Auf der Suche nach einem erfüllten Leben: Wie sich Buddhisten und griechische Philosophen in der Antike die Hand reichten

Einige Jahrhunderte vor unserer Zeitrechnung begannen Menschen im antiken Griechenland, wie auch in Indien sich darüber Gedanken zu machen, wie man als Mensch ein erfülltes Leben führen kann. In Griechenland diskutierten die Philosophen ausgiebig über dieses Thema. Zur gleichen Zeit breitete sich in Indien der Buddhismus aus. Kenner beider Denkrichtungen überrascht immer wieder die Ähnlichkeit der beiden Weltanschauungen. Meist schreiben sie diese Tatsache dem Zufall zu. Doch gibt es für diese Ähnlichkeiten noch eine andere Erklärung?

Akademie des Platon: Die griechischen Philosphen suchten auch nach einem Weg, wie man ein erfülltes Leben führen kann. © public domain.

Für die Philosophen im antiken Griechenland war das oberste Zeil ihrer Bemühungen einen Weg zu einem erfüllten Leben (Eudaimonia) zu finden. Bevor die antiken Philosophen sich mit diesem Thema beschäftigten glaubten die Menschen, ihr Schicksal werde durch die Götter, die „Daimones“ gelenkt. Wie bereits im alten Mesopotamien war dieser Vorstellung zufolge das Schicksal der Menschen vorherbestimmt. So waren etwa die Babyloniern davon überzeugt, alle Ereignisse eines Jahres würden auf den sogenannten Schicksalstafeln notiert. Eingeschrieben wurden sie beim Neujahrsfest, dem sogenannten Aktiu Fest. Noch heute erinnert der jüdische Neujahrsgruß „Mögest du für ein gutes neues Jahr eingeschrieben sein!“ an diese alte Tradition. Im Laufe eines Jahres musste sich also nach den antiken Vorstellungen nur noch erfüllen, was bereits beschlossen war.

Delphi. © Tanya Dedyukhina. CC BY 3.0. Wikimedia Commons.

Ein ähnliches Konzept steht hinter der Befragung des griechischen Orakels in Delphi. Es war dem vermutlich aus Babylon nach Griechenland importierten Gott Apollon geweiht, der auf die Fragen der Gläubigen nach ihrer Zukunft stets kryptische Antworten gab. Seinem Schicksal zu entrinnen war unmöglich, wie die antiken Heldengeschichten, etwa von Ödipus zeigen, dem es vom Schicksal vorherbestimmt war seinen Vater zu erschlagen und seine Mutter zu ehelichen.

Wenn jemand ein glückliches, erfülltes Leben genoss, schrieb man dies einem ihm wohl gesonnenen Gott zu. Der Ǵlückliche galt dann als eudaimon. (eu bedeutet im Griechischen gut). Um einem Kind einen guten Daimon an die Seite zu stellen, gab man ihm daher gerne den Namens eines Gottes, der es schützen sollte, oder zumindest war ein teil des Namens einem Gott gewidmet. So bedeutet etwa der Namen von Mordechai Bilshan, einer der Hauptfiguren im Buch Ester „Marduk ist der Herr“. Und der Name Gabriel heißt im hebräischen Gavri’EL „Gott ist meine Stärke“, wobei die Endung El, auf den Gott El verweist. Gleiches taten auch die alten Griechen, wie etwa der Name Apollodotus beweist, der „Geschenk des Apollon“ bedeutet. Und auch heute noch tragen viele Menschen Namen, die ihnen den Schutz eines Gottes oder Heilgen vermitteln sollen. Man denke nur an den Namenstag bei den Katholiken, der mancherorts immer noch wichtiger ist, als der eigene Geburtstag.

Die griechischen Philosophen hinterfragten das Konzept der Schicksalsmacht der Götter. Und bereits Heraklit (520 – 460 v. Chr.) soll gelehrt haben:

ἦθος ἀνθρώπῳ δαίμων.

Der Charakter eines Menschen ist sein Schutzgeist.

Heraklit. © public domain. Wikipedia Commons.

Er befreite also den Menschen von der unausweichlichen göttlichen Fügung und legte dem Menschen selbst die Verantwortung für das gelingen seines Lebens in die Hand. Herklit war davon überzeugt, der Kosmos werde von einem einzigen, rationalen Prinzip gelenkt, dem Logos. Anders als die weit verbreitete Vorstellung, nach der die Götter die Geschicke der Menschen und der Natur von außen nach ihrem willkürlichen Gutdünken lenken, sollte dieses regelhafte Prinzip des Logos von innen wirken. Und der Mensch sollte durch seinen Verstand auch Anteil an diesem Prinzip haben. Doch diese Tatsache der Verbundenheit mit dem Logos blieb den meisten Menschen verborgen, so Heraklit. Daher lauten die einleitenden Worte Heraklits zu seinem Buch über den Logos, wie folgt:

τοῦ δὲ λόγου τοῦδ ἐόντος ἀεὶ ἀξύνετοι γίνονται ἄνθρωποι καὶ πρόσθεν ἢ ἀκοῦσαι καὶ ἀκούσαντες τὸ πρῶτον· γινομένων γὰρ πάντων κατὰ τὸν λόγον τόνδε ἀπείροισιν ἐοίκασι πειρώμενοι καὶ ἐπέων καὶ ἔργων τοιούτων ὁκοίων ἐγὼ διηγεῦμαι κατὰ φύσιν διαιρέων ἕκαστον καὶ φράζων ὅκως ἔχει· τοὺς δὲ ἄλλους ἀνθρώπους λανθάνει ὁκόσα ἐγερθέντες ποιοῦσιν ὅκωσπερ ὁκόσα εὕδοντες ἐπιλανθάνονται

Für dies Wort [Logos, Weltgesetz, Weltseele] aber, ob es gleich ewig ist, gewinnen die Menschen kein Verständnis, weder ehe sie es vernommen noch sobald sie es vernommen. Alles geschieht nach diesem Logos, und doch gebärden sie sich wie Unwissende, so oft sie es probieren mit solchen Worten und Werken, wie ich sie künde, ein jegliches nach seiner Natur analysierend und deutend, wie sich’s damit verhält. Die anderen Menschen wissen freilich nicht, was sie im Wachen tun, wie sie ja auch vergessen, was sie im Schlafe [tun].

Und weiter führt er aus:

διὸ δεῖ ἕπεσθαι τῷ ξυνῷ, τουτέστι τῷ κοινῷ· ξυνὸς γὰρ ὁ κοινός. τοῦ λόγου δ᾽ ἐόντος ξυνοῦ ζώουσιν οἱ πολλοὶ ὡς ἱδίαν ἔχοντες φρόνησιν

Drum ist’s Pflicht dem Gemeinsamen zu folgen. Aber obschon der Logos allen gemein ist, leben die meisten doch so, als ob sie eine eigene Einsicht hätten.

Dieser Logos kann als göttlich betrachtet werden, oder auch nicht:

ἕν τὸ σοφὸν μοῦνον λέγεσθαι οὐκ ἐθέλει καὶ ἐθέλει Ζηνὸς ὄνομα

Das allein Weise ist Eins und will nicht und will doch auch wieder mit Zeus‘ Namen benannt werden.

Denn Heraklit zufolge bewegt der Logos als ordnendes Prinzip den gesamten Kosmos, so wie die Griechen bisher geglaubt hatten, dass Zeus die Welt durch seinen Blitz aufmische. Wobei der Logos jedoch, wie gesagt, von innen her wirken sollte.

Ein weiteres zentrales Prinzip war für Heraklit der stetige Wandel der Welt. Besonders bekannt wurde sein Bild der Flussmetapher:

Ποταμοῖσι τοῖσιν αὐτοῖσιν ἐμβαίνουσιν ἕτερα καὶ ἕτερα ὕδατα ἐπιρρεῖ

Man kann nicht zweimal in den gleichen Fluss steigen, weil einem immer neues Wasser entgegen fließt.

Wobei er jedoch keinesfalls meinte, wegen des Wandels gäbe es keine Beständigkeit, ganz im Gegenteil, wie folgendes Zitat belegt:

μεταβάλλον ἀναπαύεται

Es ist beständig indem es sich wandelt.

Laut Heraklit bleibt der Fluss eben gerade dadurch bestehen, indem ständig neues Wasser in ihm fließt. Würde dies nicht mehr der Fall sein, so würde der Fluss aufhören zu existieren. Damit hat Heraklit ein grundlegendes Prinzip des Lebens erkannt. Denn alle Lebewesen existieren nur, weil sie ständig von außen Nahrung und Nährstoffe aufnehmen und das, was sie nicht mehr brauchen an die Umgebung abgeben. Bestehen bleiben sie also gerade durch diesen stetigen Stofffluss, der durch sie hindurch geht. Und auch die Zellen unseres Körpers erneuern sich alle paar Jahre, wobei der Erneuerungsrhythmus für jeden Zelltyp anders ist. Und dennoch haben wir den Eindruck einer gleich bleibenden Identität.

Man kann nicht zweimal in den gleichen Fluss steigen. © Uoaei1. CC BY-SA 4.0

Typisch für Heraklit ist sein linguistisch kompakter, verspielter und zugleich immer etwas rätselhafter Stil. Seine Lehren sind nur in Fragmenten anderer Autoren erhalten. Sie sind oft nur einen Satz lang, aber dafür voller Aphorismen, Paradoxien und Wortspiele. Deshalb bieten seine Texte, ähnlich wie die Orakelsprüche von Delphi viel Raum für Interpretation. Er selbst war sich dieser Tatsache wohl bewusst. So schrieb er denn:

ὁ ἄναξ οὗ τὸ μαντεῖόν ἐστι τὸ ἐν Δελφοῖς οὔτε λέγει οὔτε κρύπτει ἀλλὰ σημαίνει

Der Fürst, dem das Orakel von Delphi gehört, erklärt nicht, verbirgt nicht, sondern er gibt Zeichen.

Daher bekam Heraklit bereits in der Antike den Beinamen der Dunkle (ὁ Σκοτεινός ho Skoteinós) und wurde von so manchem Zeitgenossen, sowie späterem Geschichtsschreibern missverstanden. So verfasste Diogenes Laertios etwa eine bitterböse Abhandlung über Herklits Leben, die er wohl alleine anhand von dessen Zitaten erfand.

Ephesos: Blick vom Theater auf die Hafenstraße. © Hans Weingartz. CC BY 3.0. Wikimedia Commons.

Heraklit lebte im ionischen Ephesus unter persischer Herrschaft. Doch im Gegensatz zu den persischen Zoroastriern verstand Heraklit Gegensätze als Teil eines größeren, vereinten Ganzen.

ταὐτό τ‘ ἔνι ζῶν καὶ τεθνηκὸς καὶ [τὸ] ἐγρηγορὸς καὶ καθεῦδον καὶ νέον καὶ γηραιόν· τάδε γὰρ μεταπεσόντα ἐκεῖνά ἐστι κἀκεῖνα πάλιν μεταπεσόντα ταῦτα

Und es ist das Selbe in uns, das lebend und tot, wach und schlafend, jung und alt ist; das erstere verändert sich und wird zum letzteren und das Letztere verändert sich und wird zum Ersteren.

Ahuramazda, Relief in Persepolis. © Ziegler175. CC BY 3.0. Wikimedia Commons.

Seine Lehre könnte daher auch als Gegenreaktion auf den Zoroastrismus verstanden werden, laut dem das Leben aus einem stetigen Kampf zwischen Gut und Böse besteht, indem der gute Ahura Mazda gegen seinen bösen Widersacher Ahriman kämpft.

Doch wie die Zoroastrier glaubte auch Heraklit der Kampf sei ein wichtiger Prozess, der die Welt in Bewegung hält.

εἰδέναι δὲ χρὴ τὸν πόλεμον ἐόντα ξυνόν, καὶ δίκην ἔριν, καὶ γινόμενα πάντα κατ‘ ἔριν καὶ χρεών

Man muss wissen, dass der Wettstreit allem zu Grunde liegt und dass Recht nur durch Streit erlangt wird und dass alle Dinge notwendigerweise nur durch den Wettkampf zustande kommen.

 Und weiter:

μάχεσθαι χρὴ τὸν δῆμον ὑπὲρ τοῦ νόμου ὅκωσπερ τείχεος

Die Bürger müssen für ihr Gesetz kämpfen wie für ihre Stadtmauer.

Für Heraklit war das Feuer das Grundelement des Kosmos. © Shan Sheehan. CC BY 2.0. Wikimedia Commons.

Und, wie schon die Zoroastrier maß auch er dem Feuer eine zentrale Bedeutung zu. Denn er betrachtete es als Grundelement des Kosmos, aus dem alle anderen Stoffe hervorgehen sollten. Andere ionische Zeitgenossen von ihm, die sogenannten Milesier, sahen das anders: Thales hielt das Wasser für das Grundelement. Er glaubte noch, wie schon die alten Babylonier, dass die Erde auf dem Wasser schwimmt. Thales Schüler Anaximander dagegen war der Auffassung, ein nicht näher definiertes Grenzenloses, das ohne Markierung ist läge allen Dingen zu Grunde. Dabei könnte es sich um eine Abstraktion des von Thales favorisierten Wassers handeln, das ja auch unstrukturiert und grenzenlos ist. Während Anaximanders Schüler Anaximenes zufolge das Grundprinzip vom Allem die Luft sein sollte, die sich dann kondensieren musste, um andere Strukturen hervorzubirngen. Vielleicht gab Heraklit dem Feuer den Vorzug, weil es ein Sinnbild für den stetigen Wandel ist, den er überall in der Welt sah. Verändert doch eine züngelnde Flamme ständig ihre Form.

Heraklit kritisierte auch das sture Lernen ohne ein tieferes Verständnis:

πολυμαθίη νόον οὐ διδάσκει· Ἡσίοδον γὰρ ἂν ἐδίδαξε καὶ Πυθαγόρην, αὖτίς τε Ξενοφάνεά τε καὶ Ἑκαταῖον

Das Lernen vieler Dinge vermittelt kein Verständnis; sonst hätte es Hesiod und Pythagoras und auch Xenophon und Hecataeus ein solches gelehrt.

Vielmehr sollte der Mensch versuchen den Logos zu verstehen, an dem er selbst Teil habe und so zu einer weisen Lebensführung gelangen.

σωφρονεῖν ἀρετὴ μεγίστη καὶ σοφίη ἀληθέα λέγειν καὶ ποιεῖν κατὰ φύσιν ἐπαΐοντας

Verständigsein ist die wichtigste Tugend; und die Weisheit besteht darin, das Wahre zu sagen und zu tun, auf die Natur hinhorchend.

Doch er sah auch die Beschränkungen des Menschen in seiner Sichtweise:

τῷ μὲν θεῷ καλὰ πάντα καὶ ἀγαθὰ καὶ δίκαια, ἄνθρωποι δὲ ἃ μὲν ἄδικα ὑπειλήφασιν ἃ δὲ δίκαια

Für einen Gott ist alles gut, gerecht und schön. Aber dem Menschen erscheint manches ungerecht und anderes fair.

Denn der Mensch erkennt meist nicht, dass die Gegensätze schließlich doch ein harmonisches Ganzes bilden:

οὐ ξυνιᾶσιν ὅκως διαφερόμενον ἑωυτῷ ὁμολογέει· παλίντροπος ἁρμονίη ὅκωσπερ τόξου καὶ λύρης

Sie verstehen nicht, wie einander Entgegengespanntes mit sich selbst übereinstimmt: eine wider sich selbst gewendete Harmonie, wie beim Bogen und der Leier.

und:

τὸ ἀντίξουν συμφέρον καὶ ἐκ τῶν διαφερόντων καλλίστην ἁρμονίαν καὶ πάντα κατ‘ ἔριν γίνεσθαι

Das auseinander Strebende vereinigt sich und aus den verschiedenen [Tönen] entsteht die schönste Harmonie und alles entsteht durch den Wettstreit.

Urwald Sababurg. © Ökologix. CC BY-SA 3.0. Wikimedia Commons.

Auch in diesem Fall erkannte Heraklit einen wesentlichen Faktor, der das Leben bestimmt und die Evolution vorantreibt. So herrscht etwa in einem Wald zwischen den Pflanzen eine harte Konkurrenz um Licht und Nährstoffe und zwischen den Tieren um Nahrung. Dennoch ergibt der Wald ein harmonisches Ganzes, ein funktionierendes Ökosystem, so er sich denn im Gleichgewicht befindet.

Viele Zitate von Heraklit kommen uns heute asiatisch, manche auch buddhistisch vor. Aber ob sie dies zu Zeiten von Heraklit bereits waren, wissen wir nicht. Denn aus dieser Zeit liegen uns keine schriftlichen Dokumente aus Asien vor. Die ältesten buddhistischen Texte, die man bisher gefunden hat sind auf Birkenrinde geschriebene Textfragmente. Sie wurden in der Zeit zwischen dem 1. Jahrhundert v. Chr und dem 3. Jahrhundert n. Chr. in Gandhara, im Grenzgebiet zwischen dem heutigen Pakistan und Afghanistan niedergeschrieben. Die meisten buddhistischen Texte sind jedoch noch viel jüngeren Datums.

Fragmente von auf Birkenrinde geschriebenen buddhistischen Texten aus Gandhara, (1. Jahrhundert n. Chr. ). © Gemeinfrei. Wikimedia Commons.

Durch sein Konzept des Logos legte Heraklit nicht nur die Grundlage für eine abstrakte, monotheistische Sicht auf die Welt, sondern auch für eine vom Menschen zu verstehende Natur. Denn erst die Vorstellung eines rational die Welt ordnenden Prinzips bildete die Grundlage für ein wissenschaftliches Erforschen und Verstehen der Naturgesetze. Bisher hatten die Mesopotamier und Ägypter zwar auch die Natur beobachtet, doch ihr Ziel war nicht die Natur um ihrer selbst willen zu verstehen, sondern sie wollten darin nach Botschaften von den Göttern suchen. So waren etwa schon die Babylonier dazu in der Lage Sonnen- und Mondfinsternisse vorherzusagen. Doch sie sahen darin schlechte Omen, gegen die es Vorkehrungen zu treffen galt. Ähnliche Vorstellungen hatten sie über die Wochentage: So waren bei den Assyro-Babyloniern jeweils der 7te, 14te, 21te und 28te Tag ein „schlechter“ Tag, an dem bestimmte Aktivitäten zu unterlassen waren. Um die Götter gnädig zu stimmen, musste man ihnen an diesen Tagen opfern. Diese unfreiwilligen Ruhetage sind der Ursprung für den jüdischen Sabbat (an dem nach orthodoxem Glauben auch keinerlei Arbeit verrichtet werden darf) und unseren Sonntag.

Nachdem Heraklit das Konzept des Logos in die Welt gesetzt hatte wurde es zu einem wesentlichen Bestandteil der griechischen Philosophie. Wobei die verschiedenen Denkschulen unterschiedliche Vorstellungen entwickelten. Allen gemeinsam war jedoch die Überlegung, ein glückliches Leben in Eudaimonie könne ein Mensch nur in Harmonie mit dem Logos führen, dem natürlichen Gesetz oder der Weltseele, das den gesamten Kosmos durchdringen sollte. Damit dies gelingt musste das eigene Handeln von einer übergeordneten Ethik geleitet werden. Dazu sollte man seine Leidenschaften mäßigen (Apathia), was einen ausgeglichenen, unerschütterlichen Gemütszustand (Ataraxie) versprach. Ein glückliches Leben war für die antiken Griechen ohne die vier Grundtugenden Tapferkeit (ανδρεία, andreia), Gerechtigkeit (δικαιοσύνη, dikaiosýne) Besonnenheit (σωφροσύνη, sophrosýne) und Frömmigkeit (εὐσέβεια, eusébeia) nicht denkbar.

Sokrates. © Marie-Lan Nguyen. CC BY 2.5. Wikimedia Commons.

Eine der bekanntesten antiken Philosophieschulen war die der Platoniker. Sie beriefen sich auf Sokrates, den Lehrer Platons, der von 469 v. Chr bis 399 v. Chr. in Athen gelebt und gelehrt hat. Sokrates ist für seinen Ausspruch „Ich weiß, dass ich nichts weiß.“ in die Geschichte eingegangen. Dieses Motto galt ihm als Ausgangspunkt, um anerkannte Denkweisen in Frage zu stellen und auf ihren Sinn und ihre Richtigkeit hin zu überprüfen. Er entwickelte die nach ihm benannte sokratische Methode, mit deren Hilfe ein Lernender durch geeignete Fragen seine Irrtümer selbst entdecken und so zu neuen Einsichten gelangen sollte.

Platon. © public domain. Wikimedia Commons.

Sokrates Schüler Platon war einer der bedeutendsten Philosophen der Antike. 387 v. Chr. gründete er in der Nähe von Athen, in einem Hain des antiken Helden Akademos seine Philosophieschule, die nach dem antiken Helden Akademeia genannt wurde. Wie damals üblich errichtete Platon dort einen Kultbezirk für die Musen und gab philosophisch-wissenschaftlichen Unterricht. Die Platonische Akademie ist nicht nur die älteste der antiken Philosophieschulen, sondern auch diejenige, die am längsten bestehen blieb. Sie wurde erst 529 n. Chr. von dem christlichen Kaiser Justinian geschlossen, als die christlichen Herrscher alle antiken Philosophieschulen verboten, da sie ihnen wegen dem heidnischen Kult der Musen suspekt waren.

Platon ersetzte bei den vier Grundtugenden, die seines Erachtens für ein erfülltes Leben notwendig waren, die Frömmigkeit durch die Klugheit (φρόνησις, phrónesis) oder Weisheit (σοφία, sophía). Nach ihm konnte das menschliche Leben also nur gelingen, wenn ein Mensch zugleich weise, mutig, besonnen und gerecht war.

Doch Platons Nachfolger beschäftigten sich nicht nur mit der Frage, wie das menschliche Leben gelingen kann. Sondern sie diskutierten und lehrten auch so diverse Themen wie Metaphysik, Ontologie, Erkenntnistheorie, Wissenschaftstheorie, Dialektik, Ethik, Verfassungstheorie, Mathematik, Geometrie, Astronomie, Kosmologie, Physik, Seelenlehre, Sprachwissenschaft und philosophische Theologie. Ihren Gründer Platon verehrten sie auf eine tiefe, geradezu religiöse Weise und feierten seinen Geburtstag am siebten Tag des Monats Thargelion (Mai/Juni), dem mythischen Geburtstag des Gottes Apollon. Dieser Gott wurde von den Pythagoreern und Platonikern besonders verehrt, galt er ihnen doch als Verkörperung des Einen. Denn sie deuteten seinen Namen als A-pollon („der Nichtviele“), zusammengesetzt aus a- („nicht“, Alpha privativum) und pollón („viel“).

Aristoteles. © Eric Gaba. CC BY-SA 2.5. Wikimedia Commons.

Einer der vielen Schüler Platons war Aristoteles ( 384 – 322 v. Chr.), dessen Erkenntnisse noch über Jahrhunderte eine zentrale Bedeutung für das Weltbild der Antike, des muslimischen Reiches und des aufstrebenden Europas der Renaissance haben sollten. Er soll der Lehrer Alexander des Großen gewesen sein. Aristoteles zufolge waren für ein Leben in Eudaimonie gleich zwölf Tugenden notwendig: Klugheit (phronesis), Gerechtigkeit (dikaiosyne), Tapferkeit (andreia), Mäßigung (sophrosyne), Freigebigkeit (eleutheriotes), Hilfsbereitschaft (megaloprepeia), Seelengröße (megalopsychia), Sanftmut (praotes), Wahrhaftigkeit (aletheia), Höflichkeit (eutrapelia), Einfühlungsvermögen (philia) und Weisheit (sophia). Wobei letztere ihm am wichtigsten war. Denn für Aristoteles war die Kontemplation darüber, was die Welt im Innersten zusammen hält und über den Sinn des Lebens die höchste Tätigkeit des Geistes. Für einen Menschen, der darin geübt ist, sollte dies die nachhaltigste und befriedigendste Tätigkeit sein. Doch für ein eudaimonisches Leben mussten seiner Meinung nach noch einige äußere, günstige Umstände hinzu kommen, wie Unterstützung durch Familie und Freunde, Bildung, Gesundheit, Wohlstand, ein halbwegs attraktives Aussehen und ein Quäntchen Glück.

Pyrrhon. © public domain. Wikimedia Commons.

Eine weitere wichtige philosophische Denkrichtung begründete Pyrrhon aus Elis, (360 – 272 v. Chr) mit dem Skeptizismus. Laut Diogenes Laertios soll Pyrrhon Alexander den Großen bei der Eroberung des Perserreiches begleitet haben. Dabei soll er sich in Indien mit Gymnosophisten, nackten indischen Asketen, ausgetauscht haben. Von ihnen soll er seine philosophische Haltung übernommen haben: Sie besagt, dass es gleich viele Argumente für oder gegen jede Meinung gibt. Deswegen soll sich Pyrrhon jeglichen Urteils enthalten haben. Dazu schrieb Diogenes Laertios: „Als Endziel nehmen die Skeptiker die Zurückhaltung des Urteils an, der wie ein Schatten die unerschütterliche Gemütsruhe folgt.“ Für Pyrrhon und seine Anhänger hatte nur die Tugend an sich einen Wert für ein gelungenes Leben, andere weltliche Aspekte, wie Wohlstand, Bildung, Gesundheit oder Ansehen sahen sie als entbehrlich an. Folgerichtig soll Pyrrhon ein Leben als Asket geführt haben. Doch, wie seine Biographie über Heraklit bereits gezeigt hat, ist Diogenes Laertios Glaubwürdigkeit als Biograph eher fragwürdig. Da dieser seine Biographien der antiken Philosophen im 3. Jahrhundert n. Chr. verfasste, waren ihm die buddhistischen Lehren vermutlich zumindest teilweise bekannt, weil sich der Buddhismus zu dieser Zeit bereits weit verbreitet hatte. Es ist dagegen völlig unklar, ob und wie weit diese Lehren zu Zeiten Pyrrhons bereits in Indien verbreitet waren.

Laut seinem Schüler Timon soll Pyrrhon gelehrt haben:

Was ethische Fragestellungen (pragmata) angeht, so sind sie alle logisch nicht zu begründen (adiaphora) und instabil (astathmēta) und nicht zu beurteilen (anepikrita). Daher vermitteln uns weder unsere Sinneswahrnehmungen, noch unsere Vorstellungen (doxai) die Wahrheit oder eine Lüge (über die pragmata). Deshalb sollten wir keinesfalls auf sie vertrauen. Statt dessen sollten wir ohne Meinung (adoxastous), unvoreingenommen (aklineis) und standhaft in unserer Absicht sein (akradantous) nicht zu wählen, indem wir über jede Fragestellung sagen, das sie nicht weniger wahr, als falsch, oder zugleich wahr und falsch oder weder wahr noch falsch ist.

Diese Passage erinnert stark an Vorstellungen, die wir heute mit dem Buddhismus verbinden und die auch zur Zeit von Diogenes Laertios vermutlich als solche erkannt wurden. Laut Christopher I. Beckwith entsprechen die drei Begriffe adiaphora, astathmēta, and anepikrita den drei Daseinsmerkmalen im Buddhismus.

Das Ende von Timons Zitat stellt eine typisches Tetralemma dar. Dabei handelt es sich um eine logische Figur, die in vier Sätzen einem Objekt eine Eigenschaft: 1. zuspricht, 2. abspricht, 3. sowohl zu- als auch abspricht 4. weder zu-, noch abspricht. Sie kommt auch in der indischen Logik vor und wird dort als Catuṣkoṭi bezeichnet.

Doch laut Diogenese Laertius hatte Pyrrhon auch die Werke von Demokrit (460 – 370 v. Chr.) studiert. Und dabei konnte er zu ähnlichen Erkenntnissen gelangt sein. Hatte doch Demokrit ganz richtig erkannt, dass alle Sinneswahrnehmungen auf Veränderungen in unserem Körper zurück gehen. Dies warf jedoch das Problem auf, dass unser Wissen über die Welt nur auf unseren Sinneswahrnehmungen beruht. Die Sinne selbst stehen jedoch nicht in direktem Kontakt mit den Dingen. Was wiederum zu Lücken und Fehlern führen kann.

Darüber hinaus sollte laut Demokrit die gesamte Natur aus kleinsten unsichtbaren, unteilbaren Elementarteilchen, den Atomen, aufgebaut sein. Zwar stellte er sich diese Teilchen ganz anders vor, als wir dies heute tun. Dennoch war diese Vorstellung ein erster Schritt zu einer abstrakten Erklärung über die Beschaffenheit der Welt. Demokrits zentrale Aussage hierzu könnte folgendermaßen zusammengefasst werden:

Nur scheinbar hat ein Ding eine Farbe, nur scheinbar ist es süß oder bitter, in Wirklichkeit gibt es nur Atome im leeren Raum.

Demokrits Theorie könnte also auch die Grundlage für die buddhistische Vorstellung vom Nirwana gewesen sein, da er als erster die Leere als ein Grundelement des Kosmos definierte.

Jedenfalls fasste der Pyrrhonist Sextus Empiricus im zweiten Jahrhundert n. Chr. die Philosophie des Pyrrhon zusammen. Die Inhalte dieser Philosophie Stimmen in weiten Teilen mit Aussagen des Madhyamaka-Buddhismus überein, wie Matthew Neale am Oriental Institut der Oxford Universität darlegt. Ob die pyrrhonistische Lehre, so wie sie Sextus Empiricus zusammenfasste, tatsächlich dem entsprach, was Pyrrhon zu seinen Lebzeiten lehrte, lässt sich heute nicht mehr mit Sicherheit sagen. Dennoch ist klar, dass es irgendeine Art von kulturellem Austausch zwischen Indien und Griechenland gegeben haben muss. Denn diese philosophischen Überlegungen sind keineswegs trivial, sondern hoch komplex und die Wahrscheinlichkeit, dass sie zu einem etwa gleichen Zeitpunkt in zwei verschiedenen Kulturen unabhängig voneinander entstanden sind, ist eher gering.

Griechisch-Baktrische Königreiche. Größte Ausdehnung um 180 v. Chr. © No machine-readable author provided.. CC BY-SA 3.0. Wikimedia Commons.

Doch wie können wir uns diesen kulturellen Austausch vorstellen? Eine mögliche Erklärung hierfür sind die Griechisch-Baktrischen- und Indo-Griechischen Königreiche, die nach der Eroberung dieser Gebiete durch Alexander den Großen im Jahr 334 v. Chr. gegründet wurden. Durch diese Reiche konnte es zu einem intensiven kulturellen Austausch zwischen der griechisch-hellenistischen Kultur und den asiatischen Vorstellungen kommen. Die griechischen Herrscher und ihre Nachfolger gelten auch als Begründer des Graeco-Buddhismus. Diese buddhistische Ausprägung entwickelte sich im heutigen Afghanistan und Pakistan in einem Zeitraum von mehreren Jahrhunderten. Dabei beeinflusste vermutlich einerseits die griechische Philosophie die Entwicklung des Mahayana-Buddhismus, der sich ab dem 2. Jahrhundert über die Seidenstraße bis nach China, Vietnam, Japan, Tibet, Bhutan, Taiwan, Korea, Japan, die Mongolei und in dem asiatischen Osten Russlands ausbreitete. Und andererseits dürften die buddhistischen Lehren ihrerseits wiederum die philosophischen Schulen der antiken Griechen und Römer beeinflusst haben.

Indo-Griechische Königreiche um 100 v. Chr. © Thomas Lessman. CC BY-SA 3.0. Wikimedia Commons..

Epiktet. © public domain.

So lehrte etwa der Stoiker Epiktet (50 – 138 n. Chr.) Inhalte, die uns heute eher buddhistisch anmuten, wie Auszüge aus dem von seinem Schüler Arrian zusammengestellten Encheiridion belegen:

Hüte dich also vor Abneigung gegenüber allen Dingen, die nicht in unserer Macht stehen, und gib ihr nur nach gegenüber den Dingen, die in unserer Macht stehen (…). Das Begehren aber laß für den Augenblick ganz sein. Denn wenn du etwas begehrst, was nicht in unserer Macht steht, dann wirst du zwangsläufig unglücklich (…). Beschränke dich auf den Willen zum Handeln und auf den Willen, nicht
zu handeln, doch nicht verkrampft, sondern mit
Zurückhaltung und Gelassenheit.

Nicht die Dinge selbst beunruhigen die Menschen,
sondern ihre Urteile und Meinungen über sie.

Bei allem, was dir Freude macht, was dir nützlich ist oder was du gern hast, denke daran, dir immer wieder zu sagen, was es eigentlich ist. Fang bei den
unbedeutendsten Dingen an. Wenn du zum Beispiel an einem Topf hängst, dann sage dir: «Es ist ein einfacher Topf, an dem ich hänge.» Dann wirst du dich nämlich nicht aufregen, wenn er zerbricht. Wenn du dein Kind oder deine Frau küßt, dann sage dir: «Es ist ein Mensch, den du küßt. » Dann wirst du deine Fassung nicht verlieren, wenn er stirbt.

Für die Stoiker war es von zentraler Bedeutung zwischen den Dingen zu unterschieden, die in unserer Macht stehen und denen die nicht in unserer Macht stehen. Um zu vermeiden unglücklich zu sein, sollte man nur die Dinge anstreben, die in unserer Macht liegen, wie unsere Meinung, Motivation, das wonach wir streben und das was wir zu meiden suchen. Kurzum alles, was wir durch eigenes Handeln erreichen können. Nicht in unserer Macht liegt laut den Stoikern dagegen unser Körper, unser Besitz, unser Ansehen und unsere Stellung in der Gesellschaft. Also alles, was wir durch unsere Handeln nicht beeinflussen können. So konnte jeder Mensch ein lebenswertes Leben führen, wenn er tugendhaft war. Egal ob er arm oder reich, gesund oder krank, mächtig oder Sklave war.

Ein Bogenschütze sollte sich beispielsweise ganz darauf konzentrieren den Bogen gut zu warten und optimal zu bedienen, indem er etwa auch den besten Zeitpunkt wählt, um den Pfeil abzuschießen. Dagegen sollte er jedoch seine Bemühungen nicht darauf konzentrieren unbedingt gewinnen zu wollen, denn dies steht nicht in seiner Macht. Denn bereits ein Windstoß könnte sein Ziel unerreichbar machen.

Wie auch schon Platon, betrachteten die Stoiker die vier Grundtugenden Klugheit, Mut, Gerechtigkeit (im Sinne von Fairness und objektiver Beurteilung des Verhaltens ihrer Mitmenschen) und Besonnenheit als essentiell für ein lebenswertes Leben. Diese vier Grundtugenden wurden auch vom Judentum und später vom Christentum übernommen. Wobei das Christentum die vier Grundtugenden um die christlichen Tugenden Glaube, Liebe und Hoffnung ergänzte. Wie Diotima Coad in ihrer Masterarbeit zeigt, nutzte der Apostel Paulus Konzepte der stoischen Ethik um seine römischen Zuhörer vom neuen Glauben zu überzeugen. Sowohl die Stoiker, als auch Paulus waren davon überzeugt, dass jeder Mensch Anteil am Logos über seine Vernunft hat, die sich in der Gerechtigkeit zeigt. Wobei diese beim Menschen nur als Funke vorhanden ist, der gepflegt werden muss, um dem Logos näher zu kommen. Um dies zu erreichen musste man eine moralische Haltung einnehmen und gerecht handeln.

Epiktet berief sich bei seiner Lehre auf die frühen Stoiker Zenon, Kleanthes und Chrysippos. Doch ganz besonders verehrte er auch Sokrates, der ihm als Vorbild für ein tugendhaftes und nach ethischen Grundsätzen geführtes Leben galt. Als echter Stoiker hielt er jedoch das Leben der Kyniker für ideal, da er diese für unbestechliche Asketen hielt. Im Vergleich zu diesen bevorzugten die Stoiker jedoch einen mittleren Weg. Nach dem Motto, wenn man schon kein Kyniker sein konnte sollte man wenigstens Stoiker sein.

Einer der berühmtesten Kyniker war Diogenes von Sinope, der keinen Besitz hatte und nur in einer Tonne lebte. Von ihm ist unter anderem folgendes überliefert:

„Die Griechen […] beschlossen, mit Alexander gegen die Perser einen Kriegszug zu unternehmen, wobei er auch zum Oberfeldherrn ernannt worden war. Da bei dieser Gelegenheit viele Staatsmänner und Philosophen ihm die Aufwartung machten und Glück wünschten, dachte er, daß auch Diogenes von Sinope, der sich eben in Korinth aufhielt, ein Gleiches tun würde. Aber dieser blieb ungestört in seiner Ruhe im Kraneion [Platz in Korinth], ohne sich im Geringsten um Alexander zu kümmern; daher begab der sich zu Diogenes hin. Diogenes lag eben an der Sonne. Als aber so viele Leute auf ihn zukamen, reckte er sich ein wenig in die Höhe und sah Alexander starr an. Dieser grüßte ihn freundlich und fragte, womit er ihm dienen könnte. ‚Geh mir nur‘, versetzte er, ‚ein wenig aus der Sonne!‘ Davon soll Alexander so sehr betroffen gewesen sein und, ungeachtet der ihm bewiesenen Verachtung, den Stolz und die Seelengröße des Mannes so sehr bewundert haben, dass er, als seine Begleiter beim Weggehen darüber scherzten und lachten, ausrief: ‚Wahrlich, wäre ich nicht Alexander, ich möchte wohl Diogenes sein.‘“

Diogenes mit seiner Tonne bekommt Besuch von Alexander dem Großen. © Sculptureholic. CC BY-SA 4.0. Wikimedia Commons.

Den Stoikern zufolge erfüllten die Kyniker optimal die ihrer Meinung nach wichtigsten gesellschaftlichen Aufgaben: Ständig philosophischen Unterricht zu erteilen, zu einem einfachen Leben aufzurufen und die gesellschaftlichen Verhältnisse zu kritisieren.

Im antike Griechenland gab es auch Menschen, die an eine Seelenwanderung und eine Wiedergeburt nach dem Tod glaubten. Diese Vorstellung entsprang der Annahme, dass die Seele unsterblich ist und bereits vor der Geburt des Menschen in einem göttlichen Bereich existierte. Wobei sie keinen Unterschied zwischen Seelen von Tieren und Menschen sahen. Wegen schlechter Taten, so glaubten sie, müsse die Seele in verschiedenen Gestalten so lange wiedergeboren werden bis sie ihren göttlichen Status wieder erlangte. Vertreter dieser Vorstellungen waren etwa der Dichter PindarPythagoras, und die Pythagoreer, Platon und die Orphiker. Am Ende von Platons Staat findet sich etwa der Mythos von dem gefallenen Krieger Er, der nach einem Besuch in der Welt der Verstorbenen ins Leben zurück kehrte. Er berichtet den Menschen, wie die Seelen je nach ihrer Tugendhaftigkeit entweder in die Unterwelt oder in den Himmel gelangen und nach einiger Zeit nach einer Kombination aus Losverfahren und eigener Wahl in einer neunen Form wiedergeboren werden.

Münze, die der spätere König Agatokles in Erinnerung an Euthdemos hat prägen lassen. Sie trägt den Schriftzug EUTHDEMOY THEOY. „Dem Gott Euthydemos.“ © PHGCOM. CC BY-SA 3.0. Wikimedia Commons.

Doch nun zurück nach Asien. Über die griechisch-baktrischen und indo-griechischen Herrscher ist nicht sehr viel überliefert. Sie haben vor allem viele Münzen hinterlassen, anhand derer Historiker versuchen die damalige Abfolge der Herrscher nachzuvollziehen. Allgemein war es unter den Diadochen, den Nachfolgern Alexander des Großen, sehr beliebt, sich wie dieser bereits zu seinen Lebzeiten, als Gott verehren zu lassen. So galten etwa die Ptolemäer, die in Ägypten die Macht übernommen hatten, als leibhaftige Pharaonen, also als Gottkönige. Auch die griechischen Herrscher in Asien ließen sich sowohl als „Retter“, griechisch Sôter, als auch teils als Götter, Theos, verehren, wie Münzfunde etwa von den griechisch-baktrischen Königen Diodotus II Theos, Euthydemos und dem persisch-griechischen König Antiochos II. Theos belegen.

Vermutlich waren die griechisch-baktrischen und die griechisch-indischen Herrschaftsgebiete in kleinere Satrapien unterteilt, die jeweils einem mächtigeren Herrscher unterstellt waren. So deuten zumindest manche Historiker die Tatsache, dass die griechisch-römische Literatur nur sechs griechisch-baktrische Könige kennt, während aufgrund von Münzfunden inzwischen die Namen ganzer 32 solcher Könige bekannt sind. Die Satrapien könnten unter den Verwandten der mächtigsten Herrscher aufgeteilt worden sein. Und nicht selten waren die Herrscherhäuser untereinander zerstritten und kämpften gegeneinander.

Diodotus I (herrschte c.a 255 – 239 v. Chr.) war wohl zunächst Gouverneur der tausend Städte von Baktrien, wie der Geschichtsschreiber Justin berichtet. Daher prägte er anfangs noch Münzen im Auftrag des griechisch-persischen Königs Antiochus II. Doch er erklärte sich später unabhängig von den Seleukiden und nahm die Königswürde an. Er gilt als Begründer des Griechisch-Baktrischen Königreiches.

Lage von Ai Khainoum vor den Toren Indiens. © PHGCOM. CC BY-SA 3.0. Wikimedia Commons.

Aus dieser Zeit sind inzwischen auch von den Griechen gegründete Städte ausgraben worden, wie etwa die Stadt Ai Khanoum im Nordosten Afghanistans, vor den Toren Indiens, bei der es sich um die antike Stadt Alexandria am Oxus und das spätere Eukratidia handeln könnte. Sie wurde wohl kurz nach Alexanders Feldzug in Asien gegründet. In dieser Stadt befindet sich ein griechisches Theater und ein Gymnasion. Beides typisch griechische Bauten. Weiter gab es ein großes Palastgebäude das griechische mit persischen Stilelemente vereinte. Sowie ein Verwaltungsviertel.

Herkules Statue aus Ai Khanoum. © Livius.org. CC0 1.0. Wikimedia Commons.

Darüber hinaus gab es in Ai Khanoum ein Heroon aus der ersten Hälfte des 3. Jahrhunderts v. Chr., in dem der Stadtgründer Kineas begraben war, wo er von der Bevölkerung verehrt werden konnte. Dort war eine griechische Inschrift mit den letzten fünf delphischen Maximen aus dem Tempel des Apollon in Delphi zu lesen, deren Text der Grieche Klearchos direkt von einer Reise nach Delphi mitgebracht hatte:

„Als Kind sei anständig / als Jugendlicher beherrscht / als Erwachsener gerecht / als Greis vernünftig / im Sterben ohne Kummer“

Manche Forscher sind der Meinung bei dem Heoon hätte sich eine Stele befunden, auf der auch die anderen delphischen Maximen eingraviert waren.

Doch Ai Khanoum war wohl keineswegs nur eine griechische Granisonsstadt, wie der Fund eines philosophischen Textes nahe legt. In den von den Griechen gegründeten Städten kam es also vermutlich zu einem intensiven kulturellen Austausch zwischen Griechen und der einheimischen Bevölkerung.

Diese Annahmen wird auch durch den Tempel gestützt, der sich in der Mitte der Stadt befindet. Denn seine Architektur erinnert eher an einen mesopotamischen Tempel, da in seiner Außenwand Nischen eingelassen sind. Beim Bau dieses Tempels berücksichtigte man vermutlich den Stil, den die heimische Bevölkerung bereits aus der Zeit des Perserreiches gewohnt war. Der Tempel könnte gleichzeitig verschiedenen religiösen Zwecken gedient haben, die der ethnisch gemischten Bevölkerung Rechnung trugen. In seinem Inneren fand man den Fuß einer Statue im griechischem Stil mit den Resten eines Donnerkeils, der auf eine mögliche Zeus-Statue hindeutet. Es könnte sich aber auch um eine Synthese aus Zeus und dem zoroastrischen Ahura Mazda oder Zeus und dem persischen Sonnengott Mithras handeln.

Stupa in Sirkap. © Dawoodmajoka. Public domain.

Nachdem der griechisch-baktrische König Demetrios I um 180 v. Chr. nach Indien vorgedrungen war, gründete entweder er selbst oder Menander I die Stadt Sirkap. Sie liegt gegenüber der indischen Stadt Takshashila, griechisch Taxila, dessen Ruinen im Punjab des heutigen Pakistan liegen. Hier befindet sich eine der ältesten Stupas Indiens. Sie wurde vermutlich durch ein Erdbeben im 1. Jahrhundert v. Chr. von ihrem ursprünglichen Ort verschoben.

Stupa in Sirkap mit Doppeladler. © Ziegler175. CC BY-SA 3.0. Wikimedia Commons.

Eine andere Stupa verbindet hellenistische Stilelemente, wie korinthische Säulenkapitelle mit hinduistischen Stilelementen. Ungewöhnlich sind die Doppeladler, die der Stupa ihren Namen gaben. Denn der Doppeladler stammt ursprünglich aus Babylon und war ein besonderes Symbol der Herrscher. Daher vermutet man, dass diese Stupa aus der Zeit der Indo-Skythen stammt.

Darüber hinaus befanden sich in Sirkap auch ein Tempel der Jains, eine dem Buddhismus nahe verwandt Religionsrichtung, eine Stupa der Jains, sowie ein Hindutempel. Demnach lebten also auch hier, wie schon im hellenistischen Baktrien, Inder und Griechen gemeinsam in der gleichen Stadt.

Gold Stater von Diodotos II. Auf der Rückseite ist Zeus mit seinem Donnerkeil dargestellt. © Classical Numismatic Group. CC BY-SA 2.5. Wikimedia Commons.

Die Griechen brachten ihre Götter mit nach Asien, wie die Rückseiten vieler baktrischer und indischer Münzen der zahlreichen griechischen Könige belegen. Besonders häufig sind auf den Münzen Zeus, Herakles, Athene und Apollon dargestellt, Götter die die jeweiligen Könige wohl als ihre persönlichen Beschützer betrachteten.

Münze von Menander. Auf der Rückseite Athene mit einem Donnerkeil. © Public domain.

Mit der Eroberung indischer Gebiete durch Menander I ( regierte c.a. 165 – 130 v. Chr) sollte sich diese Einschränkung auf rein griechische Motive bei den Münzen jedoch bald ändern. Menander ist einer der bedeutendsten indo-griechischen Könige. Er wird in verschiedenen antiken, griechischen Schriften erwähnt.

Strabon schreibt über ihn:

„Die Griechen, die in Baktrien rebelliert hatten, wurden wegen der Fruchtbarkeit des Landes so stark, dass sie Herren, nicht nur von Ariana (historische Region zwischen Persien und Indien), sondern auch von Indien wurden, wie Apollodoros von Artemita sagt: und mehr Stämme wurden von ihnen erobert als von Alexander, aber besonders von Menandros, falls er in der Tat den Hypanis (Beas im Nordosten Indiens) gegen Osten überquerte und bis nach Imaüs gelangte; einige wurden von ihm persönlich erobert, andere von Demetrius, dem Sohn des Euthydemus, dem König der Baktrier. Sie eroberten nicht nur Patalena (Region des Indusdeltas), sondern auch den Rest der Küste, die als das Reich von Saraostos und Sigerdis genannt wird. In Kürze, Apollodoros sagt, dass Baktrien der Schmuck der Ariana im ganzen ist; und mehr als das, sie erweiterten ihr Reich bis zu den Seres und den Phryni. (Strabon, 11, 11)“

Und Plutarch berichtet über den Tod des indo-griechischen Königs:

„Als Menander, der gnädig über die Baktrier regiert hatte, in seinem Lager starb, feierten die Städte im Einklang sein Begräbnis, doch begannen sie sich über seine Überreste zu streiten. Sie kamen unter Schwierigkeiten zu dem Ergebnis, dass seine Asche verteilt werden solle, jede von ihr sollte einen gleichen Teil erhalten und sie sollten alle ein Denkmal für ihn errichten. (Plutarch, Moralia, 10, 55, 28)“

Diskussionsgesten auf der Rückseite der Münzen von den Königen (im Uhrzeigersinn) Amyntas, Peukolaos, Menander II, Nicias. © Public domain.

Und Menander I wird sogar in indischen Schriften genannt. So ist ihm etwa die buddhistische Schrift Milinda Pañha, die Fragen des Königs Milinda gewidmet, in welcher ein Dialog des Königs mit dem buddhistischen Mönch Nagasena dokumentiert sein soll. Milinda ist der indische Name für Menander. Zwar gehört dieser frühe buddhistische Text nicht zum offiziellen Kanon, stellt aber dennoch ein wichtiges Werk dar.

Menander muss also auch bei den Indern hohes Ansehen genossen haben und vielleicht hat ja Plutarch Recht und es wurden ihm zu Ehren sogar Stupas errichtet.

Tatsächlich scheint es nach Menanders Herrschaft zu einer grundlegenden Veränderung der Beziehungen zwischen den Griechen und der indischen Bevölkerung gekommen zu sein. Denn die Nachfolger Menanders prägten nun unter anderem auch Münzen auf denen sie sich selbst als Befolger des Dharma bezeichnen. Dies gilt für Zoilos I (130–120 v. Chr.), Strato (130–110 v. Chr.), Heliokles II (95–80 v. Chr.), Theophilos (130 or 90 v. Chr.), Menander II (90–85 v. Chr.), Archebios (90–80 v. Chr.) und Peukolaos (c. 90 v. Chr.). Oder sie lassen sich selbst oder griechische Götter auf den Münzen mit einer Diskussionsgeste darstellen. Allerdings spielt der Begriff des Dharma, zumindest heute, in allen indischen Religionen eine zentrale Bedeutung, also dem Hinduismus, Buddhismus, Jainismus und Sikhismus, außer natürlich dem Islam. Alleine aus den Münzfunden ist also nicht klar, was man sich damals unter einem Befolger des Dharma vorzustellen hatte. Und auch die Diskussionsgeste ist nicht notwendigerweise eindeutig. Denn auch sie, die Vitarka Mudrā, ist zumindest heute keine rein buddhistische Geste, sondern wird auch von Hindus benutzt.

Geschätzte Bauphasen der Butkara Stupa.© public domain. Wikimedia Commons.

Unter den Indo-Griechen wurde vermutlich die buddhistische Stupa weiter entwickelt, wie Untersuchungen der großen Stupa in Butkara im Swat-Tal in Pakistan nahe legen. Allerdings sind die Datierungen der einzelnen Schichten meines Erachtens etwas fragwürdig, denn sie basieren alleine auf den Funden von jeweils einer einzigen Münze aus der entsprechenden Zeit.

Kopf der römischen Nachbildung der griechischen Statue des Apollon Belvedere, die 330–320 v. Chr. vermutlich von dem Bildhauer Leochares hergestellt wurde. © Marie-Lan Nguyen. CC BY 2.5. Wikimedia Commons.

Da die ersten bildlichen Darstellungen des Buddha im griechischen Stil erfolgten wird vermutet, dass die Griechen in Baktrien und Indien den Buddhismus förderten und dem Buddha ein Gesicht verliehen, wie sie dies bereits für ihre eigenen Götter gewohnt waren.

Prinzen aus Gandhara ließen sich wohl als Boddhisattvas darstellen. © public domain. Wikimedia Commons.

Die ersten Buddha-Statuen aus Gandhara, dem heutigen Grenzgebiet zwischen Pakistan und Afghanistan, haben eine auffällige Ähnlichkeit mit der des Apollon Belevedere: gelocktes Haar, das zu einer Art Knoten zusammen gehalten wird, wie der Kunsthistoriker Benjamin Rowland bemerkte. Zunächst ging man davon aus, dass es sich bei den eher weltlich anmutenden Darstellungen um Bodhisattvas handelt. Doch laut Rowland könnte es sich bei den Statuen auch um idealisierte Darstellungen von Prinzen aus Gandhara handeln, die nach dem Bild des Apollon gestaltet sind. Dies könnte dem Betrachter nahe gelegt haben, dass die menschlichen Prinzen göttlich waren, da sie eine Reinkarnation des Buddha darstellen. So präsentierten sich die Prinzen als ideale, universelle Herrscher, als Chakravartin, wörtlich „der das Rad des Gesetzes in Bewegung setzt“. Von ihm erwarten alle indischen Religionen, dass er sich am Dharma orientiert und so ethisch und gütig die gesamte Welt regiert. Aus diesen frühen Darstellungen der Prinzen in Gandhara entwickelte sich dann die typische Darstellung des Buddha, sowie der verschiedenen Bodhisattvas. So wäre es denn auch folgerichtig, wenn der Bodhisattva Maitreya, als Buddha der Zukunft die Gestalt der Prinzen beibehielt, waren doch die Prinzen die Gottkönige der Zukunft. Bis heute charakterisiert den Buddha sein mildes Lächeln, gelocktes Haar (Inder haben keine Locken!), das zu einem Knoten, der Ushnisha zusammengebunden und hoch gesteckt ist und ein Gewand mit griechischem Faltenwurf. Während die Bodhisattvas überaus reich mit Schmuck behängt sind, wie man es eben von einem Prinzen erwarten würde.

Prinz oder Bodhisattva? © Shakti. CC BY-SA 3.0. Wikimedia Commons.

Später, im Mittelalter, breitete sich das Konzept des Chakravatin auch in Form des Devaraja-Konzepts, eines Gottkönigs, in anderen von Indien geprägten Regionen Asiens aus. So ließen sich etwa die Khmer-Herrscher in Kambodscha gerne in der idealisierten Form der Reinkarnation eines indischen Gottes oder des Buddha darstellen und in speziell dafür errichteten Tempeln verehren. Und noch heute verehrten viele Tibeter den Dalai Lama als Gottkönig, denn die Dalai Lamas gelten als Reinkarnation von Avalokiteshvara, dem Bodhisattva des Mitgefühls, freiwillig seine Wiedergeburt auf sich genommen hat, um das Leid anderer fühlender Wesen zu mindern.

Buddha aus Gandhara in Pakistan mit typisch griechischem Faltenwurf. © Public domain.

Da es sehr schwierig ist Statuen und Inschriften eindeutig zu datieren, wissen wir nicht so genau, aus welcher Zeit die ersten heute noch existierenden Buddhastatuen wirklich stammen. Bisher geht man davon aus, dass die meisten von ihnen erst zur Zeit der Nachfolgeregime der Indo-Griechen, also der Indo-Skythen und der Kushana erstellt wurden.

Münzen von Agathokles. Links: Der indische Gott Balaram-Samkarshana mit seinen Attributen Schwert, Keule und Pflug. Rechts Vasudeva-Krishna mit Schwert, Shanka (Muschelhorn) und der Chakra, einer, wie ein Rad aussehenden Wurfscheibe. © CNG. CC BY-SA 3.0. Wikimedia Commons.

Einfacher ist dies bei Münzen. So prägte etwa bereits der indo-griechische König Agathokles (c.a. 185 – 170 v. Chr.) auch zweisprachige Münzen, auf denen indische Götter und Göttinnen dargestellt waren.

Heliodoros-Säule. © RegentsPark. CC BY-SA 3.0. Wikimedia Commons.

Doch es gibt noch weitere Hinweise darauf, dass die Indo-Griechen die Glaubensvorstellungen der Inder in ihren eigenen Pantheon integrierten. So bekannte sich etwa der Botschafter Heliodoros des indo-griechischen Königs Antialkidas aus Taxila zum Glauben an den indischen Gott Vasudeva und errichtete ihm zu Ehren c.a. 115 v. Chr. eine Säule. Die Inschrift lautet wie folgt:

Diese Garuda-Säule des Vasudeva, wurde dem Gott der Götter, wurde von Heliodoros errichtet, dem Bhagavata, dem Sohn von Dion, einem Mann aus Taxila, dem Botschafter des großen Königs Antialkidas bei dem König Kasiputra Bhagabhadra, dem Retter, im 14. Jahr seines mit Wohlstand gesegneten Königtums.

Auf der Rückseite ist ein Glaubenssatz eingeprägt:

(Diese) drei Schritte zur Unsterblichkeit, führen in den Himmel, wenn sie richtig befolgt werden: Selbstkontrolle, Großzügigkeit und Achtsamkeit.

Ursprünglich war Vasudeva einer von fünf indischen Helden, die in der Umgebung von Mathura verehrt wurden. „Vasu“ heißt auf Sanskrit „wohnend“  und „Deva“ Gott. Was zumindest heute so interpretiert wird, dass Vasudeva der allen Lebewesen innewohnende, oberste Gott ist. Später wurde er mit dem Konzept des Narayana verschmolzen, in dem Krishna als Svayam Bhagavān als oberste Gottheit verehrt wurde, die in allen Lebewesen gegenwärtig ist. Allerdings lässt sich aus den wenigen Zeilen auf der Heliodoros-Säule nicht sagen, was die Anhänger Vasudevas damals glaubten. Doch die heutige Vorstellung weist eindeutig Parallelen zu Heraklits Logos auf, der den Kosmos durchdringt. Das wird etwa im Bhagavad Gita, einem Teil des Mehabharata deutlich. Diese Vorstellungen haben sogar ihren Weg bis ins Christentum gefunden. So heißt es denn im Prolog des Johannes Evangeliums:

ἐν ἀρχῇ ἦν ὁ Λόγος καὶ ὁ Λόγος ἦν πρὸς τὸν Θεὸν καὶ Θεὸς ἦν ὁ Λόγος

en archē ēn ho Lógos kaì ho Lógos ēn pròs tòn Theòn kaì Theòs ēn ho Lógos

Im Anfang war der Logos, und der Logos war bei Gott, und der Logos war Gott.

In der Einheitsübersetzung wird der Logos mit Wort übersetzt.

Christus als der wahre Weinstock. Griechische Ikone. © public domain. Wikimedia Commons.

Weiter hinten im Johannesevangelium gibt es eine weitere Stelle, die Parallelen zur Logostheorie und der indischen Vorstellung einer Gegenwart Gottes in allen Lebewesen versinnbildlicht, die sogenannte Bildrede des Weinstocks:

Ich bin der wahre Weinstock und mein Vater der Weingärtner…Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viel Frucht; denn ohne mich könnt ihr nichts tun.

Allerdings ist hier die Vorstellung der Durchdringung Gottes auf seine Anhänger reduziert, was der ursprünglichen Idee Heraklits zuwider läuft, laut der alle Menschen durch ihre Vernunft Anteil am Logos haben und die Weltseele den gesamten Kosmos durchdringt.

Buddha mit Herkules als Beschützer. Vermutlich aus dem 2. Jahrhundert n. Chr., Gandhara, Pakistan. CC BY-SA 3.0. Wikimedia Commons.

Der intensive Austausch religiöser Anschauungen hinterließ jedoch auch in Asien seine Spuren. So wurde etwa der griechische Herkules mit seiner Keule zum Beschützer des Buddha, dem Vajrapani, Halter des Vajra. Er gilt im  MahayanaBuddhismus als einer der  „acht großen Bodhisattvas“ und soll die Tatkraft des Buddha verkörpern.

Die griechische Bevölkerung in Indien, die sogenannten Yonas oder Yavanas, wie die Inder sie nannten, scheinen bedeutende Anhänger des Buddhismus gewesen zu sein. Denn sie wurden vielfach in buddhistischen Reliefs dargestellt. So etwa am Nordtor der Stupa von Sanchi, in Zentralindien. Die Pilger haben kurzes, gelocktes Haar, das oft mit einem Haarband zusammen gehalten wird, wie dies auch auf vielen alten griechischen Münzen der Region dargestellt ist. Ihre Kleidung ist typisch Griechisch: Die Figuren tragen Tuniken, Mäntel und Sandalen. Ihre Musikinstrumente sind der Aulos, ein antikes Blasinstrument und die Carnyx, ein von den Kelten bekanntes Musikinstrument, das vor allem auch im Krieg zum Einsatz kam, möglicherweise aber auch kultischen Zwecken diente. Haben also vielleicht die keltischen Galater, die sich in Anatolien niedergelassen hatten und in vielen Kriegen der Antike mitkämpften, die Griechen nach Baktrien und Indien begleitet und dort eine neue Heimat gefunden? Oder verfügten auch die Indo-Skythen über die Carnyx? Jedenfalls feiern diese, als Fremde bezeichneten Pilger von Sanchi am Eingang der Stupa. Sie stammten vermutlich aus dem Nordwesten Indiens.

Griechisch gekleidete buddhistische Anhänger am Nordtor der Stupa von Sanchi. © Gangulybiswarup. CC BY 3.0. Wikimedia Commons.

Die Griechen haben aber vermutlich auch die Verbreitung und Entwicklung des Buddhismus entscheidend mitgeprägt, wie verschiedene buddhistische Texte nahe legen.

So wird in den sri-lankischen Pali Texten Dipavamsa und Mahavamsa ein buddhistischer Yona-Missionar genannt. Er hieß Dhammarakkhita (Dharmarakṣita auf Sanskrit) und soll Mitte des dritten Jahrhunderts v. Chr. auf Geheiß des indischen Königs Ashoka die Griechen in Baktrien missioniert haben.

An anderer Stelle im Pali-Kanon wird ebenfalls ein buddhistischer Lehrer namens Dhammarakkhita erwähnt, der Yona war. Über ihn wird berichtet, dass der buddhistische Mönch Punabbasukutumbikaputta Tissa Thera extra aus Sri Lanka nach Indien gereist sein soll, um bei ihm zu lernen. Danach erlangte er patisambhida (analytisches Wissen) was nichts weniger heißt, als dass dieser Mönch die Erleuchtung erlangte. (VibhA. 389.)

Und auch der Mönch Nagasena, der in dem Text Milinda Pañha mit dem indo-griechischen König Menander diskutiert, könnte bei dem gleichen Dhammarakkhita gelernt haben. Auch hier wird Dhammarakkhita als ein besonders guter Lehrer dargestellt, der dazu in der Lage war Nagasena sehr schnell auf seinem buddhistischen Pfad voran zu bringen.

Zunächst empfiehlt der vorhergehende Lehrer von Nagasena diesem bei Dhammarakkhita in die Lehre zu gehen:

Assagutta sagte zu ihm: Nagasena, gehst Du nun nach Pâtaliputta? Dort, im Ashoka Park lebt der ehrwürdige Dhamma-rakkhita. Von ihm wirst Du die Worte des Buddha lernen. (Milinda Panha, I, 32)

Schließlich geht Nagasena zu diesem Weisen und lernt bei ihm erfolgreich die buddhistische Lehre:

Nagasena ging zum Ashoka Park zu Dhamma-rakkhita. Und nachdem er ihn begrüßt hatte und ihm berichtet hatte, warum er gekommen war, lernte er auswendig, aus dem Munde des ehrwürdigen Dhamma-rakkhita, alle drei Körbe der Worte des Buddha binnen drei Monaten…Und nach weiteren drei Monaten verstand er die Lehre (des Buddha).

Aber nach dieser Zeit sprach ihn der ehrwürdige Dhamma-rakkhita an und sagte: „So wie der Kuhhirte die Kühe pflegt, aber andere in den Genuß dessen kommen, was sie produzieren, so trägst auch Du alle drei Körbe von Buddhas Worten in Deinem Kopf und hast dennoch nicht Teil an der Frucht der Samanas. (der Asketen).“

„Obwohl dies so ist, heiliger Mann, sag nichts mehr.“ war seine Antwort. Und noch an diesem Tag, als es Nacht war, erlangte wurde er zum Arhat (d.h. er erlangte die wahre Einsicht in die Natur der Dinge) (Milinda Panha, I, 35).

Und dem sri-lankische Mahavamsa zufolge, führte der Yona Mahadharmaraksita im zweiten Jahrhundert v. Chr., vermutlich unter der Regentschaft des Königs Menander I, 30.000 Mönche zur Einweihung der Maha Thupa („Großen Stupa„) in Anuradhapura in Sri Lanka. Laut dem Text kam Mahadharmaraksita aus Alasandra. Dabei könnte es sich entweder um Alexandria im Kaukasus, dem heutigen Bagram in Afghanistan oder Alexandria in Arachosia, dem heutigen Kandahar, ebenfalls in Afghanistan oder einer anderen der vielen nach Alexander dem Großen benannten Städte handeln. Zum Buddhismus bekehrt worden waren die Sri-Lanker laut ihrer eigenen Überlieferung von einem Sohn des legendären indischen Königs Ashoka, Mahinda.

Edikte von Ashoka. © PHGCOM. CC BY-SA 3.0. Wikimedia Commons.

Ashoka (regierte vermutlich 302 – 232 v. Chr.) soll laut buddhistischer Überlieferung der erste indische König gewesen sein, der sich zum Buddhismus bekannte und diesen aktiv förderte. Ihm wurden daher auch die vielen Edikte mit religiösem und sozialem Inhalt zugeschrieben, die über ganz Indien verteilt sind. Sie gelten als die ältesten buddhistischen Schriften. Doch König Ashoka findet in klassischen Texten keinerlei Erwähnung. In religiösen, buddhistischen Schriften wird dagegen umso ausführlicher über sein Leben berichtet. Dabei gab es wohl zur Zeit der Maurya-Dynastie enge Beziehungen zwischen den griechischen Herrschern in Persien, den Seleukiden und den indischen Königen. Nachdem sich der griechisch-persische König Seleukos gegenüber dem indischen König Chandragupta nach einer kriegerischen Auseinandersetzung geschlagen geben musste arrangierten die beiden nach indischer Tradition eine Heirat zwischen Chandragupta und einer Tochter des Seleukos. Weiter wird berichtet Seleukos habe dafür, dass er auf einen Teil seines Herrschaftsgebietes verzichtete im Gegenzug 500 Kriegselefanten erhalten, die ihm bei einer späteren Schlacht sehr von Vorteil waren. Auch von einem Austausch von Gesandten wird berichtet. So schickte etwa Seleukos Megasthenes als Botschafter an Chandraguptas Hof, und später entsandte der seleukidische Herrscher Antiochus I Deiachos an den Hof von Chandraguptas Sohn Bindusara, Um die freundschaftlichen Beziehungen zwischen den verschiedenen Herrscherhäusern aufrecht zu erhalten, kam es auch zu einem Austausch von Geschenken. So bat etwa Bindusara den persisch-griechischen König Antiochus um süßen Wein, getrocknete Feigen und einen Sophisten (einen Philosophen). Worauf Antiochus geantwortet haben soll:

Die getrockneten Feigen und den süßen Wein werden wir Euch zukommen lassen. Aber es ist in Griechenland nicht zulässig mit Sophisten zu handeln.

Auf den Ashoka zugeschriebenen Edikten bezeichnet sich der Auftraggeber selbst meist nur als Devanampriya Priyadasi, wobei  Devanampriya, soviel heißt wie „Der Liebling der Götter“, ein Ehrentitel, den viele indische Herrscher für sich in Anspruch nahmen. Im Deutschen könnte man Devanampriya auch einfach mit König übersetzen. Und Priyadasi heißt „der wohlwollend Blickende“. Devanampriya Priyadasi heißt also nichts anderes als „der wohlwollend blickende König.“ Dieser Titel wird auch in den zweisprachigen Edikten in Kandahar benutzt. Dort ist im Griechischen von βασιλεὺς Πιοδασσης „König Piyodasses“ die Rede. Das Gleiche gilt für die aramäischen Inschriften.

Eine der Inschriften verkündet:

Nachem zehn Jahre (der Regentschaft) vergangen waren, verkündete König Piodasses den Menschen die Moral (im Griechischen wird der Begriff  Dharma mit Eusebeia übersetzt). Von diesem Augenblick an hat er die Menschen moralischer gemacht und alles gedeiht in der ganzen Welt. Und der König verzichtet darauf lebende Wesen (zu töten) und andere Menschen und diejenigen die Jäger und Fischer für den König sind verzichten auf die Jagd. Und diejenigen die unbeherrscht waren haben aufgehört unbeherrscht zu sein, sogut sie dies konnten. Und sie gehorchen nun ihrem Vater und ihrer Mutter, im Gegensatz zu der Vergangenheit werden sie dies nun auch in Zukunft bei jeder Gelegenheit tun und so ein besseres und glücklicheres Leben führen.

Auch eine griechische Übersetzung der großen Felsedikte Nr.12 und 13 wurde in Kandahar gefunden. Wobei der erhaltene Block, der inzwischen Teil eines Gebäudes ist, nur das Ende des 12ten und den Anfang des 13ten Ediktes enthält. Daher vermuten Forscher, dass die griechische Version in Kandahar alle 14 großen Felsedikte umfasst haben könnte. Der Text ist in ausgefeiltem Griechisch verfasst. Im 13ten großen Felsedikt berichtet der König von seiner Reue über das Leid, das die Eroberung Kalingas über die in diesem Reich lebenden Menschen gebracht hat. Daher kündigt er an, von nun an nur noch eine Eroberung mit Hilfe der Moral (Dharma) zu verfolgen. Und berichtet, wie erfolgreich er diese moralische Eroberung bisher vorangetrieben hat. Diese moralische Eroberung erfüllt ihn mit Befriedigung, die er aber gering schätzt, im Vergleich zu den Verdiensten, die er dadurch in der anderen Welt erlangt. Am Schluss rät er auch seinen Kindern und Kindeskindern von kriegerischen Eroberungen ab und fordert sie dazu auf, falls sie doch eine kriegerische Eroberung machen wollen, den Eroberten zu vergeben und sie nur milde zu bestrafen. Und er ermahnt sie, die beste Eroberung bestehe in einer moralischen Eroberung.

Die Edikte wurden nur deshalb mit dem Namen Ashokas in Verbindung gebracht, weil in einer alten siamesischen Version des sri-lankischen, buddhistischen Textes Dipavamsa der Ehrentitel Priyadarsi einem Maurya König zugeschrieben wird:

Zweihundert und achzig Jahre nach der Seeligkeit des Buddha wurde Piyadassi zum König gekrönt,.. , ein Enkel von Chandragupta und ein Sohn von Bindusara, der damals Verwalter von Ujjayani war.

Doch dieser Text stammt vermutlich aus dem 3. bis 4. Jahrhundert n. Chr.. Er ist also erst rund 600 Jahre nachdem Ashoka gelebt haben soll geschrieben worden. Der Titel Devanampriya  „Der Liebling der Götter“ wird in dem kleinen Felsedikt von Maski, im Süden Indiens zusammen mit dem Namen Ashoka verwendet. Diese Inschrift lautet wie folgt:

(Eine Verlautbarung) von Devanampriya Asoka: Zweieinhalb Jahre (sind vergangen) seit ich ein Buhha-Sakya bin. (Ein Jahr) und etwas mehr (sind vergangen) seit ich die Samgha besucht habe und Reue gezeigt habe. Die Götter, die bisher keinen Kontakt mit (den Menschen) in Jambudvipa hatten, haben nun mit ihnen Kontakt aufgenommen. Dieses Ziel kann selbst von einer einfachen Person erreicht werden, die sterblich ist. Man darf nicht glauben, dass nur eine hochrangige (Person) dies erreichen kann. Beiden, der hochrangige und die einfache Person muss gesagt werden: „Wenn Du so handelst, wird diese Angelegenheit erfolgreich und von langer Dauer sein und so um ein und einhalb voranschreiten.

Die Tatsache, dass der Name Ashoka in ein paar der kleinen Felsedikte in Verbindung mit dem Titel Devanampriya genannt wird verleitete den Orientalisten James Prinsep dazu alle Edikte diesem mutmaßlichen Maurya König Ashoka zuzuschreiben. Ursprünglich hatte Prinsep jedoch geglaubt, die Inschriften gingen auf den nicht weniger legendären sri-lankischen König Devanampiya Tissa zurück. Der vergleichende Religionswissenschaftler Christopher Beckwith ist jedoch der Meinung, Priyadarsi könnte ein anderer König gewesen sein, vielleicht der Sohn Chandraguptas Bindusara. Und Ashoka, war entweder eine buddhistische Legende oder ein späterer König, der die kleineren Felsedikte aufstellen ließ.

Die buddhistischen Quellen wissen nichts von einem Krieg Ashokas gegen Kalinga zu berichten, obwohl der König, der die Felsedikte in Auftrag gab, dieses Ereignis als Wendepunkt seiner Eroberungsstrategie darstellt. Im Milinda Panha wird dagegen beschrieben, wie Chandragupta mit gewaltigen Verlusten an Mensch und Tier Kalinga eroberte. Auch stimmen die buddhistischen Quellen nicht mit den Felsedikten darin überein, wie die Gemahlin und die Kind(er) des „Lieblings der Götter“ geheißen haben sollen. In der Säule von Allahabad werden Schenkungen der zweiten Königin Karuvaki, deren Sohn Tivala war, aufgelistet. In den buddhistischen Schriften tauchen diese Namen nicht auf.

Vier Schrifttypen der Edikte: Brahmi (o. l.), Kharoshthi (o. r.), Griechisch (u. l.) und Aramäisch (u. r.) © Brahmi inscription: Laura Solà Kharoshthi inscription: Niskhan65 Greek inscription: Schlumberger
Aramaic inscriptoin: Schlumberger. CC BY 3.0. Wikimedia Commons.

Die meisten Edikte behandeln nur generelle soziale Themen, die keiner speziellen indischen Religion zuzuordnen sind, sondern der alle religiösen Richtungen zustimmen könnten. Ganz so, wie man dies auch von einem vernünftigen Staatsmann erwarten würde, der alle Religionen in seinem Reich gleich behandelt. Auch sind die Edikte nicht alle in der gleichen Sprache und Schrift verfasst, sondern richten sich in unterschiedlichen Sprachen und Schriften an die verschiedenen Zielgruppen der Edikte. Im Osten und der zentralen Region Nordindiens und im Süden sind die Edikte in der Sprache Magadhi verfasst und in Brahmi-Schrift geschrieben. Weiter nordwestlich, etwa in Gandhara wurden auch Edikte in Kharoshthi-Schrift und auf Griechisch und Aramäisch gefunden. Im vierten Jahrhundert ließ der Gupta Herrscher Samudragupta auf die Säule in Allahabad eine Sanskritinschrift einmeißeln, auf der er über seine militärischen Erfolge berichtet. Darüber hinaus sind die Edikte sogar in unterschiedlicher Form gehalten: Es gibt

  • 14 größere Felsedikte
  • 17 kleinere Felsedikte
  • 7 größere Pfeileredikte
  • 5 kleinere Pfeileredikte
  • 2 Separatedikte
  • 2 Schenkungsedikte in Höhlen

Was auch etwas verwundert ist die Tatsache, dass die ältesten Edikte ausgerechnet die zweisprachingen Felsedikte aus Kandahar sind, die auf griechisch und aramäisch abgefasst sind. Aus dem gleichen Jahr soll auch eine aramäische Inschrift aus Sirkap bei Taxila stammen. Und eine weitere aus der Umgebung von Taxila, die ebenfalls auf aramäisch verfasst ist. Warum sollte ein indischer König sich als erstes an eine griechisch und aramäisch sprechende Bevölkerung wenden, statt seine indischen Untertanen anzusprechen? Wollte er vielleicht mit seiner Eroberung mit Hilfe des Dharma einen Kontrast zu den kriegerischen Eroberungsfeldzügen der Griechen setzten?

Es wäre aber auch durchaus denkbar, dass die Edikte von verschiedenen Königen errichtet wurden, um kund zu tun, was sie für ihre Untergebenen getan hatten und sich so als Chakravatin zu qualifizieren.

Wobei es sicher für fremde Herrscher, die selbst keine Inder waren, besonders wichtig war ihre Macht gegenüber der einheimischen Bevölkerung zu legitimieren. Könnte es also sein, dass die Griechen oder Ihre Nachfolger, die Indo-Skythen und Kushana ihre Macht in Indien zu legitimieren versuchten, indem sie sich in die Reihe der Chakravatins einzureihen versuchten und dazu eine der vielen indischen Glaubensrichtungen benutzten, wie etwa eine frühe Form des Buddhismus oder Jainismus. Und dieser Religion durch ihre Herrschaft eine neue Ausprägung verliehen, indem sie diese um Inhalte der griechischen Philosophie bereicherten? Umgekehrt wird ein ausgereifterer Buddhismus, der hellenistische Werte übernommen hatte nun seinerseits attraktiver und dazu in die Lage gewesen sein, sich international auszubreiten.

So haben denn wohl alle Beteiligten von dem kulturellen Austausch zwischen Indern und Griechen, sowie deren Nachfolgern, den Indo-Skythen und Kushana profitiert, indem sich im Laufe von Jahrhunderten eine friedliebende Religion entwickelte, die noch heute viele Menschen aus Ost wie West in ihren Bann zieht. Wobei die einen mehr Wert auf den spirituellen Inhalt legen, während es den anderen mehr um die philosophischen Inhalte für eine geglückte Lebensführung geht.

von Ute Keck, 2. September 2020

Quellen und weiterführende Informationen:

Heraclitus on the LOGOS (University of Pennsylvania)

Heraclitus on Change (University of Pennsylvania)

Presocratic Philosophy (University of Stanford)

Heraclitus University of Michigan (In diesem Artikel wird erklärt, wie Diogenes Laertios seine bitterböse Biographie über Heraklit anhand seiner Zitate konstruierte.)

The Heraclitean Logos (Harvard University)

Heraclitus and the Buddha (Text teils auf Griechisch geschrieben. Weiter unten ist der englische Teil)

Zitate von Heraklit

Heraclitus (University of Stanford)

Heraclitus and the Birth of the Logos

Pyrrho’s Thought

Madhyamaka and Pyrrhonism, doctoral thesis at university of Oxford

Madhyamaka University of Stanford

Some new hypotheses on the problems of the Indo-Greek kingdoms

The Greco-Bactrian Temple in Ai Khanoum (The Temple with Indented Niches)

Temple with Indented Niches‘ at Ai Khanoum: Ethnic and Civic Identity in Hellenistic Bactria

Handbuch der Moral von Epiktet

Pauline Christianity as a Stoic Interpretation of Judaism, Masterarbeit von Diotima Coad am Department of Greek and Roman Studies an der University of Voctoria, USA

How to be a Stoic von Massimo Pigliucci (City College of New York)

Bhagavat Gita mit einem spirituellen Kommentar von Bede Griffiths

Yale Open Courses: Philosophy and the Science of Human Nature (Kurs über das Thema, wie die antike Philosophie dabbei helfen kann ein geglücktes Leben zu führen und wie deren Hypothesen durch die moderne Psychologie bestätigt sind). Eines der zentralen Bücher für den Kurs ist: Die Glückshypothese von Janathan Haidt

Jonathan Haidt bei TED: Religion, evolution, and the ecstasy of self-transcendence

Welchen gewaltigen Einfluss der Hellenismus wohl auch auf die Erstellung des Alten Testaments in Alexandria hatte, läßt sich in folgenden Büchern nachlesen:

Biblical Interpretation Beyond Historicity: Changing Perspectives 7. Philippe Wajdenbaum, From Plato to Moses, Genesis-Kings as a platonic epic

Thomas L. Thompson, Philippe Wajdenbaum: The Bible and Hellenism. Greek Influence on Jewish and Early Christian Literature

Philippe Wajdenbaum: Argonauts of the Desert. Structural Analysis of the Hebrew Bible

Jesus, Socrates, and the State: Political Mythology and Power Dissertation, University of Denver, USA

Denker des Abendlandes Heraklit & Parmenides BR alpha

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