Auch kleine Gehirne können Erstaunliches leisten

Der Elefantebrüsselfisch. © GnathoMichel CC BY-SA 3.0

Der Elefantenrüsselfisch ist ein nur in Afrika vorkommender Nilhecht. © GnathoMichel CC BY-SA 3.0

Der Elefantenrüsselfisch erkundet seiner Umgebung, sowohl mit seinen Augen, als auch mit seinem elektrischen Sinn. Forscher haben nun untersucht, wie komplex die Verarbeitung dieser beiden Sinneseindrücke ist. Mit seinem winzigen Gehirn erbringt der Fisch Leistungen die man bisher nur Menschen oder Säugetieren zutraute.

Der Elefantenrüsselfisch (Gnathonemus petersii) gehört zu den Nilhechten, ist in den Flüssen Westafrikas beheimatet und jagt in der Dämmerung nach Insektenlarven. Dabei nutzt der etwa 25 cm lange Fisch sein elektrisches Organ im Schwanz, das schwache elektrische Impulse aussendet. In der Haut des Fisches befinden sich zahlreiche Sensoren, mit deren Hilfe er Veränderungen des elektrischen Feldes durch im Wasser vorhandene Objekt wahrnimmt. „Es handelt sich dabei um eine aktive Elektroortung, prinzipiell ähnlich wie die aktive Echoortung von Fledermäusen, die mit Ultraschall ein dreidimensionales Bild ihrer Umgebung wahrnehmen“, sagt Gerhard von der Emde an der Universität Bonn. Darüber hinaus kann sich der Elefantenrüsselfisch auch mit seinen Augen orientieren.

Ein Forscherteam um von der Emde hat nun untersucht, wie der ungewöhnliche Fisch die Informationen aus den verschiedenen Sinneskanälen verarbeitet. „Die Tiere nutzen normalerweise beide Sinne. Falls erforderlich, zum Beispiel weil einer der beiden Sinne keine Informationen liefert oder sich die Informationen der beiden Sinne stark unterscheiden, können die Fische aber zwischen ihrem Sehsinn und dem elektrischen Sinn hin- und herschalten“, fasst Schuhmacher, die die Versuche durchführte, zusammen. Wie sich die Fische mit diesen beiden Sinnen das jeweils beste Bild von ihrer Umgebung verschaffen, überraschte die Forscher: Wenn die Tiere ein Objekt zum Beispiel mit dem Sehsinn kennenlernten, konnten sie es auch mit dem elektrischen Sinn wiedererkennen, obwohl sie es nie zuvor elektrisch wahrgenommen hatten.

Zuverlässigste Sinnesinformation wird bevorzugt

Außerdem bewiesen die Fische eine Fähigkeit, die man ihnen bisher nicht zugetraut hatte: Sie gaben den Informationen mehr Gewicht, die sie für zuverlässiger hielten. Wenn im Nahbereich bis zwei Zentimeter beide Sinne unterschiedliche Informationen lieferten, vertrauten die Fische nur den elektrischen Informationen und waren dann für die visuellen Reize „blind“. Bei weiter entfernten Objekten vertrauten die Tiere dagegen vor allem auf ihre Augen. Am besten erfassten sie ihre Umgebung jedoch, wenn sie ihre beiden Sinne kombiniert einsetzten.

„Ein Transfer zwischen verschiedenen Sinnen war bisher nur von einigen hochentwickelten Säugetierarten wie Affen, Delfinen, Ratten und Menschen bekannt“, sagt von der Emde. Bewegen wir uns in einer dunklen, unbekannten Wohnung tastend vorwärts, um nicht zu stolpern und jemand macht das Licht an, so erkennen wir die ertasteten Hindernisse ohne Probleme mit den Augen wieder. Säugetiere verarbeiten solche Informationen mit ihrer Hirnrinde. Der Elefantenrüsselfisch besitzt jedoch nur ein relativ kleines Gehirn ohne Hirnrinde – und kann trotzdem zwischen den Sinnen hin und her schalten.

Ausgeklügelter Versuchsaufbau

Die Forscher dachten sich eine ausgeklügelte Untersuchungsanordnung aus: Der Elefantenrüsselfisch befand sich in einem Aquarium, von dem aus er Zugang zu zwei verschiedene Kammern hatte, zwischen denen das Tier wählen konnte. In der einen Kammer befand sich eine Kugel und in der anderen ein Quader. Der Fisch lernte, eines dieser Objekte anzusteuern, indem seine Wahl mit Insektenlarven belohnt wurde.

Die Forscher wollten herausfinden wann der Fisch einen bestimmten Sinn einsetzt. Dazu wiederholten sie das Experiment in absoluter Dunkelheit. In diesem Fall konnte das Tier nur seinen elektrischen Sinn einsetzten. Wie Aufnahmen mit der Infrarotkamera zeigten, gelang ihm die Objekterkennung nur auf nahe Distanzen. Bei Licht war der Fisch dagegen am erfolgreichsten, weil er Augen und elektrischen Sinn für die unterschiedlichen Entfernungen nutzen konnte. Um herauszufinden, wann der Fisch nur seine Augen nutzt, machten die Forscher die Objekte für den elektrischen Sinn unsichtbar. Die Kugel und der Quader, die gefunden werden sollten, besaßen nun die gleichen elektrischen Eigenschaften wie das Wasser.

Es waren viele Wiederholungen der einzelnen Experimente notwendig, um mit statistischen Auswertungen auf die Sinnesverarbeitung des Elefantenrüsselfischs schließen zu können. Insgesamt arbeiteten die Forscher mit zehn Tieren, die quasi im Schichtbetrieb eingesetzt wurden. „Dabei zeigte sich bei den verschiedenen Individuen ein fast identisches Verhalten“, sagt von der Emde. Deshalb sind sich die Wissenschaftler sicher, dass diese enorme Sinnesleistung nicht nur von einem besonders versierten Exemplar, sondern von allen Elefantenrüsselfischen erbracht werden.

Universität Bonn, 24.06.2016

Originalpublikation:

Sarah Schumacher, Theresa Burt de Perera, Johanna Thenert & Gerhard von der Emde: Cross-modal object recognition and dynamic weighting of sensory inputs in a fish, PNAS, doi: 10.1073/pnas.1603120113

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