Wenn Proteine, die Maschinen des Lebens, ihre Aufgaben im Organismus erfüllt haben, müssen sie abgebaut werden. Das geschieht in winzigen Organellen der Körperzellen, den Lysosomen. Eine wichtige Rolle bei dieser zellulären Müllabfuhr spielt der Transport und Austausch von Ionen. Ist dieser Prozess gestört, können schwere Erkrankungen die Folge sein. Eine dieser Erkrankungen ist die Osteopetrose, bei der die Knochen nicht mehr abgebaut werden und deshalb verkalken.
Jetzt haben Dr. Stefanie Weinert und Prof. Thomas Jentsch vom Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC) Berlin-Buch/Leibniz-Institut für Molekulare Pharmakologie (FMP) eine zusätzliche Funktion beim Ionentransport- und Austausch entdeckt, die entscheidend für den Knochenabbau ist (EMBO Reports, DOI: 10.15252/embr.201438553)*.
Im Mittelpunkt ihrer Untersuchung steht der Chlorid/Protonen-Austauscher ClC-7. Dieses Protein kommt in den Lysosomen nahezu aller Körperzellen vor. Normalerweise sorgt ClC-7 (samt seiner Untereinheit Ostm1) dafür, dass Chloridionen (negativ geladene Teilchen) in die Lysosomen einströmen und positive geladene Wasserstoffionen herausströmen, um ein Ladungsgleichgewicht aufzubauen.
Fehlt ClC-7, entsteht beim Menschen, sowie bei Rindern und Mäusen Osteopetrose, weil das Gleichgewicht zwischen knochenaufbauenden Zellen (Osteoblasten) und knochenabbauenden Zellen (Osteoklasten) aus dem Ruder gelaufen ist. Die Osteoklasten sind nicht mehr funktionstüchtig, die Knochen verkalken und werden brüchig. Bei Mäusen verursacht der gestörte Proteinabbau zusätzlich im Gehirn degenerative Veränderungen. Hinzu kommt eine Speicherkrankheit, weil die zellulären Mülleimer, die Lysosomen, nicht mehr geleert werden. Verblüffenderweise führt die Störung auch dazu, dass das ursprünglich braune Fell der Mäuse grau wird.
Um zu verstehen, was hinter der Veränderung der Fellfarbe bei den Mäusen steckt, bei denen ClC-7 gänzlich fehlt, entwickelten die Forscher ein Mausmodell, bei dem ClC-7 zwar vorhanden ist, aber keine Transportfunktion hat, das heißt, weder Chloridionentransport noch Protonenaustausch werden in den Lysosomen bewerkstelligt, jedoch Ostm1 und weitere bisher nicht identifizierte Proteine können weiterhin mit dem inaktiven ClC-7 Protein interagieren. Diese Mäuse haben eine schwere Osteopetrose, aber weniger neurodegenerative Schäden, und sie behalten auch ihr braunes Fell.
Mäuse, bei denen ClC-7 dahingehend mutiert ist, dass das Protein nur den Chloridionentransport gewährleistet, nicht aber den Protonenaustausch, dennoch wie das inaktive ClC-7 mit anderen Proteinen interagieren kann, haben nur eine leichte Form der Osteopetrose und sie behalten auch ihre braune Fellfarbe. Die Forscher vermuten, dass das mutierte ClC-7 die benötigte Ausgleichsladung für die Funktion der Osteoklasten zumindest zum Teil bereitstellen kann.
Mit ihrer Untersuchung haben die Forscher jetzt gezeigt, dass sowohl fehlende Protein-Protein-Interaktionen als auch Ionentransport in Körperzellen als Ursache von Krankheiten, die mit ClC-7 zusammenhängen, betrachtet werden müssen. Um nicht an einer starken Form der Osteopetrose zu erkranken, muss ein Ionentransport stattfinden. Für die normale Fellfarbe hingegen sind Protein-Protein-Interaktionen essentiell und nicht der Ionentransport durch ClC-7.
*Transport activity and presence of ClC‐7/Ostm1 complex account for different cellular functions.
Stefanie Weinert1,2, Sabrina Jabs1,2, Svea Hohensee1, Wing Lee Chan3,4, Uwe Kornak3,4 and Thomas J Jentsch*,1,2,5
1Leibniz‐Institut für Molekulare Pharmakologie (FMP), Berlin, Germany
2Max‐Delbrück‐Centrum für Molekulare Medizin (MDC), Berlin, Germany
3Institut für Humangenetik, Charité Universitätsmedizin Berlin, Berlin, Germany
4Max‐Planck‐Institut für Molekulare Genetik, Berlin, Germany
5Neurocure Cluster of Excellence, Charité Universitätsmedizin Berlin, Berlin, Germany
Gemeinsame Pressemitteilung des Max-Delbrück-Centrums für Molekulare Medizin (MDC) Berlin-Buch und des Leibniz-Instituts für Molekulare Pharmakologie (FMP) vom 26. Mai 2014