Tiere die permanentem Stress ausgesetzt sind, werden oft krank und sterben früher. Gleiches gilt für uns Menschen. Doch bei sozialen Tieren kann die Unterstützung von Freunden und Verwandten die negativen Auswirkungen von Stress minimieren. Allerdings war bisher noch unklar, welche physiologischen Mechanismen diesem Effekt zugrunde liegen. Um dieser Frage nachzugehen hat ein Forscherteam bei frei lebenden Schimpansen untersucht, wie sich die Anwesenheit ihrer Freunde auf die Stressbewältigung im Alltag auswirkt. Dazu bestimmten die Forscher den Stresshormonspiegel im Urin der Tiere und entdeckten: Die Schimpansen waren wesentlich weniger gestresst, wenn ihre Freunde in Konfliktsituationen mit von der Partie waren. Aber auch bei der Fellpflege entspannten sich die Tiere besser, wenn diese durch Freunden erfolgte. Die tägliche Unterstützung durch Freunde und Familie spielt also möglicherweise eine Schlüsselrolle bei der Regulierung der Stresshormone und ihrer negativen Folgen. Das ist vermutlich auch bei uns Menschen nicht anders.
Die Hormone des Hypothalamus, der Hirnanhangsdrüse und den Nebennierendrüsen regulieren unsere Stressreaktion. Doch diese so genannte HPA-Achse kontrolliert auch noch viele andere Prozesse, wie etwa die Verdauung, das Immunsystem, unsere Stimmung und Emotionen. Gerät die HPA-Achse durch Stress aus dem Gleichgewicht, treten nicht selten körperliche und psychische Probleme auf. Enge soziale Bindungen können die HPA-Achse positiv beeinflussen und die Auswirkungen von Stress abmildern. „Studien mit Menschen und nichtmenschlichen Tieren zeigen, dass diejenigen unter uns, die enge soziale Bindungen unterhalten, oft gesünder sind und länger leben als Einzelgänger“, sagt Roman Wittig vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig. „Welche Mechanismen das ermöglichen, blieb aber lange unklar. Wenn wir verstehen wollen, wie sie funktionieren, müssen wir Hormonspiegel und Verhalten im direkten Wechselspiel betrachten.“
Dazu entwickelten die Forscher eine Methode mit der sie Hormonproben aus gesammeltem Urin gewinnen konnten. Diese wendeten sie dann bei einem unserer nächsten Verwandten an: dem Schimpansen. Die Forscher wollten wissen, ob Freunde und Familie, die einem Individuum mehr Unterstützung und Zuwendung entgegenbringen als andere Gruppenmitglieder, beim Umgang mit Stress helfen – und zwar nicht nur bei stressigen Ereignissen, sondern allgemein im täglichen Leben.
Dazu beobachteten die Forscher das Verhalten frei lebender Schimpansen im Budongo-Wald in Uganda in drei verschiedenen Situationen: den für die Tiere stressigen und potentiell lebensbedrohlichen Begegnungen mit anderen Schimpansengruppen, der täglichen Fellpflege und während die Tiere ausruhten. Dabei erfassten die Forscher auch, ob gerade enge Bündnispartner der Schimpansen anwesend waren. Nach jedem Ereignis sammelten die Forscher alle in den darauf folgenden sechs Stunden auffangbaren Urinproben, analysierten diese und bestimmten so den Stresshormonspiegel der Affen.
„Wir stellten fest, dass der Glukokortikoid-Spiegel im Urin der Tiere niedriger war, wenn sie statt mit irgendeinem Mitglied der Gruppe etwas mit einem Freund unternahmen, egal ob es sich dabei um eine stressige Begegnung mit einer anderen Schimpansengruppe, die gegenseitige Fellpflege oder das gemeinsame Ausruhen handelte“, sagt Ko-Autorin Catherine Crockford. „Am stärksten war dieser positive Effekt jedoch in der Stresssituation, gefolgt von der Fellpflege und am schwächsten beim Ausruhen.” Tobias Deschner ergänzt: „Diese Studie ist vor allem deshalb so interessant, weil wir erstmals die Wirkung allgemeiner sozialer Muster – wie etwa die Aufrechterhaltung sozialer Bündnisse und Freundschaften über einen längeren Zeitraum hinweg – in einzelnen sozialen Interaktionen und ihren Einfluss auf die Ausschüttung von Stresshormonen nachweisen konnten.“
Die soziale Unterstützung durch Freunde, egal welchen Geschlechts, wirkt sich also extrem positiv auf die Regulierung der HPA-Achse und die Aufrechterhaltung eines gesunden Gleichgewichts aus. „Bei Schimpansen beeinflusst die soziale Unterstützung durch Freunde nicht nur den Stresshormonspiegel, sondern auch die Oxytocin-Werte im Urin, wie wir aus vergangenen Studien wissen“, sagt Wittig. „Man nimmt an, dass das Neuropeptid Oxytocin das Herunterregulieren der HPA-Achse erleichtert. Da Oxytocin bei freundschaftlichen Interaktionen zwischen erwachsenen Schimpansenfreunden ausgeschüttet wird, kann es sein, dass auch in unserer aktuellen Studie Oxytocin zur Eindämmung des Stresspegels mit beigetragen hat.“
Laut den Forschern könnten demnach Freunde für uns und unsere Gesundheit noch wichtiger sein, als bisher angenommen. Sie helfen uns dabei, im Alltag unsere Stresshormone besser zu regulieren, was sich positiv auf unsere Gesundheit und Lebensdauer auswirkt. Die Ergebnisse der Studie könnten auch für uns Menschen medizinisch relevant sein.
Max-Planck-Gesellschaft, 1. November 2016
Originalpublikation:
Roman M. Wittig, Catherine Crockford, Anja Weltring, Kevin E. Langergraber, Tobias Deschner & Klaus Zuberbühler. Social support reduces stress hormone levels in wild chimpanzees across stressful events and everyday affiliations. Nature Communications; 1 November, 2016 DOI: 10.1038/NCOMMS13361