Mögliche Ursache für erhöhtes Herzinfarktrisiko durch neue Blutverdünner aufgedeckt

Menschliches Herz. © Patrick J. Lynch. CC BY 2.5

Patienten mit Vorhofflimmern, die orale Thrombininhibitoren (OTI) einnehmen, erleiden etwas häufiger einen Herzinfarkt, als solche, die Vitamin-K-Antagonisten verwenden. Forscher haben nun herausgefunden, dass sich die Blutplättchen von Patienten, die mit OTIs behandelt wurden, vermehrt zusammenlagern. Darüber hinaus beobachteten sie eine vermehrte Bildung von Blutgerinnseln, wie das Deutsche Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK) berichtet.

OTIs sind Medikamente, die das Blut verdünnen, sogenannte Antikoagulantien. Sie werden bei Herzrhythmusstörungen wie Vorhofflimmern eingesetzt, um das Schlaganfallrisiko der Betroffenen zu senken. Die sogenannten neuen oralen Antikoagulantien (NOAKs), zu denen die oralen Thrombininhibitoren (OTI) gehören, werden von den Herstellern als atraktive Alternative zu den herkömmlichen Blutverdünnern, den Vitamin-K-Antagonisten (VKA), angepriesen. Sie sollen das Schlaganfallrisiko stärker senken und auch seltener zu schweren Blutungen führen. Darüber hinaus sollen sie weniger mit anderen Medikamenten wechselwirken, die bei VKAs notwendigen regelmäßigen Blutkontrollen entfallen, und die Ernährung kann die blutverdünnende Wirkung nicht so leicht beeinflussen. „Einige große Meta-Analysen mit mehreren 10.000 Patienten haben jedoch ein erhöhtes Risiko für Herzinfarkte festgestellt, wenn die Patienten OTI erhielten“, berichtet Tobias Petzold vom Universitätsklinikum München. „Dieser Beobachtung wollten wir nachgehen und herausfinden, warum Patienten mehr Herzinfarkte bekommen, wenn sie den Blutverdünner erhalten, der sie ansonsten gut vor Schlaganfällen und Beinvenenthrombosen schützt.“

Simulierter Blutfluss lässt Schwächen erkennen

Die Forscher untersuchten hierfür Blutproben von Patienten, die entweder OTIs oder einen Vitamin-K Antagonisten erhielten und Blut von gesunden Menschen. Dazu füllten sie das Blut in kleine Plastikflusskammern, die mit verschiedenen Proteinen beschichtet waren, wie etwa Kollagen, einem Bestandteil der Gefäßwände oder dem von-Willebrand-Faktor, der bei der Blutgerinnung eine wesentliche Rolle spielt: Er bildet eine Art Brücke zwischen Blutplättchen und Gefäßwand. Eine weitere Beschichtung bestand aus humanem atherosklerotischen Plaquematerial, also Ablagerungen, die aus der Halsschlagader von Patienten mit Gefäßverkalkung isoliert wurden.  Andere Forscher hatten bereits ähnliche Untersuchungen unter statischen Bedingungen durchgeführt. Im Unterschied zu diesen Experimenten simulierten die Münchner Forscher jedoch in ihren Kammern den Blutfluss. Denn nur unter diesen realistischeren Versuchsbedingungen lagerten sich die Blutplättchen im OTI-Blut vermehrt zusammen und bildeten Gerinnsel. Wobei dieser Effekt in den mit Plaques beschichtete Kammern noch verstärkt wurde. Auch im Tiermodell bestätigten sich diese prothrombotischen Effekte der OTI. Das könnte daran liegen, dass OTIs die Bindung des Gerinnungsfaktors Thrombin an einen Oberflächenrezeptor auf den Blutplättchen verändert. Denn Antikörper, die diese Bindung blockieren, verhindern auch das Zusammenlagern der Blutplättchen und die Bildung von Blutgerinnseln. „Dieser Mechanismus könnte dazu beitragen, dass Herzinfarkte bei Patienten, die OTI einnehmen, häufiger auftreten“, erklärt Petzold.

Bei Therapieentscheidung das Herzinfarkt-Risiko berücksichtigen

Noch gibt es keine klinischen Studien, die diesen im Labor beobachteten Effekt untermauern. Ebenso können diese Laborergebnisse nicht einfach auf die Klink übertragen werden, denn dafür spielen zu viele Faktoren bei der Bildung von Gerinnseln oder dem Entstehen eines Herzinfarktes eine Rolle. Doch für die Münchner Ärzte leitet sich daraus ab, dass man vor der Gabe von OTIs das Herzinfarkt-Risiko des Patienten abwägen sollte, also ob etwa Ablagerungen in den Herzkranzgefäßen vorliegen. „Sofern jedoch kein Herzinfarkt-Risiko vorliegt, überwiegen eindeutig die Vorteile von OTI“, betont Petzold. In den nächsten Jahren wird es seiner Meinung nach darum gehen, mithilfe klinischer Studien den optimalen Blutverdünner für unterschiedliche Patientengruppen zu bestimmen.

von Ute Keck, 31.Januar 2017

Originalpublikation:

Petzold, T., Thienel, M., Konrad, I., Schubert, I., Regenauer, R., Hoppe, B., Lorenz, M., Eckart, A., Chandraratne, S., Lennerz, C., Kolb, C., Braun, D., Jamasbi, J., Brandl, R., Braun, S., Siess, W., Schulz, C. & Massberg, S. Oral Thrombin Inhibitor Aggravates Platelet Adhesion and Aggregation During Arterial Thrombosis. Science translational medicine, 8(367): 367ra168 (2016). DOI: 10.1126/scitranslmed.aad6712

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