Wer in einer Gruppe lebt hat mehr Chancen neue Informationen zu erlangen, denn er kann von den anderen Gruppenmitgliedern lernen. Das gilt auch für neue Verhaltensweisen, die sich in einer Gruppe schnell ausbreiten können. Wie Forscher jetzt herausgefunden haben gilt dies auch für Raben. Sie lernen am besten von befreundeten Artgenossen, wie die Universität Wien berichtet.
Die Weitergabe von Informationen zwischen Individuen ist grundlegend für alle Traditionen und Kulturen und spielt eine wesentliche Rolle bei der Anpassung an sich verändernde Umweltbedingungen. Auch Tiere beobachten einander häufig, um an neue Informationen zu gelangen, etwa um sich neue Nahrungsquellen zu erschließen oder zu erfahren, welche Raubfeinde ihnen gefährlich werden können.
Dabei ist die Palette der sozialen Kontakte groß: Sie reicht von aggressiven Auseinandersetzungen bis hin zu freundlichen Begegnungen, die wesentlich für das Entstehen enger sozialer Beziehungen sind. Ein Forschungsteam um Christine Schwab und Thomas Bugnyar an der Universität Wien hat das Sozialverhalten von Raben untersucht und dabei Methoden eingesetzt, mit deren Hilfe auch die sozialen Netzwerke bei Menschen erfasst werden. Demnach beeinflussen nicht alle sozialen Verbindungen das Lernen in gleicher Weise. Vielmehr breiten sich Informationen in einer Gruppe über freundschaftlich miteinander verbundene Raben aus, die oft nahe beieinander sitzen oder sich gegenseitig das Gefieder kraulen.
„Wir haben Raben mit einer Aufgabe konfrontiert, die sie nicht kannten und für deren Lösung nur ein Tier angelernt wurde. Ausgehend von diesem Individuum wurde beobachtet, wie sich die Lösung der Aufgabe als Wissen in der Gruppe verbreitet“, erklärt die Kognitionsbiologin Christine Schwab. Den Forschern zufolge erhöhen enge soziale Beziehungen die gegenseitige Toleranz. Das führte dazu, dass befreundete Tiere einander auch aus nächster Nähe bei der Aufgabenbewältigung beobachten ließen. Fühlt sich ein Rabe dagegen von einem nicht mit ihm befreundeten Artgenossen beobachtet, verhält er sich so, dass dem potentiellen Dieb seine Futtervorräte verborgen bleiben.
Bisher war zwar bekannt, dass räumliche Nähe zwischen Artgenossen das gegenseitige Lernen fördern kann. Doch welche Rolle die unterschiedlichen Beziehungen beim Lernen spielen, war noch nicht untersucht worden. Raben, die freundschaftliche Beziehungen zu den Artgenossen pflegten, die die Aufgabe bereits lösen konnten, lernten früher diese Aufgabe zu meistern, als diejenigen, die kaum enge Beziehungen zu anderen Tieren pflegten. „Insbesondere bei jungen Raben bestehen diese engen Beziehungen – vor allem zwischen Geschwistern –, was auch die Bedeutsamkeit verwandtschaftlicher Bindungen zeigt, die beim Lernen helfen“, so Schwab abschließend.
von Ute Keck, 13 Juli 2016
Originalpublikation:
Kulahci IG, Rubenstein DI, Bugnyar T, Hoppitt W, Mikus N, Schwab C. 2016. Social networks predict selective observation and information spread in ravens. Royal Society Open Science 3: 160256. doi: 10.1098/rsos.160256