Menschen gestalten seit Jahrtausenden die Lebensräume unseres Planeten

Seit Jahrtausenden prägen Menschen das Ökosystem - etwa durch Jagd, Landwirtschaft und die Domestizierung von Tieren. Ein Relief in der Grabkammer des Nefermaat zeigt Vogelfang (Gänse) und die Bestellung eines Feldes mit Rindern im Alten Ägypten um etwa 2500 vor Christus. © gemeinfrei

Seit Jahrtausenden prägen Menschen das Ökosystem – etwa durch Jagd, Landwirtschaft und die Domestizierung von Tieren. Ein Relief in der Grabkammer des Nefermaat zeigt Vogelfang (Gänse) und die Bestellung eines Feldes mit Rindern im Alten Ägypten um etwa 2500 vor Christus.
© gemeinfrei

Vom Menschen unberührte Landschaften gibt es auf unserer Erde so gut wie nicht mehr, und zwar schon seit Jahrtausenden. Zu diesem Schluss kommen Forscher nach einer umfassenden Analyse archäologischer Daten. Die Ergebnisse veranschaulichen, wie der Mensch durch Jagd, Landwirtschaft und Handel die Landschaften der Erde geprägte. Und wie er darüber hinaus tiefgreifend die Verteilung von Tier- und Pflanzenarten beeinflusste.

Die Ergebnisse des internationalen Forschungsteams um Nicole Boivin vom Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte und Wissenschaftlerin an der Universität Oxford, legen nahe, dass den bisherigen Debatten über Naturschutz ohne archäologische Erkenntnisse ein wichtiger Aspekt fehlt. Denn laut den Forschern ist es eine Fehleinschätzung, davon auszugehen, dass Gesellschaften vor der industriellen Revolution die Umwelt oder die Vielfalt der Arten nur gering beeinflusst haben. Denn viele heute weit verbreitete Tier- und Pflanzenarten wurden von unseren Vorfahren in ihrer Verbreitung begünstigt. Wogegen Jagd und veränderte Landnutzung bereits vor Jahrtausenden viele Arten aussterben ließen. Das Forschungsteam schließt daraus, dass es sinnvoller ist pragmatische Lösungen für den Naturschutz zu suchen, als das unerreichbare Ideal „natürlicher Bedingungen“ anzustreben.

Die Forscher haben vier Hauptphasen definiert, in deren Verlauf die Menschen ihre Umwelt so veränderten, dass dies tiefgreifende Auswirkungen auf ihre Ökosysteme hatte:

  1. Die globale Ausbreitung des Menschen im späten Pleistozän.
  2. Die neolithische Verbreitung der Landwirtschaft.
  3. Die Ära der Besiedlung von Inseln durch den Menschen und
  4. Das Aufkommen früher städtischer Gesellschaften und weltweiter Handelsbeziehungen.

Die Forscher stützen sich bei ihren Untersuchungen auf Fossilienfunde, die belegen, dass sich der moderne Mensch (Homo sapiens) vor rund 195.000 Jahren in Ostafrika entwickelt und von dort aus vor 12.000 Jahren bis in die entlegensten Regionen Eurasiens, Australiens, Nord- und Südamerikas verbreitet hat. Diese umfassende Besiedlung der Erde geht mit dem Aussterben zahlreicher Arten einher. So verschwanden im Zeitraum zwischen 50.000 und 10.000 Jahren vor heute rund zwei Drittel der damals lebenden rund 150 Großtierarten (Megafauna). Auch in Europa gab es einst zahlreiche große Säugetiere, wie etwa Mammute, Wollnashörner und Höhlenlöwen. Dieses vielleicht bedeutsamste Artensterben, die sogenannte Quartäre Aussterbewelle, hatte dramatische Auswirkungen auf die Struktur der Ökosysteme, die Verfügbarkeit von Nährstoffen und die Verbreitung von Samen.

Mammute wurden vermutlich durch den Menschen ausgerottet. Das Bild zeigt eine späteiszeitliche Landschaft Nordspaniens mit Mammuten (Mammuthus primigenius), Pferden, Wollnashörner (Coelodonta antiquitatis) und Höhlenlöwen (Panthera leo spelaea) mit einem Rentierkadaver. © Mauricio Antón. CC BY 2.5.

Mammute wurden vermutlich durch den Menschen ausgerottet. Das Bild zeigt eine späteiszeitliche Landschaft Nordspaniens mit Mammuten (Mammuthus primigenius), Pferden, Wollnashörner (Coelodonta antiquitatis) und Höhlenlöwen (Panthera leo spelaea) mit einem Rentierkadaver. © Mauricio Antón. CC BY 2.5. Wikimedia Commons.

Gewaltige Nutztierpupulationen

Die zweite Phase, die weltweite Verbreitung von Landwirtschaft und Viehzucht, erzeugte neuen evolutionären Druck auf Pflanzen und Tiere. Dieser Druck hatte auf die Verbreitung der Arten dauerhafte Auswirkungen von nie da gewesenem Ausmaß. Als Beispiel dient den Forschern die Haltung von Schafen, Ziegen und Rindern. Sie wurden im Nahen Osten vor 10.500 Jahren domestiziert und gelangten von dort in wenigen Jahrtausenden nach Europa, Afrika und Südasien. Ähnliches gilt für Hühner: Sie stammen ursprünglich aus Ostasien und erreichten Großbritannien in der zweiten Hälfte des letzten Jahrtausends. Heute ist die Zahl der weltweit lebenden Hühner dreimal so groß wie die der Menschen. Hunde wurden bereits vor der Entstehung der landwirtschaftlichen Gesellschaften gezüchtet. Heute wird die Zahl der Hunde weltweit auf zwischen 700 Millionen und einer Milliarde geschätzt. Als Folge dieser Prozesse und im Vergleich zur Zahl der domestizierten Tiere ist die Menge der freilebenden Wirbeltiere vergleichsweise gering.

Zwei Moas auf Neuseeland werden von einem Haaastadler angegriffen. Auch diese beiden Tierarten wurden von den eingewanderten Menschen ausgerottet. © John Megahan. CC BY 2.5.

Zwei Moas auf Neuseeland werden von einem Haastadler angegriffen. Auch diese beiden Tierarten wurden von den eingewanderten Menschen ausgerottet. © John Megahan. CC BY 2.5. 2005 Public Library of Science.

Doch auch die Besiedlung von Inseln durch den Menschen blieb nicht ohne Folgen. Die damit einhergehende Umsiedlung von Arten war so weitreichend, dass die Archäologen von „transportierten Landschaften“ sprechen. Mit den Menschen kamen Feuer und Rodung, sowie neue Arten auf die Inseln und damit auch die Bedrohung der ursprünglichen Tierarten durch eingeschleppte Fressfeinde.

Bereits die Römer brachten Pflanzen mit in ihre Provinzen

Verstärkt wurden diese, durch den Menschen hervorgerufenen Effekte schließlich durch den zunehmenden Handel mit Beginn der Bronzezeit. Er leitete eine Periode der intensiven Landwirtschaft ein, als Reaktion auf die wachsende Bevölkerungszahl und die aufkommenden Märkte überall in der Alten Welt. Im Nahen Osten wurden laubabwerfende Bäume durch immergrüne Steineichen ersetzt, der einheimische Wald wurde mit der Einführung von Kulturpflanzen wie Oliven, Trauben und Feigen in Kulturland umgewandelt. Bereits vor 3000 Jahren wurden im Nahen Osten etwa 80 bis 85 Prozent der kultivierbaren Fläche landwirtschaftlich genutzt. Aber auch in Europa ist nicht alles so natürlich, wie es auf den ersten Blick erscheint: Pflanzenarten in alten französischen Wäldern, die als ursprünglich gelten, haben laut den Forschern große Ähnlichkeiten solchen, die einst in römischen Stätten wuchsen. Darüber hinaus wurden in der Römerzeit mindestens 50 neue Nahrungspflanzen – vor allem Früchte, Kräuter und Gemüse – in Großbritannien eingeführt.

Nicole Boivin hält die archäologischen Belege für wichtig, um zu verstehen, welchen tiefgreifenden Einfluss der Mensch auf seine Umwelt hatte. „Wenn wir genauer wissen wollen, wie wir am besten unsere Natur schützen und Arten erhalten können, müssen wir unsere Perspektive ändern. Vielleicht sollten wir mehr darüber nachdenken, wie wir saubere Luft und frisches Wasser für künftige Generationen sichern können, als darüber, wie wir die Erde in einen ursprünglichen Zustand zurückführen können. Dafür haben die Menschen einfach zu lange das Ökosystem geprägt.“ Nicole Boivin hebt auch die Bedeutung der Erkenntnisse für die aktuelle Klimaschutzdebatte hervor. „Kumulierte archäologische Daten zeigen: Wir waren und sind so etwas wie die Konstrukteure des Ökosystems. Die Frage ist, welche Art von Ökosystem wir für die Zukunft schaffen. Wird es das Wohlergehen unserer eigenen Spezies und das anderer Arten unterstützen oder wird es ein groß angelegtes Artensterben und den unumkehrbaren Klimawandel nach sich ziehen?“

Max-Planck-Gesellschaft, 6. Juni 2016

Originalpublikation:

Nicole Boivin, Melinda Zeder, Dorian Fuller, Alison Crowther, Greger Larson, Jon Erlandson, Tim Denham, and Michael Petraglia. Ecological consequences of human niche construction: Examining long-term anthropogenic shaping of global species distributions. Proceedings of the National Academy of Sciences, Published online before print on June 6, 2016. doi: 10.1073/pnas.1525200113

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