Ehrfurcht gegenüber der Natur zu empfinden macht glücklich

Menschen über 75 Jahren fühlen sich oft einsam und neigen mitunter zu negativen Emotionen. Forscher haben nun ein einfaches Mittel gefunden, um eine emotionale Öffnung dieser Menschen zu bewirken: Bereits ein wöchentlicher Spaziergang von 15 Minuten genügte hierfür. Der springende Punkt dabei war, dass die Menschen dazu aufgefordert wurden Ehrfurcht für die Natur zu empfinden.

Todtnauberg. © Mathiasus. CC BY 4.0. Wikimedia Commons.

Negative Emotionen, wie etwa Einsamkeit, können die Gesundheit gerade von älteren Menschen beeinträchtigen. Daher suchten Forscher nach einer einfachem Möglichkeit den Blick der Betroffenen von innen nach außen zu lenken. Dazu forderten sie 60 gesunde ältere Menschen über einen Zeitraum von acht Wochen dazu auf einmal in der Woche einen 15 minütigen Spaziergang zu machen. Die Probanden wurden in zwei Gruppen aufgeteilt. Der einen Gruppe wurde das Gefühl der Ehrfurcht beschrieben und sie wurden dazu aufgefordert zu versuchen, dieses Gefühl bei ihren Spaziergängen zu kultivieren. Die andere Gruppe wurde nicht auf diese spezielle Art unterwiesen.

Blick vom Seebuck auf den Feldsee. © Schoschi. CC BY 4.0. Wikimedia Commons.

Nach jedem Spaziergang gaben die Versuchsteilnehmer Auskunft über ihre Erlebnisse und Emotionen während des Ausflugs und insbesondere darüber, ob sie Gefühle der Ehrfurcht erlebt hatten. Dabei zeigte sich, dass die Gruppe, die dazu angehalten worden war Ehrfurcht zu entwickeln, diese auch tatsächlich im Laufe der achtwöchigen Studie immer stärker empfand. Das sah man auch auf den Selfies, die die Probanden zu Beginn, in der Mitte und am Ende des Spazierganges von sich machen sollten. Nahmen die Versuchsteilnehmer zu Beginn der Studie vor allem sich selbst auf, so nahm mit der Zeit ihre eigene Person immer weniger Raum im Vergleich zur Natur ein. Gleichzeitig wurde das Lächeln der Beteiligten auf ihren Bilder immer intensiver.

Ahornblätter. Kenny Louie. © CC BY 2.0. Wikimedia Commons.

Wie die Forscher anhand der Fragebögen herausfanden entwickelten die Teilnehmer im Laufe der Zeit für die sie umgebende Natur immer mehr Bewunderung. So berichtete etwa ein Teilnehmer, er habe die bunten Farben des Herbstlaubes genossen und die veränderte Konsistenz der feuchten Blätter unter seinen Füssen wahrgenommen. Sie lernten also im Laufe der Zeit über die Wunder der Natur so zu staunen, wie dies sonst nur kleinen Kindern gelingt. Die Mitglieder der Kontrollgruppe dagegen machten sich während ihres Spazierganges etwa darüber Gedanken, was sie für ihren nächsten Urlaub noch vorbereiten müssen. Auch gingen sie öfter spazieren, da sie meinten, es ginge in der Studie um körperliches Training.

Herzogenhorn. © WWasser. CC BY 4.0. Wikimedia Commons.

Im Lauf der Studie entwickelten die Probanden denen nahe gelegt worden war Ehrfurcht zu empfinden, mehr Mitgefühl und Dankbarkeit. Dieser Effekt beruht darauf, dass die Teilnehmer ihren Blick von innen mehr nach außen richteten. Dadurch waren sie nicht mehr so sehr auf ihre eigenen Probleme fokussiert, wodurch ihr Selbst an Bedeutung verlor und sie so ein gesünderes Verhältnis zwischen ihrem eigenen Selbst und dem größeren Bild der sie umgebenden Welt entwickelten.

Allerdings bewirkten die kurzen Spaziergänge, die die Probanden nur einmal in der Woche unternahmen keine langfristigen Veränderungen ihres Allgemeinbefindens. Dazu hätten sie vielleicht öfter, etwa täglich spazieren gehen müssen. Auch dürfte sich die Freude beim Spazieren gehen nicht nur auf ältere Menschen beschränken. Auch jüngere Menschen werden emotional davon profitieren, wenn sie regelmäßig Ausflüge in die Natur unternehmen und diese bewusst und mit Bewunderung wahrnehmen.

von Ute Keck, 12. November 2020

Originalpublikation:

Sturm, V. E., Datta, S., Roy, A. R. K., Sible, I. J., Kosik, E. L., Veziris, C. R., Chow, T. E., Morris, N. A., Neuhaus, J., Kramer, J. H., Miller, B. L., Holley, S. R., & Keltner, D. (2020). Big smile, small self: Awe walks promote prosocial positive emotions in older adults. Emotion. Advance online publication. https://doi.org/10.1037/emo0000876

‘Awe walks’ boost emotional well-being

Kommentare sind geschlossen.