Die empfindliche Balance der Darmabwehr

© Wellcome Images. CC BY 4.0.

Verdauungstrakt. © Wellcome Images. CC BY 4.0.

Nahrungsbestandteile und Umweltfaktoren beeinflussen unser Immunsystem. Manche Substanzen, die in unserem Darm vorkommen binden etwa an den Ah-Rezeptor, einen wichtigen Regulator für den Abbau toxischer Substanzen. Dieses System wird wiederum durch den Ah-Rezeptor-Repressor reguliert, der die Stärke der Immunantwort kontrolliert. Ist der Regler bei bakteriellen Infektionen nicht richtig justiert, kann es zu einem lebensbedrohlichen septischen Schock kommen.

Mit unserer Nahrung gelangen auch Krankheitserreger und Umweltschadstoffe in unseren Darm. Deshalb ist er nicht nur darauf spezialisiert, Nährstoffe aufzunehmen, sondern gleichzeitig den Abbau toxischer Substanzen und die Abwehr fremder Eindringlinge einzuleiten. Darüber hinaus stellt der Darm eine wichtige Barriere gegen schädliche Organismen und Substanzen dar.

Um seine Schutzfunktion optimal erfüllen zu können muss das Immunsystem im Darm gut ausbalanciert sein: Ist seine Reaktion zu schwach, haben Erreger und Schadstoffe ein leichtes Spiel. Schießt die Immunreaktion dagegen über ihr Ziel hinaus, kann es zu gefährlichen Entzündungen, wie etwa einer Kolitis, bis hin zum lebensbedrohlichen septischen Schock kommen. Bei der hierfür erforderlichen Feinjustierung des Immunsystems spielt der Ah-Rezeptor (Aryl-Hydrocarbon-Rezeptor) eine zentrale Rolle. Dabei ist ein Rezeptor ein Protein, an das Moleküle binden können, wenn sie gleich einem Schlüssel ins Schloss der Andockstelle passen. An den Ah-Rezeptor passen ganz verschiedene Substanzen, wobei alle aromatische Kohlenwasserstoffe sind, wie etwa auch Dioxine, PCBs oder Bestandteilen des Zigarettenrauchs. Sobald er ein Molekül gebunden hat aktiviert er verschiedene Signalketten, die der Abwehr der drohenden Gefahr dienen sollen. Leider aktiviert er in der Leber zum Abbau giftiger Stoffe Stoffwechselwege, die so manches Umweltgift erst richtig toxisch machen. Das liegt vermutlich daran, dass diese Substanzen ursprünglich nicht in unserer Nahrung und Umwelt vorkamen.

Ah-Rezeptor und sein Repressor steuern gemeinsam die Immunantwort

Der Ah-Rezeptor hat einen Gegenspieler: den Ah-Rezeptor-Repressor, der die Wirkung des Ah-Rezeptors teilweise hemmt. Diese gegenseitige Kontrolle sorgt dafür, dass die Immunantwort angemessen ausfällt. Die Rolle des Ah-Rezeptor-Repressors war dabei bisher weitgehend unbekannt. Ein internationales Forscherteam hat nun entschlüsselt, wie das Zusammenspiel des Ah-Rezeptors und seines Repressors funktioniert.

Dazu ersetzten die Forscher bei Mäusen das Gen für den Ah-Rezeptor-Repressor durch eines für ein grün fluoreszierendes Protein. „Immer dann, wenn eigentlich das Gen für den Ah-Rezeptor-Repressor aktiv werden sollte, leuchtete das fluoreszierende Protein“, sagt Oliver Schanz von der Universität Bonn. Demnach ist der Repressor immer dann in den Immunzellen des Darms besonders aktiv, wenn auch der Ah-Rezeptor auf Hochtouren arbeitete. Für eine ausgewogene Immunantwort sind also beide Gegenspieler erforderlich.

Überaktivität des Ah-Rezeptor-Repressor erhöht Gefahr eines septischen Schocks

Schießt das Immunsystem über sein Ziel hinaus, so droht ein lebensbedrohlicher septischer Schock durch Kreislaufversagen und Organschädigung. Schalteten die Forscher bei Mäusen das Gen für den Ah-Rezeptor-Repressor aus, so waren die Tiere vor einem solchen Schock geschützt. Funktionierte dagegen der Ah-Rezeptor-Repressors oder der Ah-Rezeptors nicht richtig, so traten öfter chronische Darmentzündungen auf. Beide Antagonisten fördern die Bildung immunstimulierender Substanzen, wie etwa Interleukin-1-beta oder Gamma-Interferon. Nur wenn Ah-Rezeptor und Ah-Rezeptor-Repressor ausgeglichen sind, kann eine angemessene Immunantwort erfolgen.

Laut den Forschern hat demnach die Ernährung einen großen Einfluss auf das Immunsystem. Wenn Gemüse – wie etwa Broccoli – viele Substanzen enthält, die an den Ah-Rezeptor binden und damit den dazugehörenden Repressor aktivieren, dann stabilisiert dies möglicherweise das Immunsystem im Darm. Doch inwiefern sich die bei der Maus beobachteten Zusammenhänge auf den Menschen übertragen lassen, muss erst noch erforscht werden.

Universität Bonn, 17. Mai 2016

Originalpublikation:

Balancing intestinal and systemic inflammation through cell type-specific expression of the aryl hydrocarbon receptor repressor, Scientific Reports, DOI: 10.1038/srep26091

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