Vorsicht Statistik: Fehlende Informationen zu Nutzen und Schaden des Brustkrebs-Screenings

Mammographie. © public domain.

Mammographie. © public domain.

Die Unstatistik des „Brustkrebsmonats“ Oktober ist anders als üblich: es geht dieses Mal um Statistiken, die nicht berichtet wurden. Berichtet wurde, von Nord bis Süd, über Kampagnen zur „Brustkrebsvorsorge.“ So berichtete die Bild-Zeitung am 22. Oktober „Die Alster leuchtet pink – Kampagne gegen Brustkrebs“ und die Österreichische Krebshilfe bot „Pink Ribbon Toaster“ zum Verkauf an. Vom Nordkurier bis zur Krebshilfe sprachen viele irreführend von „Vorsorge“, obgleich es sich um Früherkennung handelt. Vorsorge verringert die Wahrscheinlichkeit an Krebs zu erkranken, Früherkennung nicht. Früherkennung setzt voraus, dass der Krebs schon da ist.

Im Brustkrebsmonat wurde über viele Statistiken berichtet, wie beispielsweise der Anteil der Frauen, die am Screening teilnehmen. Nur über jene Statistiken, welche Frauen eine informierte Entscheidung über die Teilnahme am Screening ermöglichen würden, wurde vom Nordkurier über Emma bis zur Österreichischen Krebshilfe nicht berichtet: Nutzen und Schaden. Obwohl diese aus randomisierten Studien mit etwa 500.000 Frauen bestens bekannt sind.

Von je 1.000 Frauen im Alter 50+, die am Screening teilnehmen, sterben innerhalb von 10 Jahren etwa 4 an Brustkrebs; bei Frauen, die nicht teilnehmen, sind es 5. In anderen Worten, 1.000 Frauen müssen 10 Jahre lang am Screening teilnehmen, damit eine weniger an Brustkrebs stirbt. In den wenigen Fällen, wo Frauen quantitative Information über den Nutzen überhaupt erhalten, wird ihnen dieser meist als „20-prozentige Reduktion“ dargestellt (von 5 auf 4), da eine relative Risikoreduktion (20%) beeindruckender als eine absolute Risikoreduktion (1 in 1.000) klingt. Die zuverlässigere Information wäre allerdings die Gesamtkrebssterblichkeit (einschließlich Brustkrebs): hier hat man keinen Unterschied durch die Teilnahme von Frauen an der Früherkennung gefunden. Diese Statistik wird aber an Frauen kaum je weitergegeben.

Zudem sollte man Frauen auch über den möglichen Schaden informieren: Etwa 100 von je 1.000 Frauen, die 10 Jahre zum Screening gehen, erhalten falsch-positive Testergebnisse und Biopsien (Gewebeentnahmen) – obgleich sie keinen Brustkrebs haben. Diese falschen verdächtigen Befunde verängstigen viele Frauen, insbesondere wenn ihnen vorher nichts dazu erklärt wird. Und etwa 5 von je 1.000 Frauen unterziehen sich unnötigen Eingriffen wie einer teilweisen oder ganzen Entfernung der Brust – unnötig, da diese Frauen eine nicht-progressive Form von Brustkrebs haben, die ihnen während ihres weiteren Lebens keine Probleme bereitet hätte. In Kenntnis dieser Statistiken könnte jede Frau selbst informiert entscheiden, ob sie am Screening teilnehmen möchte oder nicht.

Auch und gerade im „Brustkrebsmonat“ verdienten Frauen ehrliche und transparente Statistiken über Nutzen und Schaden des Screenings. Die Zeit des Paternalismus, in der man Frauen sagt, was sie tun sollen, sollte eigentlich längst Geschichte sein. Emma und die Krebshilfe sollten darüber nachdenken, zum Pink ausgewogenere Informationen zu liefern.

Max-Planck-Institut für Bildungsforschung, 4. November 2013.

Weitere Informationen zum  Thema Brustkrebsscreening gibt es auch bei Quarks & Co: Zahlenwirrwarr um das Burstkrebsscreening.

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