Die Unstatistik Juni ist die Warnung, dass die als gesund gelobte fettarme Milch und der magere Joghurt das Risiko erhöhen, an der Parkinson-Krankheit zu erkranken.
So berichtet web.de über zwei Beobachtungsstudien in der Fachzeitschrift Neurology: „Unter den Personen, die drei oder mehr Portionen fettreduzierter Milchprodukte pro Tag konsumiert haben, war die Rate derer, die die Nervenkrankheit Parkinson entwickelten, 34 Prozent höher“. Auch bei einer Portion täglich sei das Risiko „merkbar erhöht“.
34 Prozent höheres Risiko! Heißt das, dass von je 100 Personen, welche fettarme 1,5%-Milch trinken, 34 später Parkinson-Symptome bekommen? Nein. Hier wurde mit einem altbekannten Trick gearbeitet: Man berichtet den relativen Risikoanstieg, nicht aber den absoluten Anstieg. In absoluten Zahlen sieht das Risiko so aus: Von den Personen, die keine (bzw. weniger als eine Portion pro Tag) fettarme Milchprodukte zu sich nahmen, erkrankten rund 25 Jahre später 0,6 Prozent an Parkinson, bei drei oder mehr Portionen stieg diese Zahl auf 1 Prozent. Der absolute Risikoanstieg ist also 0,4 Prozent. Damit kann man keinen großen Eindruck schinden. Mit relativen Zahlen schon: Demnach steigt das relative Risiko um 34 Prozent. Die Zahl entstand nach dem Einrechnen von Kontrollvariablen wie dem Rauchen; ohne diese Faktoren wäre der Anstieg von 0,6 auf 1 dann 66 Prozent mehr. Im Abstrakt des Originalartikels (Hughes et al., Neurology 2017) wird auch nur der relative Anstieg des Risikos berichtet – mit relativen Zahlen große Gefahren zu suggerieren hat eine lange Tradition in medizinischen Fachzeitschriften.
Die gute Nachricht ist, dass anders als web.de die meisten Medien-Berichte die absoluten Zahlen genannt haben, wie etwa aerzteblatt.de. Auch wurde regelmäßig berichtet, dass es sich um Beobachtungsstudien und keine experimentellen Studien handelte, was bedeutet, dass man mit kausalen Schlüssen – fettarme Milch bedingt Parkinson – sehr vorsichtig sein muss. Wir haben insgesamt den Eindruck, dass sich die Berichterstattung nach fünf Jahren „Unstatistik“ merkbar verbessert. Auch das ist allerdings eine Korrelation und kein kausaler Beweis.
Soll man nun Vollmilch statt fettarmer Milch trinken, wenn man sich um Parkinson sorgt? Da die kausale Frage ungeklärt ist und der absolute Effekt – wenn es ihn gibt – klein ist, sollte man sich keine großen Sorgen machen und einfach entspannt trinken, was einem schmeckt.
Max-Planck-Institut für Bildungsforschung, 30. Juni 2017