identifiziert werden können.

Die jüngsten Ausbrüche der Ebola- und Zika-Viren haben gezeigt, wie schnell sich Epidemien im Zeitalter von globaler Mobilität ausbreiten können. Bisher steht die moderne Medizin solchen neu auftretenden Infektionskrankheiten relativ hilflos gegenüber. Das gilt etwa auch für das Chikungunya-Fieber. Nachdem es sich in der Karibik und Lateinamerika mit mehr als einer Million gemeldeten Fällen rasant ausgebreitet hat, bedroht es nun auch die südlichen US Staaten. Zwar löst das Virus oft nur leichte Symptome aus. Dennoch leiden einige Patienten an lähmenden, Arthrose-ähnlichen Schmerzen, die jahrelang andauern können.

Die Entwicklung neuer Medikamente ist teuer und zeitaufwendig, bei gleichzeitig geringen Erfolgsaussichten. Neu auftretende Epidemien erfordern jedoch eine schnelle Reaktion. Ein internationales Forscherteam um Thomas F. Meyer vom Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie hat nun eine neue Strategie erarbeitet, die schneller zum Erfolg führen soll: In einem ersten Schritt werden Proteine ausfindig gemacht, die das Virus benötigt, um sich in der Wirtszelle vermehren zu können. Anschließend wird in einem zweiten Schritt nach Substanzen gesucht, die gegen diese Proteine wirken und deshalb eine Infektion verhindern. Mit dieser Strategie könnte sich der Entwicklungsprozess entscheidend beschleunigen und Medikamente schnell auf ihre Wirksamkeit testen lassen.

Blockieren von Wirtsproteine bremst Viren aus

Alle Viren sind bei ihrer Vermehrung auf Proteine angewiesen, die von der Wirtszelle gebildet werden. Deshalb beschlossen die Forscher Proteine zu identifizieren, die für das Virus essentiell sind. Dazu schalteten sie bei menschlichen Zellen einzelne Gene aus und infizierten die Zellen mit dem Virus.

Anschließend analysierten sie, ob sich das Virus trotz der fehlenden Gene noch vermehren konnte. Auf diese Weise fanden die Forscher mehr als 100 Wirtsproteine, die das Chikungunya-Virus zur Vermehrung benötigt. Anschließend suchten sie nach bereits bekannten Substanzen, die einen Effekt auf die vielversprechendsten Wirtsfaktoren hatten.

Antipsychotikum könnte Viren hemmen

Mit diesen Wirkstoffen testeten die Forscher den Verlauf der Chikungunya-Infektion in Zellkulturen und bei lebenden Tieren. So identifizierten die Forscher zwei Substanzen, darunter ein vielverwendetes Antipsychotikum, die bei Mäusen die Chikungunya-Viren hemmten und keine toxischen Nebeneffekte hervorriefen. Dabei war die Kombination beider Substanzen besonders effektiv. Weitere Experimente sollen nun den Weg zu einem Einsatz am Menschen ebnen.

Die Ergebnisse haben aber möglicherweise noch einen weiteren Nutzen. „Wir haben verglichen, welche Gene mehrere unverwandte Viren für eine Infektion brauchen“, erklärt Alexander Karlas, Virologe am Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie. „Dabei haben wir herausgefunden, dass es mehrere Wirtszellproteine gibt, die nicht nur vom Chikungunya-Virus, sondern auch von anderen Viren benötigt werden.“ Auf diese Weise könnten also antivirale Medikamente mit breitem Einsatzspektrum entwickelt werden.

Max-Planck-Gesellschaft, 12 Mai 2016

Originalpublikation:

Karlas, A., Berre, B., Couderc, T., Varjak, M., Braun, P., Meyer, M., Gangneux, N., Karo-Astover, L., Weege, F., Raftery, M., Schönrich, G., Klemm, U., Wurzlbauer, A, Bracher, F., Merits, A., Meyer, T.F. and Lecuit, M. A human genome-wide loss-of-function screen identifies effective chikungunya antiviral drugs. Nature Communications; 12 May, 2016 DOI: 10.1038/ncomms11320

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