Mit einer proteinarmen Diät zu einem besseren Zucker-Stoffwechsel

Proteinarme Ernährung lässt bei Mäusen und Menschen trotz erhöhter Kohlehydratzufuhr den Blutzucker- und Insulinspiegel sinken. © gemeinfrei.

Proteinarme Ernährung lässt bei Mäusen und Menschen trotz erhöhter Kohlehydratzufuhr den Blutzucker- und Insulinspiegel sinken. © gemeinfrei.

Eine proteinarme Diät steigert die Verbrennung von Fett und Kohlehydraten. Das haben Forscher jetzt bei Mäusen beobachtet. Nach der Umstellung auf eine proteinreduzierte Diät bildeten sich sogar Insulinresistenzen zurück. Und zwar unabhängig vom Köpergewicht und der Gesamtenergiezufuhr. Auch bei jungen Freiwilligen senkte eine kurzzeitige proteinarme Ernährung den Insulin- und Blutzuckerspiegel. Der Effekt wird durch eine zentrale Stress-Antwort der Leberzellen hervorgerufen.

Vor vier Jahrzehnten gab es auf der Welt noch doppelt so viele untergewichtige wie fettleibige Menschen. Doch inzwischen hat sich die Situation umgekehrt: Heute sind weltweit deutlich mehr Menschen fettleibig als untergewichtig. Vor allem starkes Übergewicht geht oft mit schweren gesundheitlichen Schäden einher, wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs, Typ-2-Diabetes und dem metabolischen Syndrom.

Als Hauptursachen für den weltweiten Anstieg des Körpergewichts gelten veränderte Ernährungsgewohnheiten und mangelnde Bewegung. Wissenschftler vermuten jedoch, dass noch weitere Faktoren für den rasanten Gewichtsanstieg verantwortlich sind. Dabei haben sie vor allem die veränderte Zusammensetzung der Ernährung im Verdacht. Denn das Verhältnis von Fett, Kohlenhydraten und Proteinen zueinander hat sich in den letzten Jahrzehnten deutlich verändert.

„Besonders, was die Proteine betrifft, gab es widersprüchliche Hinweise“, sagt Adam Rose vom Deutschen Krebsforschungszentrum. „Einerseits gibt es Beobachtungen, dass Menschen bei proteinarmer Diät insgesamt mehr essen, um ihre erforderliche Eiweißdosis zu erreichen. Anderseits belegen epidemiologische Studien, dass ein hoher Proteinanteil in der Ernährung mit einer hohen Diabetes-Rate einhergeht.“

© Wikimedia Commons. public domain.

Eine proteinarme Diät ließ die Mäuse mehr Energie verbrauchen. Gesunde Mäuse nahmen unter diesen Bedingungen langsamer zu, als normal gefütterte Mäuse. Und ihre Stoffwechselwerte verbesserten sich erheblich. Dicke Mäuse nahmen zwar nicht ab, vermutlich weil sie als Ausgleich mehr fraßen. Aber ihre Blutzuckerwerte verbesserten sich und bestehende Insulinresistenzen bildeten sich zurück. © Wikimedia Commons. public domain.

 

Um herauszufinden, wie sich eine proteinreduzierte Ernährung tatsächlich auf molekularer Ebene auswirkt, setzten die Forscher Mäuse auf proteinarme Diät. Bei ihnen machten Proteine nur fünf Prozent der Gesamtkalorien aus, gegenüber 20 Prozent beim normalen Mäusefutter. Obwohl die Tiere insgesamt etwas mehr fraßen, nahmen sie langsamer an Gewicht zu als normal gefütterte Artgenossen.

Die Forscher ermittelten, dass die Tiere bei proteinarmer Diät ihr Futter um 40 Prozent weniger effizient verwerteten. Sie verbrannten mehr Fett und Kohlehydrate und hatten daher einen gesteigerten Energieverbrauch. Die im Blut messbaren Stoffwechselwerte verbesserten sich erheblich: Die Tiere hatten niedrigere Insulin-, Cholesterin- und Blutfettspiegel, dagegen stieg unter anderem die Konzentration des Proteins FGF21, des Fibroblasten-Wachstumsfaktors 21.

Setzten die Forscher fettleibige Mäuse auf proteinarme Diät, so änderte dies nichts an deren Körpergewicht – dennoch verbesserten sich ihre Blutzucker-Werte. Sogar zuvor bestehende Insulinresistenzen bildeten sich zurück.

Zentrale Stressreaktion der Leberzellen beteiligt

Dass FGF21 eine entscheidende Rolle für den verbesserten Zuckerstoffwechsel spielt, bewiesen die Forscher an Mäusen, deren Leberzellen das Gen für diesen Faktor fehlte: Bei diesen Tieren blieb der günstige Stoffwechseleffekt bei proteinarmer Diät aus.

Besonders steil stieg der FGF21-Spiegel der Mäuse direkt nach einer proteinarmen „Mahlzeit“ an. Diese Reaktion geht auf eine zentrale Stressreaktion in der Leber zurück. Das proteinarme Futter wirkt offenbar als Stressfaktor, der sich positiv auf die Gesundheit auswirkt.

Wie die Forscher weiter heraus fanden, sind für den günstigen Effekt der proteinarmen Ernährung nicht alle Proteinbausteine gleichermaßen verantwortlich: Vor allem der Mangel an so genannten „nicht-essenziellen“ Aminosäuren, die der Körper selbst herstellen kann, steigerte den FGF21-Spiegel.

Verbesserter Zuckerstoffwechsel auch beim Menschen

Natürlich waren Rose und seine Kollegen gespannt, ob die bei Mäusen beobachteten günstigen Effekte auch beim Menschen auftreten: In Zusammenarbeit mit Bente Kiens von der Universität Kopenhagen baten sie daher fünf junge Männer, sich sieben Tage lang freiwillig proteinarm zu ernähren: Im Anschluss maßen die Forscher bei den Teilnehmern hohe FGF21-Werte, dagegen trotz erhöhter Kohlenhydratzufuhr niedrigere Blutzucker- und Insulinspiegel.

„Das sind sehr vielversprechende Ergebnisse, die wir bald schon an einer größeren Anzahl von Teilnehmern überprüfen wollen“, sagt Bente Kiens, die die Untersuchungen an den Freiwilligen durchgeführt hatte. Studienleiter Adam Rose ergänzt: „Das wäre eine hervorragende und einfache Methode, um bei Personengruppen mit hohem Risiko einen entgleisenden Zuckerstoffwechsel wieder in den Griff zu bekommen.“

Die Forscher wollen nun weiter überprüfen, ob sich die positiven Stoffwechsel-Effekte, die sie bei Mäusen beobachtet haben, auch beim Menschen auf molekularer Ebene bestätigen lassen. „Unsere Maus-Ergebnisse untermauern ein neues Konzept, für das es zunehmend wissenschaftliche Hinweise gibt: Bestimmte Formen von Stress können unseren Stoffwechsel offenbar positiv beeinflussen“, so Adam Rose.

Deutsches Krebsforschungszentrum (DKFZ), 23. August 2016

Originalpublikation:

Adriano Maida, Annika Zota, Kim A. Sjøberg, Jonas Schumacher, Tjeerd P. Sijmonsma, Anja Pfenninger, Marie M. Christensen, Thomas Gantert, Jessica Fuhrmeister, Ulrike Rothermel, Dieter Schmoll, Mathias Heikenwälder, Juan L. Iovanna, Kerstin Stemmer, Bente Kiens, Stephan Herzig, Adam J. Rose: A liver stress-endocrine nexus promotes metabolic integrity upon dietary protein dilution. Journal of Clinical Investigation 2016, DOI: 10.1172/JCI85946

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