Hohe Stoffwechselrate macht Meisen mutig

 Der Stoffwechsel wirkst sich bei Kohlmeisen auf das Risikoverhalten aus. © Jan Wijmenga


Der Stoffwechsel wirkst sich bei Kohlmeisen auf das Risikoverhalten aus.
© Jan Wijmenga

Die Risikobereitschaft einzelner Tiere kann sehr unterschiedlich ausfallen. Sie zeigt sich etwa in der Reaktion der Tiere auf die Anwesenheit von Fressfeinden. Langzeituntersuchung an Kohlmeisen haben nun ergeben, dass das Risikoverhalten der Vögel sowohl von der Stoffwechselrate als auch der Umgebungstemperatur abhängt. Je höher ihre Stoffwechselrate und je niedriger die Umgebungstemperatur ist, desto näher wagen sich die Tiere an mögliche Fressfeinde heran.

Die Bereitschaft Risiken einzugehen, ist oft stark von äußeren Umständen abhängig. So ergab beispielsweise eine kürzlich veröffentlichte Studie, dass alleinstehende Männer risikofreudiger sind als Männer in einer festen Partnerschaft. Individuelle Unterschiede im Risikoverhalten gibt es aber nicht nur bei uns Menschen, sondern auch bei vielen Tieren. Doch nicht nur äußere Faktoren beeinflussen das Verhalten: Die allgemeine Stoffwechselrate des Körpers kann ebenfalls einen großen Einfluss haben. Bei Kohlmeisen gibt es etwa starke individuelle Unterschiede in der Stoffwechselrate, die über Jahre hinweg bestehen bleiben.

Ein Team aus Forschern vom Max-Planck-Institut für Ornithologie in Seewiesen hat nun in einer Langzeitstudie an Kohlmeisen den Zusammenhang zwischen Risikoverhalten, Stoffwechselrate und äußeren Faktoren untersucht. Dazu beobachteten die Forscher zwei Jahre lang die Stoffwechselraten und das Verhalten von 184 Kohlmeisen aus zwölf Populationen zwischen Ammersee und Starnberger See. Um Gewicht und Stoffwechselrate der Tiere zu ermitteln holten sie die Tiere aus ihren Nistkästen, wogen sie und setzten sie in eine Respirometer-Kammer. Anschließend erhielten die Tiere passive Transponder mit denen sie wieder freigelassen wurden. Um die Risikobereitschaft der einzelnen Tiere zu testen richteten die Wissenschaftler Futterstellen mit Transponder-Lesegeräten ein, an denen sie Attrappen von Greifvögeln aufstellten und gleichzeitig Warnrufe von Kohlmeisen abspielten. Mit Hilfe der Transponder konnten die Forscher messen, wie lange jedes einzelne Tier wartete, bis es sich wieder an die Futterstelle heran traute. Sie ergab ein Maß für die Risikobereitschaft der einzelnen Meisen. Die statistische Auswertung der Messergebnisse zeigte, dass sich Meisen mit einer hohen Stoffwechselrate weniger leicht von einer Attrappe abschrecken lassen als Artgenossen mit einem niedrigen Stoffwechsel.

Aber auch die Umgebungstemperatur hat einen starken Einfluss auf das Risikoverhalten: Bei niedrigen Temperaturen waren die Tiere mit niedrigem Stoffwechsel fast genauso risikofreudig wie die Tiere mit hohem Energieumsatz. “Unterschiede im Risikoverhalten sind also eng mit energetischen Beschränkungen verknüpft. Vögel, die einen hohen Energiebedarf besitzen, entweder weil sie eine hohe Stoffwechselrate haben oder weil sie niedrige Temperaturen zu einer höheren Thermoregulation zwingen, sind eher bereit, in einer Gefahrensituation auf Nahrungssuche zu gehen“, sagt Kimberley Mathot. Möglicherweise können Tiere mit hoher Stoffwechselrate Gefahren besser meistern und sind deshalb risikofreudiger.

Max-Planck-Gesellschaft, 29. September 2014

 

Originalpublikation:

Kimberley J. Mathot, Marion Nicolaus, Yimen G. Araya-Ajoy, Niels J.Dingemanse, Bart Kempenaers. Does metabolic rate predict risk-taking behaviour? A field experiment in a wild passerine bird Functional Ecology, 29 September 2014. DOI: 10.1111/1365-2435.12318

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