Wie Muscheln und Schwämme Öl als Nahrung nutzen

Farbenfrohes Spiel der Symbiose: Innerhalb von Zellen in den Kiemen von Bathymodiolus-Muscheln (Zellkerne in blau) finden sich Cycloclasticus (grün) neben größeren, methanoxidierenden Bakterien (rot).
© MPI f. marine Mikrobiologie

In der Tiefsee im Golf von Mexiko gibt es Vulkane, die Öl und Asphalt speien. Dort leben Muscheln und Schwämme in Symbiose mit Bakterien, die ihnen Nahrung liefern. Forscher haben nun bakterielle Symbiosepartner gefunden, die Öl als Energiequelle nutzen und sich von kurzkettigen Alkanen aus dem Öl ernähren. Nach der Explosion der Ölbohrplattform Deepwater Horizon haben vermutlich verwandte Bakterien diese Fähigkeit zum Abbau des Öls im Meer genutzt.

Gestank und Hitze, wenn ein neuer Straßenbelag aufgebracht wird; schwarze Klumpen am Strand, die an den Füßen kleben – Asphalt wirkt nicht wie ein gemütlicher Lebensraum. Dennoch kann er die Grundlage florierender Ökosysteme bilden – für Muscheln, Krebse, Würmer, Schwämme und viele andere Bewohner.

In den Tiefen des Golfs von Mexiko tritt Öl und Asphalt aus dem Meeresboden und bildet bizarr anmutende Strukturen, die an erkaltete Lava erinnern – so genannte Asphaltvulkane. Vor fast 15 Jahren entdeckten Bremer und US-amerikanische Forscher diesen Lebensraum. Noch immer steckt er voller Überraschungen, wie nun eine internationales Forscherteam um Maxim Rubin-Blum und Nicole Dubilier vom Bremer Max-Planck-Institut zeigt.

Die Campeche Knolls-Asphaltvulkane in etwa 3000 Metern Wassertiefe im Golf von Mexiko beheimaten eine diverse Lebensgemeinschaft. Doch wovon leben die Organismen? Den Asphalt und das Öl, die aus dem Boden austreten, können sie nicht direkt verwerten. Aber andere Nahrungsquellen sind in der Tiefsee rar. Deshalb haben sich einige von ihnen mit Bakterien verbündet, die ihnen dabei helfen die schwer abzubauenden Energiequellen zu nutzen: Denn diese Mikroorganismen können aus dem Öl sowohl Energie als auch lebenswichtigen Kohlenstoff gewinnen. Solche Bakterien haben Meeresforscher schon an anderen ölreichen Standorten gefunden – allerdings als freilebende Mikroorganismen.

Verwöhnte Ringbrecher

Die ölfressenden Bakterien gehören zur Gruppe Cycloclasticus. Ihren Namen, der „Ringbrecher“ bedeutet, verdanken sie einer besonderen Fähigkeit: Sie können schwer abbaubare Ringstrukturen im Öl, so genannte PAHs (polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe), knacken und verwerten. Das ist ein mühseliger Prozess, der viel Energie verschlingt.

Die symbiotischen Cycloclasticus, die die Forscher an den Asphaltvulkanen entdeckt haben, machen sich das Leben einfacher. Sie haben sich auf leicht abbaubare Bestandteile des Öls spezialisiert – so genannte kurzkettige Alkane wie Butan, Ethan und Propan. Die Fähigkeit die komplexen Ringstrukturen der PAHs zu knacken ist ihnen dabei vermutlich verloren gegangen. Solche Cycloclasticus-Bakterien, die nur auf kurzkettige Alkane setzen und keine PAH-Ringe mehr verwerten können, waren bisher nicht bekannt.

Weil kurzkettige Alkane leicht zu verwerten sind, konkurrieren allerdings viele Mikroorganismen um ihre Nutzung. Wie gelingt es da den symbiotischen Bakterien, auf eine so heiß umkämpfte Nahrung zu setzen und ihre Ringbrecher-Fähigkeiten zu vernachlässigen? Und das, obwohl sie in einem Lebensraum leben, der reich an PAH-Ringen ist?

Den Forschern zufolge können sie sich diesen ‚Luxus’ nur durch die Symbiose mit Muscheln und Schwämmen leisten. Ihre Wirte filtern das Meerwasser und versorgen sie auf diese Weise ständig mit kurzkettigen Alkanen. So haben sie für sich eine konkurrenzlose Nische erobert, in der sie nicht mit freilebenden Bakterien konkurrieren müssen.

In einem weiteren Schritt verglichen Rubin-Blum, Dubilier und ihre Kollegen das Genom der symbiotischen Bakterien mit dem freilebender, nah verwandter Cycloclasticus-Arten. Diese traten im Golf von Mexiko nach der Deepwater Horizon-Ölkatastrophe in großer Zahl auf. Tatsächlich konnte auch manche freilebende Art kurzkettige Alkane abbauen.

Das überraschte die Forscher, denn bislang gingen sie davon aus, Cycloclasticus könnten nur PAHs abbauen. Kurzkettige Alkane treten vor allem unmittelbar nach einem Ölaustritt auf und werden schnell von vielen verschiedenen Organismen abgebaut. Im Gegensatz zu den symbiotischen Bakterien haben sich ihre freilebenden Verwandten jedoch die Fähigkeit erhalten auch PAHs zu nutzen. So bleiben sie flexibel genug, um die deutlich zäheren PAHs zu verwerten, sobald die kurzkettigen Häppchen aufgebraucht sind.. Cycloclasticus scheint eine Schlüsselrolle beim marinen Ölabbau zuzukommen. Als nächstes wollen die Forscher die Physiologie und den Stoffwechsel der symbiotischen und freilebenden Arten miteinander vergleichen, um mehr über deren Beitrag zum Abbau von Kohlenwasserstoffen im Meer zu erfahren.

Max-Planck-Gesellschaft, 19. Juni 2017

Originalpublikation:

Maxim Rubin-Blum et al. Short-chain alkanes fuel mussel and sponge Cycloclasticus symbionts from deep-sea gas and oil seeps. Nature Microbiology; 19 June, 2017 DOI: 10.1038/nmicrobiol.2017.93

Kommentare sind geschlossen.