Bei Bandscheibenvorfall wird oft vorschnell operiert

Operation. © Ralf Roletschek. GNU Free Documentation License, version 1.2.

Operation. © Ralf Roletschek. GNU Free Documentation License, version 1.2.

Berufstätige Männer mittleren Alters werden bei einem Bandscheibenvorfall eher operiert, als konservativ behandelt. Entgegen den Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurochirurgie. Dabei wird einer neuen Studie zufolge jeder dritte Bandscheiben-Patienten vorschnell operiert. Denn viele Patienten fürchten, ihren Beruf ohne Operation nicht mehr ausüben zu können.

Mit der HCHE-Studie untersuchten Forscher, welche Erfahrungen Patienten mit Bandscheibenvorfällen in Deutschland machen. Dabei wurde vor allem gefragt, ob versucht wurde die Beschwerden der Patienten durch konservative Therapieansätze zu behandeln, bevor diese operiert wurden. Ausgenommen waren davon Operationen, die durch einen Notfall begründet waren. Zu den konservativen Methoden gehören etwa Krankengymnastik, Massagen und Schmerztherapie wie Injektionsbehandlungen. Sie sollten zunächst für sechs bis acht Wochen erfolgen. Frühere Studien hatten bereits ergeben, dass konservative Therapieansätze mittelfristig zu vergleichbaren Ergebnissen führen, jedoch kostengünstiger sind und keinerlei Operationsrisiken bergen. Insgesamt wurden mehr als 6.000 Versicherte der Barmer GEK befragt, die im Zeitraum von 2014 bis 2015 an der Bandscheibe operiert wurden. Die Rücklaufquote betrug 47 Prozent.

Bandscheibenvorfall. © Michael-W. CC BY-SA 3.0. Wikimedia Commons.

Bandscheibenvorfall in der Lendenwirbelsäule. © Michael-W. CC BY-SA 3.0. Wikimedia Commons.

Bei einem Drittel der Befragten wurden konservative Therapieverfahren nicht konsequent durchgeführt oder es wurde operiert, obwohl die Patienten auf die konservative Behandlung ansprachen. Selbst wenn oft ohne akute Indikatoren operiert wurde, hielten die Patienten die Operation für den richtigen Weg. Denn viele Berufstätige machten sich Sorgen, ohne eine Operation ihren Beruf nicht mehr ausüben zu können. Außerdem waren sie davon überzeugt, dass ein operativer Eingriff die bessere Möglichkeit bot, um die Schmerzen langfristig zu beheben. Eine Bandscheiben-Operation ist zwar oftmals dazu in der Lage die Beschwerden zu lindern, doch zehn Prozent der Betroffenen erleiden dabei nachhaltige Komplikationen.

Auch in diesem Fall lohnt es sich eine Zweitmeinung einzuholen: Denn solche Patienten wurden öfter konservativ therapiert. „Dies zeigt, wie wichtig es ist, entsprechende Beratungsangebote auszubauen“, erklärt HCHE-Forscher Mathias Kifmann und schlägt vor, mehr an die Bedürfnisse von Berufstätigen angepasste konservative Therapiemöglichkeiten anzubieten.

Doch auch die Kosten für das Gesundheitswesen sind in diesem Zusammenhang relevant: Eine Bandscheiben-Operation kostet im Schnitt etwa 4.350 Euro. Laut der Studie sind alleine im Jahr 2014 durch womöglich vorschnelle Operationen Kosten im zweistelligen Millionenbereich entstanden.

Universität Hamburg, 12. Dezember 2016

Originalpublikation:

Bäuml M, Kifmann M, Krämer J, Schreyögg J (2016). Bandscheibenoperationen – Patientenerfahrungen, Indikationsqualität und Notfallkodierung. In: Böcken J, Braun B, Meierjürgen R. Gesundheitsmonitor 2016. Bürgerorientierung im Gesundheitswesen. Kooperationsprojekt der Bertelsmann Stiftung und der BARMER GEK. Verlag Bertelsmann Stiftung: 187-195.

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