Virenabwehr wird über Zeitschalter wieder heruntergefahren

Beginn und Ende einer Immunreaktion: Der Rezeptor RIG-I erkennt die Erbinformation von Viren, bindet an die Virus-RNA und schüttet antivirale Botenstoffe aus (grüner Pfeil). Diese Stoffe aktivieren das erworbene Immunsystem. Mit Zeitverzögerung wird auch das Enzym DAPK1 aktiviert, das verhindert, dass es zu einer überschießenden Immunreaktion kommt. | © Dr. Marco Binder

Bei einer Vireninfektion wird unser angeborenes Immunsystem schnell aktiviert, um dann jedoch bereits nach einigen Stunden wieder abgebremst zu werden. Dieser Rückkopplungsmechanismus verhindert eine überschießende Immunreaktion mit Zellschäden, wie Forscher nun herausgefunden haben.

Infizieren Viren, wie etwa die Grippeerreger Influenza- oder Hepatitis-C-Viren, eine Zelle, so reagiert unser angeborenes Immunsystem sofort: Es schüttet Botenstoffe aus, die umliegende Zellen warnen, eine Entzündungsreaktion auslösen und das adaptive Immunsystem aktivieren. Ein Forscherteam um Marco Binder an der Universität Heidelberg hat nun einen Mechanismus entdeckt, über den diese Abwehrkaskade wieder abgeschaltet wird und der so langfristig Zellschäden und mögliche Autoimmunerkrankungen unterbindet.

Um den entsprechenden Mechanismus zu finden schalteten die Forscher in menschlichen Zellen nacheinander alle bekannten 719 Kinase-Gene aus. Dabei stellten sie fest, dass die Kinase DAPK1 das antivirale Programm der Zelle messbar bremst, indem es eine Phosphatgruppe auf den Rezeptor RIG-I überträgt. Die Phosphorylierung inaktivierte  den Rezeptor RIG-I, so dass sich die Viren ungebremst vermehren konnten.

RIG-I dient als Sensor für Infektionen mit so genannten RNA-Viren. Er erkennt das Erbgut der Viren an seiner speziellen Struktur, bindet dieses und löst anschließend eine Abwehrreaktionen aus. Etwa acht Stunden später aktiviert RIG-I seinen Gegenspieler DAPK1. Er inaktiviert RIG-I, so dass er keine RNA-Viren mehr erkennen kann. Damit wird die Abwehrreaktion gebremst.

Dieser Regulationsmechanismus verfügt über eine Art Zeitschaltuhr, die dafür sorgt, dass RIG-I zunächst ungebremst die Verteidigung gegen die Viren ankurbeln kann. Erst rund acht Stunden später wird DAPK1 aktiviert. „Sobald DAPK1 voll aktiv ist, sehen wir, wie im Gegenzug das antivirale Abwehrprogramm langsam wieder heruntergefahren wird. Im weiteren Verlauf unserer Forschung konnten wir zeigen, dass dies nicht nur eine zufällige zeitliche Korrelation war, sondern ursächlich zusammenhängt“, sagt Marco Binder. Ohne eine solche Gegenregulation des Körpers würde es zu einer überschießenden Ausschüttung von Botenstoffen der angeborenen Immunabwehr kommen, was zellschädigende Entzündungen und langfristig Autoimmunerkrankungen auslösen kann.

Fördert permanent aktives DAPK1 das Tumorwachstum?

Die neuen Erkenntnisse könnten möglicherweise erklären, warum sich bei manchen Patienten, die unter einer chronischen Infektion mit Hepatitis C-Viren leiden Leberkrebs entwickelt. Hepatitis C-Viren überlisten die körpereigene Abwehr und nisten sich dauerhaft in Leberzellen ein. In diesem Fall bleibt der Sensor RIG-I ständig aktiv und könnte daher auch DAPK1 permanent aktivieren. „Aktuelle Studien zeigen, dass bei bestimmten sehr aggressiven Tumoren eine Aktivierung von DAPK1 das Tumorwachstum massiv fördert“, fasst Marco Binder zusammen. „Wenn bei einer chronischen Hepatitis C-Infektion die ständige, latente Aktivierung von DAPK1 mit bestimmten genetischen Defekten zusammentrifft, ist das, als ob man Öl ins Feuer gießt.“ In Zukunft wollen die Forscher die Frage klären, ob beispielsweise ein Zusammenhang mit einem Defekt im p53-Gen besteht, das als „Wächter des Genoms“ wichtig für die DNA-Reparatur ist.

Deutsches Krebsforschungszentrum, 1. Februar 2017

Originalpublikation:

Willemsen et al. (2017): Phosphorylation-Dependent Feedback Inhibition of RIG-I by DAPK1 Identified by Kinome-wide siRNA Screening. Molecular Cell 2017. doi: 10.1016/j.molcel.2016.12.021

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