Mumien-DNA verrät: Menschen aus dem Nahen Osten waren nächste Verwandte der alten Ägypter

Lange galt das Erbgut von ägyptischer Mumien als nicht entzifferbar. War doch das dortige Klima zu heiß, viele der Gräber zu feucht und die Chemikalien, die zur Einbalsamierung genutzt wurden zu aggressiv, um das Erbgut bis in unserer Zeit zu konservieren. Doch all diesen Widrigkeiten zum Trotz ist es nun gelungen, die DNA ägyptischer Mumien zu entschlüsseln. Dabei fanden die Forscher heraus, dass die alten Ägypter mehr den damaligen Bewohnern des Nahen Ostens ähneln, als die heutigen Ägypter, welche genetisch enger mit den Bewohnern Afrikas südlich der Sahara verwandt sind. Das berichtet die Max-Planck-Gesellschaft.

Äußerer Sarg eines Mädchens. Auf den Langseiten des Sargkastens die Horussöhne in Schreinen. Auf der einen Schmalseite die Tote auf einen Schrein zuschreitend,
Datierung: 25. Dynastie (Kuschiten) (746 – 655 v.Chr.)
Material/Technik: Holz (Material); grundiert, bemalt, Farbe: grün, rot, schwarz, weiß
Länge x Breite x Tiefe 156 x 49 x 57 cm, Länge x Breite x Tiefe 152 x 48 x 56 cm (lt. Inv.), Gewicht: ca. 120 kg
Geograf. Bezug: Abusir el-Meleq (Ägypten / Mittelägypten), Grab 5
Inventar-Nr.: ÄM 16997
© bpk/Ägyptisches Museum und Papyrussammlung, SMB/Sandra Steiss

Seiner geografische Lage an der Schnittstelle dreier Kontinente verdankt Ägypten seit jeher einen intensiven Austausch zwischen den Völkern und Kulturen Afrikas, Asiens und Europas. Aufgrund neuer Analyseverfahren zur Untersuchung alter DNA kann nun die Geschichte Ägyptens mit Hilfe genetischer Daten aus menschlichen Überresten überprüft werden.

Bisher war es kaum möglich das Erbgut ägyptischer Mumien zu entziffern. Denn das heiße ägyptische Klima, die hohe Luftfeuchtigkeit in vielen Gräbern und einige der Chemikalien, die für die Mumifizierung verwendet wurden, tragen nicht gerade zum Erhalt der DNA bei. Deshalb waren die meisten Forscher davon ausgegangen, dass sich ägyptischen Mumien keine genetische Information entlocken lässt. Hinzu kommt noch die Gefahr einer Kontamination des alten Erbguts mit der DNA der Menschen, durch deren Hände die Muminen gegangen sind. Einem internationalen Forscherteam ist es nun trotz all dieser Widrigkeiten gelungen genetische Information aus solchen Mumien zu gewinnen.

Die Forscher verglichen das Erbgut der altägyptischen Bevölkerung aus einem Zeitraum von rund eineinhalb Jahrtausenden mit den heutigen Einwohnern Ägyptens. Dazu entnahmen sie Gewebeproben von 151 Mumien aus der Zeit von etwa 1400 vor Christus bis 400 nach Christus. Die Mumien stammen aus der archäologischen Grabungsstätte Abusir el-Meleq am Westufer des Nils in Mittelägypten, wo sie Anfang des 20. Jahrhunderts geborgen wurden. Heute befinden sie sich in der anthropologischen Sammlung der Universität Tübingen und in der Felix von Luschan-Schädelsammlung im Museum für Vor- und Frühgeschichte in Berlin.

Eroberung und Fremdherrschaft hinterließ kaum Spuren im Genom

Insgesamt gelang es den Forschern von 90 alten Ägyptern immerhin das Erbgut der Mitochondrien zu entschlüsseln. Diese Zellorganellen sind die Energiekraftwerke der Zelle und werden nur von der Mutter an die Kinder vererbt. Darüber hinaus konnte das vollständige Erbgut von drei Mumien rekonstruiert werden. Mit diesen neuen Erkenntnissen überprüften die Forscher welche Spuren die Eroberung Ägyptens durch fremde Mächte, wie etwa durch Alexander den Großen, im Erbgut der ägyptischen Bevölkerung hinterlassen hat. Zu ihrer Überraschung fanden sie jedoch keine größeren genetischen Veränderungen. (Da ein Großteil der DNA-Information von den Mitochondrien stammt gibt diese jedoch nur Hinweise darauf, dass die Eroberer wohl kaum eigene Frauen mitbrachten. Ob sich jedoch die als Eroberer gekommenen Männer mit der Bevölkerung vermischten ließe sich eher durch eine Analyse der Y-Chromosomen in den Bevölkerungen nachweisen. Anmerkung der Redaktion von Scimondo)

Heutige Ägypter unterscheiden sich genetisch von den alten Ägyptern

Den Forschern zufolge war die Bevölkerung des alten Ägypten am engsten mit den damaligen Bewohnern des Nahen Ostens verwandt. Es bestand jedoch auch eine enge Verwandtschaft mit den jungsteinzeitlichen Völkern der anatolischen Halbinsel* und Europas.

Ein Vergleich mit der genetischen Zusammensetzung der heutigen Ägypter ergab, dass diese in den letzten 1500 Jahren einen erheblichen genetischen Anteil aus den südlicheren Regionen Afrikas erworben haben. Sie weisen etwa acht Prozent mehr Gemeinsamkeiten mit Subsahara-Populationen auf als die Bewohner des alten Ägyptens. Laut den Forschern deutet dies darauf hin, dass es in dieser Zeit zu einem verstärkten Genfluss aus den Gebieten südlich der Sahara nach Ägypten kam. Mögliche Ursachen könnten eine erhöhte Mobilität entlang des Nils, die Zunahme des Handels zwischen den subsaharischen Gebieten und Ägypten oder der transsaharische Sklavenhandel sein, der vor etwa 1300 Jahren begann.

*Wobei die damalige Bevölkerung Anatoliens nicht mit den heute dort lebenden Türken identisch ist. Sie wanderten erst nach dem Zusammenbruch des Byzantinischen Reiches nach Anatolien ein.

von Ute Keck, 31. Mai 2017

Originalpublikation:

Verena J. Schuenemann, Alexander Peltzer, Beatrix Welte, W. Paul van Pelt, Martyna Molak, Chuan-Chao Wang, Anja Furtwangler, Christian Urban, Ella Reiter, Kay Nieselt, Barbara Tessmann, Michael Francken, Katerina Harvati, Wolfgang Haak, Stephan Schiffels & Johannes Krause
Ancient Egyptian mummy genomes suggest an increase of Sub-Saharan African ancestry in post-Roman periods. Nature 2017. doi:10.1038/ncomms15694

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